Kroatiens Donald Trump
Präsident Zoran Milanović will Premier werden. Damit lenkt er Kroatien auf eine Staatskrise zu.
„Es ist an der Zeit, die Pferde zu satteln.“Mit dieser Kampfansage löste Kroatiens Präsident Zoran Milanović vor Kurzem einen politischen Tornado aus. Der Staatschef will nach der Parlamentswahl am Mittwoch Kroatiens nächster Premierminister werden. Und das, obwohl das Verfassungsgericht in Zagreb wegen seiner Weigerung, das Präsidentenamt im Wahlkampf niederzulegen, die Kandidatur untersagt hatte. In Medien wird der 57-Jährige inzwischen als „Kroatiens Donald Trump“gehandelt.
„Am Ende werde ich Premierminister sein“, erklärte Milanović trotz des Wahlkampfverbots. Dies will er mithilfe von Kroatiens Sozialdemokraten (SDP) schaffen, der zweitstärksten Partei hinter der Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ). Die Regierungspartei des aktuellen Premiers Andrej Plenković gilt als nationalkonservativ. Trotzdem hat Milanović sie laut Politologen rechts überholt. Auch sonst positionierte sich der Staatschef in den vergangenen Jahren als politischer Cowboy. Er ist gegen eine Unterstützung der Ukraine, versuchte, den Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands zu verhindern, und versammelt zunehmend Nationalisten hinter sich. Wladimir Putin und Viktor Orbán sind seine Verbündeten.
Als Grund für Milanovićs angestrebten Jobwechsel gilt die Feindschaft mit Premier Plenković. Dessen
Regierungsteam bezeichnet er als „Gangster“und korrupte „Bande“. Der Premier schimpfte den Präsidenten „primitiv“und „vulgär“. „Wenn ich Sie anschaue und Ihnen zuhöre, sehe ich keinen Präsidenten, sondern den nervösen Sprecher ausländischer Geldgeber“, stichelte Transport- und Vizepremierminister Oleg Butković in einer tagelangen Wortschlacht mit Milanović auf Facebook.
Tatsächlich wurden im Wahlkampf Korruptionsvorwürfe gegen Milanović laut: Er soll einem Verwandten, der wegen seiner Nähe zu Russland sanktioniert ist, zu einem Bankkonto verholfen haben.
Aber auch Plenkovićs Partei scheint nicht unschuldig. Immer wieder geriet die HDZ-Regierung wegen Vetternwirtschaft in die Schlagzeilen. Etwa steht Kroatiens früherer Landwirtschaftsminister unter Verdacht, 600.000 Euro an EU-Mitteln für sein Weingut ausgegeben zu haben; weitere 2,5 Millionen Euro sollen unrechtmäßig in die 3D-Aufnahme von Gebäuden geflossen sein, nachdem ein Erdbeben 2020 schwere Schäden in Zagrebs Altstadt verursacht hatte. Die EU-Staatsanwaltschaft ermittelt.
„Ein nicht geringer Anteil der Kroaten fühlt, dass Andrej Plenković und die HDZ eine Gefahr für die Demokratie sind“, erzählt ein Journalist aus Zagreb, der anonym bleiben möchte. Seine Heimat vermutet er an einem Wendepunkt. „Kroatien ist tief gespalten. Während das zum Großteil in ungelösten Problemen des ehemaligen jugoslawischen Regimes wurzelt, hat die jüngere Politik wenig unternommen, um diese Risse in der Gesellschaft zu füllen.“
Eine Folge ist das Erstarken von Populisten: Neben Milanović sind die Nationalisten der Parteien „Heimatbewegung“und „Brücke“auf dem Vormarsch. „Migration ist ein entscheidendes Thema bei der Parlamentswahl, welches einige Parteien seit vergangenem Sommer ausgenutzt haben“, sagt Migrationsexpertin Sara Kekuš. Die Nationalisten „verbreiten Fehlinformationen, schüren Angst und fordern eine Militärpräsenz an den Grenzen“.
Im Rennen um den Sabor, das kroatische Parlament, gelten die kleinen Rechtsparteien als Königsmacher: Sowohl Plenković als auch Milanović könnten für eine Koalition auf sie angewiesen sein. Daneben stehen Fragen, die nach Prognose von Politologen Kroatien an den Rand einer Verfassungskrise drängen könnten: Wird Präsident Milanović im wahrscheinlichen Fall eines HDZ-Sieges seinen Erzfeind Plenković angeloben oder blockieren? Schafft Milanović es vielleicht doch, seine „Regierung der nationalen Erlösung“zu bilden? Oder schalten sich erneut die Verfassungsrichter ein, um den „kroatischen Trump“zu verhindern?
Korruptionsvorwürfe gegen beide Kandidaten