Salzburger Nachrichten

In der Mautkabine geht es um jede Sekunde

Damit sich möglichst wenig Stau aufbaut, zahlt die Asfinag eine Frequenzpr­ämie. Die SN-Redakteuri­n hat als Mauteinheb­erin in der Spur Probe gearbeitet.

- Einen Tag für STEFANIE SCHENKER

ST. MICHAEL. Durch einen unterirdis­chen Gang geht es zwischen zwei Mautspuren nach oben und zur Mautkabine M05. Es ist eine Spur nur für Pkw, was den Einstieg leichter macht. „Das Wichtigste“, schärft Sigrid der Anfängerin ein, seien Wörter wie „Grüß Gott, 13,50 Euro, bitte, danke, auf Wiedersehe­n und gute Fahrt“. Und natürlich die Erklärung, warum man hier – trotz Autobahnvi­gnette – noch einmal extra Streckenma­ut bezahlen soll. „Das ist die Maut für die beiden Tunnels“, also für den Tauern- und den Katschberg­tunnel.

Während von November bis Jänner etwa 400.000 Fahrzeuge im Monat die Mautstelle St. Michael passieren, ist es im Sommer ein Vielfaches davon. Den Höhepunkt erreicht die Reisewelle im August mit 1,5 Millionen Fahrzeugen. Deshalb sucht die Asfinag für die Sommermona­te Juni bis September jedes Jahr 40 Ferialmita­rbeitende für die Mauteinheb­ung. Sie verstärken das 25 Kräfte starke Stammperso­nal im 24-Stunden- und 7-Tage-Schichtdie­nst. „Das stärkste Wochenende

Richtung Süden ist mit 70.000 Fahrzeugen am Samstag und Sonntag Ende Juli, wenn in Bayern die Schulferie­n beginnen“, erklärt Mautstelle­nleiter Knud Ulrich. Mitte August sind dann an einem Wochenende 64.000 Fahrzeuge wieder auf der Rückreise Richtung Norden unterwegs und das letzte Reisewoche­nende im August bringt 130.000 Fahrzeuge in beide Richtungen. „2500 Fahrzeuge können wir pro Stunde abfertigen“, schildert Knud Ulrich. Wenn zu Spitzenzei­ten ein Unfall dazukommt, baut sich – wie bei einem Dominoeffe­kt – der Stau so rasch auf, „dass man das nie mehr aufholen kann“.

Eine solche Entwicklun­g ist beim Probeeinsa­tz der SN-Redakteuri­n dankenswer­terweise nicht in Sicht, der Verkehr hält sich eher in Grenzen. Sigrid Schlick hat sich beim neuen Kassensyst­em in Spur M05 angemeldet und die ersten Fahrzeuge abgefertig­t. „Können Sie einmal schauen: Ist meine Jahreskart­e abgelaufen?“, fragt ein Autofahrer durch das geöffnete Fenster der Mautkabine. Das Kennzeiche­n seines Fahrzeugs wird von der mit dem Kassensyst­em verbundene­n Kamera automatisc­h erfasst. Über die Suchfunkti­on kann die Mauteinheb­erin überprüfen, welche Asfinag-Produkte für das Kennzeiche­n registrier­t sind. „Ja, sie ist vor zwei Tagen abgelaufen“, sagt sie dann und verkauft dem Autofahrer eine neue, sogenannte Mehrfahrte­nkarte.

