In der Mautkabine geht es um jede Sekunde
Damit sich möglichst wenig Stau aufbaut, zahlt die Asfinag eine Frequenzprämie. Die SN-Redakteurin hat als Mauteinheberin in der Spur Probe gearbeitet.
ST. MICHAEL. Durch einen unterirdischen Gang geht es zwischen zwei Mautspuren nach oben und zur Mautkabine M05. Es ist eine Spur nur für Pkw, was den Einstieg leichter macht. „Das Wichtigste“, schärft Sigrid der Anfängerin ein, seien Wörter wie „Grüß Gott, 13,50 Euro, bitte, danke, auf Wiedersehen und gute Fahrt“. Und natürlich die Erklärung, warum man hier – trotz Autobahnvignette – noch einmal extra Streckenmaut bezahlen soll. „Das ist die Maut für die beiden Tunnels“, also für den Tauern- und den Katschbergtunnel.
Während von November bis Jänner etwa 400.000 Fahrzeuge im Monat die Mautstelle St. Michael passieren, ist es im Sommer ein Vielfaches davon. Den Höhepunkt erreicht die Reisewelle im August mit 1,5 Millionen Fahrzeugen. Deshalb sucht die Asfinag für die Sommermonate Juni bis September jedes Jahr 40 Ferialmitarbeitende für die Mauteinhebung. Sie verstärken das 25 Kräfte starke Stammpersonal im 24-Stunden- und 7-Tage-Schichtdienst. „Das stärkste Wochenende
Richtung Süden ist mit 70.000 Fahrzeugen am Samstag und Sonntag Ende Juli, wenn in Bayern die Schulferien beginnen“, erklärt Mautstellenleiter Knud Ulrich. Mitte August sind dann an einem Wochenende 64.000 Fahrzeuge wieder auf der Rückreise Richtung Norden unterwegs und das letzte Reisewochenende im August bringt 130.000 Fahrzeuge in beide Richtungen. „2500 Fahrzeuge können wir pro Stunde abfertigen“, schildert Knud Ulrich. Wenn zu Spitzenzeiten ein Unfall dazukommt, baut sich – wie bei einem Dominoeffekt – der Stau so rasch auf, „dass man das nie mehr aufholen kann“.
Eine solche Entwicklung ist beim Probeeinsatz der SN-Redakteurin dankenswerterweise nicht in Sicht, der Verkehr hält sich eher in Grenzen. Sigrid Schlick hat sich beim neuen Kassensystem in Spur M05 angemeldet und die ersten Fahrzeuge abgefertigt. „Können Sie einmal schauen: Ist meine Jahreskarte abgelaufen?“, fragt ein Autofahrer durch das geöffnete Fenster der Mautkabine. Das Kennzeichen seines Fahrzeugs wird von der mit dem Kassensystem verbundenen Kamera automatisch erfasst. Über die Suchfunktion kann die Mauteinheberin überprüfen, welche Asfinag-Produkte für das Kennzeichen registriert sind. „Ja, sie ist vor zwei Tagen abgelaufen“, sagt sie dann und verkauft dem Autofahrer eine neue, sogenannte Mehrfahrtenkarte.
„So, jetzt darfst du“, sagt sie dann und macht den Platz für die SN-Jobwechsel-Redakteurin frei. Schon nähert sich der nächste Pkw. Wie war das noch einmal an
der Schulungskasse, versucht sich die Redakteurin an die Blitzeinschulung vor dem Einsatz zu erinnern. Doch der Autofahrer steht schon da und hält der Mauteinheberin seine Kreditkarte entgegen. Das ist einfach. „Grüß Gott, das macht 13,50 Euro bitte“, sagt sie und hält die Karte an ein mobiles Lesegerät. Rechnungsbeleg und Kreditkarte gehen zusammen mit einem Info-Folder über das digitale Flex-Mautsystem an den Fahrer zurück. „Danke und gute Fahrt“, wünscht die Redakteurin. Das nächste Fahrzeug nähert sich. Dieses Mal wird mit Bargeld bezahlt. Bis die Redakteurin das Retourgeld herausgezählt hat, dauert es etwas. Sigrid Schlick rät ihr, das auf 15 und 20 Euro herauszugebende Retourgeld gleich vorzubereiten, dann geht es schneller. Die Tätigkeit erfordert volle Konzentration. Nicht alle sprechen Deutsch, ein Franzose freut sich über ein „Bon Voyage“zum Abschied. Sogar Trinkgeld gibt es. Fast hätte sich die Redakteurin beim Wechselgeld einmal – zugunsten des Autofahrers – verzählt, doch Sigrid Schlick wacht mit Argusaugen über alles. Die Redakteurin hat Glück: Es herrscht kein Stau, die Reisenden sind durchwegs gut aufgelegt und keiner will Zusatzprodukte wie eine slowenische Vignette bei ihr kaufen. Denn, auch wenn die Kasse das kann, bräuchte die Probemitarbeiterin dafür etwas mehr Routine.
Generell hat das Kassensystem für jede Situation eine Antwort. Etwa für den Fall, dass ein Autofahrer den Schranken übersieht und niederfährt. „Das kommt schon vor, aber nicht, weil die
Leute glauben, sie kämen ohne zu bezahlen weiter, sondern weil sie vielleicht von der Sonne geblendet worden sind. Die bleiben dann eh sofort stehen und sind ganz fertig“, erklärt Sigrid Schlick. In so einem Fall wählt man die Funktion „Mautflucht“, wählt eine Begründung aus – etwa dass der Schranken ausgeklinkt wurde – und setzt ihn wieder ein. Wer die Mautstelle tatsächlich ohne Bezahlung passiert – etwa in der Spur für die digitale Maut –, bekommt dank Kennzeichenerfassung ohnehin Post von der Asfinag. Für den Fall, dass ein Einsatzfahrzeug unterwegs ist, gibt es die Funktion der Sonderabfertigung. Und: Sollte man einmal nicht weiterwissen, steht die im Mautbüro untergebrachte Dienstaufsicht bereit.
Die Autofahrer lassen manches zurück. Beliebt ist das Bekleben der Automatenkassen mit unterschiedlichsten Pickerln. „Wir haben aber auch schon einmal dritte Zähne und eine Perücke gefunden, die jemand beim Bezahlen verloren haben muss“, berichtet Knud Ulrich.
Um im verkehrsstarken Sommer möglichst wenig Wartezeit aufkommen zu lassen, gibt es eine Leistungskomponente: Wer unter 28 Sekunden pro Fahrzeug kommt, erhält die volle Frequenzprämie. Knud Ulrich wertet die Performance der Anfängerin aus. Bei ihr waren es 45 Sekunden pro Auto – was nicht nur, aber auch am überschaubaren Andrang liegen könnte.
„Wer pro Auto auf unter 28 Sekunden kommt, erhält eine volle Prämie.“Knud Ulrich, Mautstellenleiter