Die Allianz gegen den Westen jubelt
Russlands Mainstream begeistert sich an der neuen kriegerischen Krise zwischen Iran und Israel. Es geht nicht nur um handfeste Vorteile.
Der Weltuntergang naht. „Das, was wir jetzt im Nahen Osten sehen, erinnert sehr an Armageddon“, versichert der ultrarechte russische Ideologe Alexander Dugin dem Portal Zargrad. „Eigentlich an die endzeitliche Entscheidungsschlacht.“
Nach dem iranischen Raketengroßangriff auf Israel herrschte am Montag in Moskau ein Stimmungsgemisch aus Gelassenheit bis Kriegseuphorie. Die Staatsmacht stellt sich auf die Seite Teherans, Außenminister Sergej Lawrow ließ nach einem Telefonat mit seinem iranischen Kollegen Hussein Amirabdollahian am Sonntag banal verlautbaren, neue gefährliche Provokationsakte könnten zu einem Anstieg der Spannung im Nahen Osten führen. Kein Wort der Kritik, auch Außenamtssprecherin Maria Sacharowa weigerte sich auf ihrem Telegram-Kanal ausdrücklich, den Raketenschlag der Iraner zu verurteilen. Sacharowa beschuldigte ihrerseits Israels Offizielle, sie würden die feindliche Ukraine regelmäßig verbal unterstützen.
Der Mainstream der russischen Öffentlichkeit setzte Irans „Spezialoperation ,Gerechte Entscheidung‘“ebenfalls ausdrücklich in Verbindung mit der eigenen „Kriegsspezialoperation“gegen die Ukraine. Man beschwor dabei zum Großteil einen dritten Weltkrieg.
„Ihr kalkuliert den Nahen Osten nicht ein, hier wird es solche Ereignisse geben, dass keiner mehr an die Ukraine denkt“, zitiert das staatliche Massenblatt „Komsomolskaja Prawda“den verstorbenen Nationalpopulisten Wladimir Schirinowski. „Es geht auf den dritten Weltkrieg zu.“Der ist laut Dugin wahrscheinlich bereits im Gange. Nach Russland hätten der Iran und die schiitische Gemeinschaft die zweite Front im Kampf der multipolaren Welt gegen den monopolaren Hegemon USA und seine „Proxys“Ukraine und Israel eröffnet. Auf Taiwan, in Afrika sowie zwischen Venezuela und Honduras würden bald drei weitere Fronten eröffnet, frohlockt Dugin, der inzwischen als einer der Ideenlieferanten des Kremls gilt. Der Kampf der rechtgläubigen russischen Zivilisation gegen den satanischen Westen in der Ukraine sei ja ebenfalls endzeitlich.
Professionelle Nahostexperten halten es trotzdem für möglich, dass der große Nahostkrieg ausfällt. Jelena Suponina vom Russischen Rat für Internationale Fragen etwa schließt nicht aus, dass die Israelis auf den weitgehend unblutigen iranischen Angriff „genauso symbolisch“antworten.
Jedenfalls gilt Moskau als Nutznießer der neuen Krise, im Gegensatz zu Kiew. „Die Folgen für unser Land“, konstatiert der ukrainische Militärexperte Oleksandr Kowalenko, „sind in erster Linie negativ.“Der Westen werde seine Aufmerksamkeit, auch bei der Finanzierung weiterer Waffenhilfe, mehr auf Israel als auf die Ukraine richten. Positiv sei höchstens, dass der Iran im Kriegsfall seine Kampfdrohnenlieferungen an Russland „einschränken bis minimalisieren“dürfte.
Russland dagegen könnte auch als Ölproduzent von der brenzligen Lage in Nahost profitieren. Obwohl am Montag der Preis für ein Barrel Öl der Marke Brent leicht auf knapp 90 Dollar sank und keineswegs Richtung 100 Dollar stieg, wie russische Analytiker am Sonntag schon prognostiziert hatten. Aber der emigrierte Rohstoff- und Iran-Experte Michail Krutichin äußert gegenüber dem Kanal TV Doschd den Verdacht, Russland könnte jetzt den radikalen Flügel der persischen
Führung bearbeiten, namentlich die Kommandeure der Islamischen Revolutionsgarde. Mit dem Ziel, sie zu neuen Provokationen zu bewegen, um die Spannung in der Region und damit auch die Ölpreise weiter in die Höhe zu treiben.
Das russische Armeeportal zvezdaweekly.ru dagegen versichert, Israel betreibe die Eskalation bewusst zur Realisierung „des ewigen fanatischen Traums der Juden, den Tempel in Jerusalem wieder zu errichten“. Es sei keine Frage, ob, sondern wann das verrückt gewordene Israel die persischen Nuklearobjekte angreife. „Es scheint, wir stehen wirklich an der Schwelle zum dritten Weltkrieg.“Auch zvezdaweekly.ru ruft die Götterdämmerung aus.