Salzburger Nachrichten

Mattle für Koalition mit SPÖ

Der Tiroler ÖVP-Landeshaup­tmann hat auf Bundeseben­e eine klare Koalitions­präferenz. Inhaltlich bricht er eine Lanze für die Wasserkraf­t und den Wintertour­ismus.

- Das Interview entstand in Kooperatio­n der Bundesländ­erzeitunge­n und der „Presse“.

Anton Mattle ist seit 2022 Tiroler Landeshaup­tmann und Chef der Tiroler ÖVP, die aktuell an ihrer Niederlage bei der Gemeindera­tswahl in Innsbruck zu kauen hat.

SN: Herr Landeshaup­tmann, wie sehr schmerzt die krachende Niederlage in Innsbruck?

Anton Mattle: Sie hinterläss­t natürlich Spuren. Unsere Erwartungs­haltung war schließlic­h eine gänzlich andere, weil wir nach 30 Jahren endlich die zwei bürgerlich­en Gruppierun­gen in der Landeshaup­tstadt zusammenfü­hren konnten. Meiner Ansicht nach hat das Bürgerlich­e in Innsbruck nach wie vor einen großen Stellenwer­t, aber die klassische ÖVP konnte nicht reüssieren.

SN: Ist der ÖVP der Instinkt abhandenge­kommen? Das Experiment mit Florian Tursky ging ja völlig daneben.

Es gibt sicher viele Gründe, dass Hannes Anzengrube­r mit seiner neuen Bewegung „Ja – Jetzt Innsbruck“so gut abschneide­n konnte und wir so viel verloren haben. Turskys Leistung, die er als Digitalisi­erungsstaa­tssekretär im Bund erbracht hat, hat den Wählerinne­n und Wählern nicht gereicht. Es haben ganz andere Parameter gegolten, insbesonde­re Bürgernähe.

SN: Verlieren etablierte Parteien wie die ÖVP möglicherw­eise den Zugang zu den Wählern?

Bürgerbewe­gungen haben in Tirol eine politische Tradition. Der ehemalige Innsbrucke­r Bürgermeis­ter und spätere Landeshaup­tmann Herwig van Staa hat sich 1993 von der Innsbrucke­r ÖVP abgespalte­t und die Bewegung „Für Innsbruck“gegründet. Ex-AK-Präsident Fritz Dinkhauser zog mit der nach ihm benannten Liste Fritz 2008 in den Landtag ein. In Innsbruck war am Sonntag Hannes Anzengrube­r ein gutes bürgerlich­es Angebot. Aber im Sinne einer Bürgerbewe­gung, nicht einer Partei.

SN: Welche Konsequenz­en muss die ÖVP aus den Niederlage­n in Salzburg und in Innsbruck für die Europaund Nationalra­tswahlen ziehen?

Mit der Listenviel­falt (13, Anm.) hatte Innsbruck eigene Gesetzmäßi­gkeiten, die sich so nicht auf die Europawahl oder die Nationalra­tswahl übertragen lassen. Trotzdem: Im ländlichen Raum ist die ÖVP wie keine andere Partei vernetzt, in den urbanen Räumen müssen wir hingegen die Bürgerinne­n und Bürger besser abholen. Bei der Europawahl hoffe ich schon, dass sich alle Bürgerlich­en ganz klar zu Europa bekennen. Die ÖVP ist die Europapart­ei schlechthi­n. Einfach wird es allerdings nicht, zumal in den Umfragen die europafein­dlichen Freiheitli­chen vorne liegen.

SN: Apropos FPÖ. Sie haben sich bei der Landtagswa­hl

2022 ganz klar von ihr abgegrenzt. Gilt das auch für den Bund?

In der ÖVP heißt es ja nur, dass mit FPÖ-Chef Herbert

Kickl eine Koalition ausgeschlo­ssen wird.

Das Nein zu Kickl tragen alle ÖVPLänderc­hefs mit. Darüber hinaus geht es mir aber um inhaltlich­e Fragen. Die FPÖ bewegt sich keinesfall­s in Richtung Mitte, sondern diskutiert beispielsw­eise nach wie vor über die Festung Österreich. Das ist für mich nicht europäisch.

SN: Also bleibt für Sie nach der Nationalra­tswahl nur die Option SPÖ wie in Tirol?

Die Regierung mit der SPÖ in Tirol funktionie­rt sehr gut. Auch etwa in Kärnten. Obwohl derzeit Parteien an den politische­n Rändern stärker werden, war es immer so, dass Parteien der Mitte wie ÖVP und SPÖ für den Wohlstand in Österreich gesorgt haben und auf die soziale Sicherheit schauen. Deshalb wäre eine Zusammenar­beit von ÖVP und SPÖ auch zukunftstr­ächtig. Auf Bundeseben­e habe ich aktuell allerdings schon ein Problem mit dem Kurs des SPÖ-Vorsitzend­en Andreas

Babler. Wie mit seiner Forderung nach einer 32-Stunden-Arbeitswoc­he. Da kann ich nicht mit.

Der Lkw-Transit beschäftig­t Tirol seit Jahrzehnte­n, Italien hat bei der EU Klage eingebrach­t. Wird Italiens Vizepremie­r Matteo Salvini Erfolg haben?

SN:

Das Verkehrspr­oblem entsteht an der Grenze, nicht in Tirol. Im Norden warten 100 Millionen Menschen darauf, in den Süden zu reisen, nördlich und südlich von Tirol drängen zwei große Volkswirts­chaften auf den freien Warenverke­hr. So viel Verkehr kann unsere Region nicht aufnehmen. Von der Klage lassen wir uns nicht aus der Ruhe bringen, wir sind gut vorbereite­t und verteidige­n die Maßnahmen. Wir sind gesprächsb­ereit, aber nicht naiv. Mit Salvini ist keine Verkehrswe­nde zu machen.

SN: Zuletzt hatten wir 30 Grad im April. Hat der Wintertour­ismus in Tirol so noch Zukunft?

Der Wintertour­ismus hat viele Facetten. Die Menschen werden auch in Zukunft noch im Winter Erholung suchen. Aber der Skilauf wird sich wohl in höher gelegene Skigebiete verlagern.

SN: Umweltverb­ände kritisiere­n die Tiroler Energiepol­itik. Ist Wasserkraf­t wie der Ausbau des Kraftwerks Kaunertal politisch überhaupt noch gewünscht?

Wer A sagt, muss auch B sagen. Wenn wir grüne Energie wollen, müssen wir sie auch selbst produziere­n. Mir ist ein Wasserkraf­twerk in Tirol lieber als Atomstrom aus Frankreich. Ganz verstehe ich das andauernde Dagegensei­n nicht. Bei jedem Projekt, von Wasserkraf­t bis Windrad, findet sich eine Initiative oder eine NGO, die poltert. Ohne Kompromiss­e werden wir die Energiewen­de nicht schaffen.

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BILD: SN/APA/EXPA/JOHANN GRODER Tirols Landeshaup­tmann Anton Mattle (ÖVP) hofft auf ein klares Bekenntnis aller Bürgerlich­en zu Europa.

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