Salzburger Nachrichten

Endlich wieder im Chaos versinken

27 Jahre herrschte Ruhe im Büro. Und jetzt? Boom und pöh! Gaston, der liebenswer­teste, größte Chaot der Comicwelt, ist wieder da. Das ist eine herrliche Erleichter­ung in einer real chaotische­n Welt!

- BERNHARD FLIEHER Buch: Delaf nach Franquin: „Die Rückkehr eines Chaoten“, CarlsenVer­lag, 2024.

Grüner Rollkragen­pulli, etwas zu kurz. Jeans. Ausgelatsc­hte Schuhe, von denen man gar nicht ahnte, dass es solche noch gibt. Und natürlich ein Chaos, selbst verursacht vom Helden Gaston, einem der weltweit beliebtest­en Comichelde­n. Wahrschein­lich konnte er es werden, weil man sich leicht wiederfind­en kann in ihm, in seinem Umfeld aus Fehlern, Missverstä­ndnissen und Wutausbrüc­hen.

Doch gleich am Anfang zuckt man. Im ersten Bild sagt ein Kollege zu Gaston: „Sieh an! Der Mann, der schneller scheitert als sein Schatten!“, und lässig antwortet Gaston: „Pöh! Das war alles mal!“Gut, dass er nicht recht hat. Dann macht es puff und peng und alles geht kaputt. Bester Slapstick, beste Zeichenfor­m.

Es ist die Rückkehr eines Chaoten. Und genauso heißt auch der neue Comicband um Gaston, der im deutschen Sprachraum erstmals 1968 bis 1978 in den „Fix und Foxi“Heften aufgetauch­t war (mit dem Namen Jo-Jo). Wer die schrullig verlorene Figur nicht kennen sollte: Er ist eine Art Mädchen für alles beim „Spirou“-Magazin. In der französisc­hen Variante gehört dieses Magazin zum Dupuis-Verlag. In der deutschen Version gehört es zum Carlsen-Verlag, einem der größten Verlage für Comics. „Die Rückkehr eines Chaoten“ist das 22. Gaston-Album – und wegen eines Rechtsstre­its kommt es mit etwas Verspätung.

Die bisher letzte Ausgabe liegt 27 Jahre zurück. Damals starb Gastons Schöpfer André Franquin, der

Gaston über 40 Jahre am Leben hielt. Franquin, einer der wichtigste­n frankophon­en Zeichner aus Belgien, erfand die Figur 1957. 40 Jahre lang ließ er ihn in immer neue Katastroph­en rauschen – oder sie auslösen. Mit seinem Tod im Jahr 1997 vermachte Franquin der Welt ein schweres Erbe: Nie mehr sollte Gaston auftauchen.

Der belgische Verlag Dupuis hatte sich lange an Franquins kategorisc­he Anweisung gehalten. Doch zum 25. Todestag wollte man das ändern. Schon 2018 war ohne den Verlag ein Film erschienen. Franquins Tochter Isabelle war nicht erfreut.

Als dann – zum 25. Todestag ihres Vaters und zum 100. Geburtstag des Verlages – bei Dupuis ein neuer Band angekündig­t wurde, klagte sie. Es kam zu einem Vergleich. Im Herbst 2023 erschien der Band im Original. Seit ein paar Tagen gibt es ihn auch auf Deutsch. Das beschert ein durchaus überrasche­nd großes Vergnügen, das wegen der übergroßen Legende dieser Figur nicht unbedingt zu erwarten war. Doch man kann sich thematisch gleich wieder zu Hause fühlen und es liegt am Zeichner.

Gestaltet hat das neue Heft der kanadische Zeichner Delaf (bürgerlich

Marc Delafontai­ne). Dass er den Auftrag für die Wiederbele­bung von Gaston bekam, bescherte ihm ein Projekt im Jahr 2016. Damals zeigte Delaf, dass er den Stil des Meisters Franquin perfekt beherrscht. Es erscheint konsequent­erweise mit der Autorenzei­le „Delaf nach Franquin“.

In dem neuen Heft erweist er sich auch als profunder Kenner der Gaston-Historie und seines Verlagsuni­versums. Daher ist es nun, 27 Jahre nach dem letzten Auftritt, ganz leicht, den „neuen“Gaston so zu lieben wie den „alten“. Er stolpert naiv durch die Bürowelt. Er stiftet Unruhe

und lebt in einem Durcheinan­der. Er ist in seiner Tollpatsch­igkeit die Unschuld in Person. Und wenn er die Fehler, die er sich selbst eingebrock­t hat, ausbügeln möchte, passiert das in völligem Irrsinn und irrsinnig komisch. Es taucht auch die ganze bestens bekannte Besetzung auf: Demel, Herr Bruchmülle­r, Fräulein Trudel, Wachtmeist­er Knüsel oder Buchhalter Bolte. Und also: Anarchie. Chaos. Herrlich. Krack. Schtok. Boom.

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Gaston kehrt nach 27 Jahren zurück ins Büro – und mit ihm kehrt ein Chaos zurück, das man lieben kann.

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