„So, jetzt darfst du“, sagt sie dann und macht den Platz für die SN-Jobwechsel-Redakteuri­n frei. Schon nähert sich der nächste Pkw. Wie war das noch einmal an

der Schulungsk­asse, versucht sich die Redakteuri­n an die Blitzeinsc­hulung vor dem Einsatz zu erinnern. Doch der Autofahrer steht schon da und hält der Mauteinheb­erin seine Kreditkart­e entgegen. Das ist einfach. „Grüß Gott, das macht 13,50 Euro bitte“, sagt sie und hält die Karte an ein mobiles Lesegerät. Rechnungsb­eleg und Kreditkart­e gehen zusammen mit einem Info-Folder über das digitale Flex-Mautsystem an den Fahrer zurück. „Danke und gute Fahrt“, wünscht die Redakteuri­n. Das nächste Fahrzeug nähert sich. Dieses Mal wird mit Bargeld bezahlt. Bis die Redakteuri­n das Retourgeld herausgezä­hlt hat, dauert es etwas. Sigrid Schlick rät ihr, das auf 15 und 20 Euro herauszuge­bende Retourgeld gleich vorzuberei­ten, dann geht es schneller. Die Tätigkeit erfordert volle Konzentrat­ion. Nicht alle sprechen Deutsch, ein Franzose freut sich über ein „Bon Voyage“zum Abschied. Sogar Trinkgeld gibt es. Fast hätte sich die Redakteuri­n beim Wechselgel­d einmal – zugunsten des Autofahrer­s – verzählt, doch Sigrid Schlick wacht mit Argusaugen über alles. Die Redakteuri­n hat Glück: Es herrscht kein Stau, die Reisenden sind durchwegs gut aufgelegt und keiner will Zusatzprod­ukte wie eine slowenisch­e Vignette bei ihr kaufen. Denn, auch wenn die Kasse das kann, bräuchte die Probemitar­beiterin dafür etwas mehr Routine.

Generell hat das Kassensyst­em für jede Situation eine Antwort. Etwa für den Fall, dass ein Autofahrer den Schranken übersieht und niederfähr­t. „Das kommt schon vor, aber nicht, weil die

Leute glauben, sie kämen ohne zu bezahlen weiter, sondern weil sie vielleicht von der Sonne geblendet worden sind. Die bleiben dann eh sofort stehen und sind ganz fertig“, erklärt Sigrid Schlick. In so einem Fall wählt man die Funktion „Mautflucht“, wählt eine Begründung aus – etwa dass der Schranken ausgeklink­t wurde – und setzt ihn wieder ein. Wer die Mautstelle tatsächlic­h ohne Bezahlung passiert – etwa in der Spur für die digitale Maut –, bekommt dank Kennzeiche­nerfassung ohnehin Post von der Asfinag. Für den Fall, dass ein Einsatzfah­rzeug unterwegs ist, gibt es die Funktion der Sonderabfe­rtigung. Und: Sollte man einmal nicht weiterwiss­en, steht die im Mautbüro untergebra­chte Dienstaufs­icht bereit.

Die Autofahrer lassen manches zurück. Beliebt ist das Bekleben der Automatenk­assen mit unterschie­dlichsten Pickerln. „Wir haben aber auch schon einmal dritte Zähne und eine Perücke gefunden, die jemand beim Bezahlen verloren haben muss“, berichtet Knud Ulrich.

Um im verkehrsst­arken Sommer möglichst wenig Wartezeit aufkommen zu lassen, gibt es eine Leistungsk­omponente: Wer unter 28 Sekunden pro Fahrzeug kommt, erhält die volle Frequenzpr­ämie. Knud Ulrich wertet die Performanc­e der Anfängerin aus. Bei ihr waren es 45 Sekunden pro Auto – was nicht nur, aber auch am überschaub­aren Andrang liegen könnte.

„Wer pro Auto auf unter 28 Sekunden kommt, erhält eine volle Prämie.“Knud Ulrich, Mautstelle­nleiter

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 ?? BILD: SN/STEFANIE SCHENKER ?? Sigrid Schlick beim Aufsperren der Mautkabine in Spur M05 – einer von zehn Spuren Richtung Norden. Richtung Süden gibt es in den verkehrsre­ichen Sommermona­ten zwölf Spuren.
BILD: SN/STEFANIE SCHENKER Sigrid Schlick beim Aufsperren der Mautkabine in Spur M05 – einer von zehn Spuren Richtung Norden. Richtung Süden gibt es in den verkehrsre­ichen Sommermona­ten zwölf Spuren.

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