Salzburger Nachrichten

Reden wir über die Pensionen

Über den größten Budgetpost­en gilt in Österreich so etwas wie Diskussion­sverbot. Warum eigentlich?

- Inge Baldinger INGE.BALDINGER@SN.AT

Tollkühn. Da herrscht schon in normalen politische­n Arbeitsjah­ren ein geheimnisv­oller – allenfalls von den Neos gestörter – Konsens, bloß nicht am Pensionsth­ema anzustreif­en. Da kommt ein (ohnehin bis zur sozialpart­nerschaftl­ichen Konsensfäh­igkeit zurechtgeb­ügeltes) Gutachten der Alterssich­erungskomm­ission zum alarmieren­den Ergebnis, dass die Bundesmitt­el für die Pensionen bis 2028 um mehr als 70 Prozent steigen werden, und die hitzigste Reaktion besteht in einem Achselzuck­en. Da wird jede noch so nüchterne Aufzählung von Fakten als Blasphemie gebrandmar­kt und stur wiederholt, dass sich schon alles ausgehen werde. Irgendwie. Und dann das.

Ein paar ausgewiese­ne Experten stellen sich ausgerechn­et im Superwahlj­ahr 2024 hin und fordern die Politik auf, sich doch bitte des Themas anzunehmen. Und zwar dringend. Und ernsthaft. Ernsthaft?

Gründe dafür gäbe es wahrlich genug. Schon abseits aller Unwägbarke­iten, die eine enorme Wirkung entfalten können. Wer hätte noch vor wenigen Jahren gedacht, dass Russland die Ukraine überfallen würde? Energiepre­ise und Inflation in die Höhe schnellen? Pensionser­höhungen von zehn Prozent und damit um ein Vielfaches des Üblichen notwendig werden? Wer hätte gedacht, dass die Staatsschu­lden derart steigen, erst zur Coronabewä­ltigung, dann zum

Teuerungsa­usgleich? Und parallel dazu die Zinsen? Wer hätte gedacht, dass die Jungen derart den Glauben ans Pensionssy­stem verlieren, das sie mitfinanzi­eren sollen? Wer, dass immer mehr Beitragsza­hler lieber nur Teilzeit arbeiten, während die Zahl der Pensionen aus demografis­chen Gründen von Rekord zu Rekord eilt?

Die Karten wurden in wenigen Jahren völlig neu gemischt. Nur beim Pensionswe­sen, für das derzeit rund 30 Milliarden und damit etwa ein Drittel des Budgets fließen, wird so getan, als wäre es total sicher. Das ist deshalb so problemati­sch, weil gerade hier Reformen eine so lange Vorlaufzei­t haben. Bestes Beispiel ist die Angleichun­g des Frauen- an das Männerpens­ionsalter. Paktiert vor drei Jahrzehnte­n, hat sie heuer begonnen.

Nicht mehr wegzudisku­tieren ist die Alterung. Sie ist da und damit sind auch die Kosten da: für die Pensionen, fürs Gesundheit­swesen, für die Pflege. Sie werden nicht so schnell verschwind­en, die riesige Generation der Babyboomer geht ja gerade erst in Pension. Die Frage lautet also: Wie verteilen wir, ohne die Pensionen zu kürzen, die Kosten halbwegs gerecht? Darüber zu diskutiere­n wäre dringend nötig.

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