„DieFPÖ hat sich instrumentalisieren lassen“
Die aktuelle Spionageaffäre sollte ein Wendepunkt sein und die sicherheitspolitische Sorglosigkeit beenden.
Geheimdienstexperte Thomas Riegler über Österreichs Versäumnisse in der Spionageabwehr, die engen Bande zu Russland und was der aktuelle Spionagefall über das politische System aussagt.
Herr Dr. Riegler, wie steht es um unsere Spionageabwehr? Kann man in Österreich überhaupt davon sprechen?
SN:
Thomas Riegler: Dieser wichtige Bereich wurde besonders vernachlässigt. Deshalb hat die heimische Abwehr weder die notwendigen Ressourcen noch die Befugnisse, um effektiv zu agieren. Man hat sich darauf verlassen, dass sich ausländische Geheimdienste in Österreich untereinander ausspionieren oder die internationalen Organisationen in Wien. Das war ein Trugschluss. Obgleich rein österreichische Belange relativ uninteressant sind, kommt man in Österreich auch an Geheimnisse Dritter. Wir sind ein EU-Mitglied und in der Nato-Partnerschaft für den Frieden. Es zirkuliert sehr viel Information, die potenziell interessant ist.
Aus Anlass des Falls Egisto Ott soll der Spionageparagraf ausgeweitet werden und Spionage soll künftig in Österreich auch strafbar sein, wenn sie sich gegen andere
SN:
Staaten richtet. Was halten Sie davon?
Ich halte das für eine Maximalforderung – jegliche Spionage unter Strafe zu stellen ist an einer diplomatischen Drehscheibe wie Wien nur schwer umsetzbar und würde laufend für Konflikte sorgen. Spionage gegen internationale Organisationen oder EU-Mitgliedsstaaten strafbar zu machen wäre ein gangbarer Weg. Dazu kursieren auch bereits seit Längerem Vorschläge.
SN: Braucht es höhere Strafen?
Schärfere Strafen hätten eine präventive Wirkung. Das derzeitige Strafausmaß für Spionage ist mit bis zu fünf Jahren relativ milde. Allerdings kommt es auch in den USA mit sehr drakonischen Strafen immer wieder zu Verrat – zuletzt 2023 im Falle des Pentagon-Leaks.
Inwiefern brauchen auch die Ermittler im Staatsschutz mehr Befugnisse, gerade wenn es um die Internetkommunikation geht?
SN:
Österreich ist mittlerweile ein Nachzügler innerhalb Europas. Die Folge ist, dass man sich teils auf rechtzeitige Warnungen aus dem Ausland verlassen muss. Mehr Befugnisse würden es dem Staatsschutz ermöglichen, robuster zu agieren. Allerdings muss ein Höchstmaß an Kontrolle und Rechtsschutz sichergestellt sein.
SN: Wie ordnen Sie den Spionagefall rund um Ex-WirecardManager Jan Marsalek und Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott ein?
Im Kontext der letzten Jahrzehnte ist es ein wirklich großer Fall – wegen der internationalen Dimension, aber auch der Verstrickungen in die heimische Politik. Es steht im Raum, dass die innere Sicherheit Österreichs vorsätzlich geschwächt worden ist.
SN: Warum konnte Ott so lang spionieren, obwohl schon alle Alarmglocken schrillten?
Das muss noch vollständig aufgeklärt werden. Als Insider aus dem Verfassungsschutz und mit vielen internationalen Kontakten ausgestattet, wusste er mutmaßlich gut Bescheid, wie sich das bewerkstelligen ließ.
SN: Wurde die ganze Sache zu lang nicht ernst genommen?
Auf jeden Fall. Österreich sieht sich aufgrund seiner Neutralität von gewissen internationalen Entwicklungen weniger betroffen an als andere Staaten. Darüber hinaus galten die Beziehungen zu Russland über viele Jahre als eng und gut.
Genau das war aber ein Denkfehler: Wirtschaftliche Vernetzung mit Autokratien bedeutet kein Mehr an Sicherheit, sondern einseitige Abhängigkeit.
SN: Ist Österreich in dieser Hinsicht ein Spezialfall?
Auch in Deutschland ist es in letzter Zeit zu schwerwiegenden Vorfällen gekommen: Mit dem Taurus-Leak wurde 2024 die deutsche Außenpolitik in schwere Verlegenheit gebracht. Und auch der Bundesnachrichtendienst wurde durch einen Verratsfall erschüttert. Ähnlich wie Österreich hat auch Deutschland die russische Bedrohung lange Zeit nicht ernst genug genommen.
SN: Wer trägt die politische Verantwortung dafür?
Das sollte mit etwas zeitlichem Abstand ein Untersuchungsausschuss aufklären. Speziell ÖVP und FPÖ müssen sich allerdings schon jetzt viele kritische Fragen gefallen lassen. Der Staatsschutz wurde unter vielen ÖVP-Innenministern seit 2000 nie mit ausreichend Ressourcen ausgestattet. Und die FPÖ hat sich von russischen Kreisen über viele Jahre instrumentalisieren lassen. Insbesondere wie es zur BVTRazzia gekommen ist, sollte aufgeklärt werden. Offenbar wurde das Misstrauen der FPÖ in das Amt von Marsalek gezielt geschürt.
Wie beurteilen Sie da die Chats, die FPÖ-Politiker mit Ott ausgetauscht haben? Es ging um Infos, um ein Jobangebot bei Wirecard, auf Otts Handy wurde sogar eine
SN: parlamentarische Anfrage gefunden, die später von der FPÖ eingebracht wurde.
Ott hat es mutmaßlich sehr gut verstanden, alle möglichen Interessenten zu bespielen. Er soll da wie ein Informationshändler aufgetreten sein.
SN: Was sagt das alles über unser politisches System aus?
Nicht nur in Österreich wird Vertrauliches gern verwendet, um in der innenpolitischen Auseinandersetzung zu punkten – ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass dadurch vielleicht ein sicherheitspolitischer Schaden entstehen könnte.
SN: Wie sehr muss uns dieser Einfluss auf die Innenpolitik beunruhigen? Kann das jederzeit wieder passieren?
Das muss für Österreich ein Wendepunkt werden. Es hat bislang zu viel Sorglosigkeit in sicherheitspolitischen Belangen vorgeherrscht. Unser Land muss wehrhafter gegen Spionage, Einflussnahme und Desinformation werden.