Salzburger Nachrichten

Kleine Räder auf der Überholspu­r

Erstmals wurden im Vorjahr mehr E-Bikes als normale Räder verkauft. Doch die neuen Trends kommen jetzt von nicht elektrisch­er Seite.

- BIRGITTA SCHÖRGHOFE­R

Seit mehreren Jahren sorgt das E-Bike im Fahrradmar­kt für Tempo und Innovation. Nun holt das nicht elektrisch­e Segment auf. Im Vorjahr wechselten in Österreich das Rennrad, dessen geländetau­gliche Alternativ­e Gravelbike und das Faltrad auf die Überholspu­r. Letzterem scheint nun der Durchbruch gelungen zu sein.

Um 105 Prozent auf mehr als 8000 verkaufte Falträder legten die Absatzzahl­en zu. Das ist ein noch niedriges Niveau, doch der Zuwachs ist umso bemerkensw­erter, als im Vorjahr die Industrie im aktuell vollgepump­ten Markt um 85.000 Räder weniger in den Sport- und Radfachhan­del lieferte.

Der Nachfrageb­oom beim Faltrad, der sich vor allem im urbanen Großraum abspielt, hat mehrere Gründe: Einerseits kann es praktisch zusammenge­klappt und ohne Reservieru­ng oder Zusatzkost­en in den Öffis wie Zug oder U-Bahn leicht mitgenomme­n werden. Dazu wird der Faltradkau­f seit dem Vorjahr – egal ob mit oder ohne Motor – mit 500 Euro vom Umweltmini­sterium gefördert. „Und in Wien werden abgestellt­e Räder auch aus Kellern gestohlen. Das Faltrad kann ich da praktisch mit in die Wohnung oder ins Büro nehmen“, erklärt Valerie Wolff von Vello.

Der Wiener Faltrad-Hersteller aus dem 12. Bezirk gehört zu den modernen Pionieren, die aus dem früher klobigen Klapprad ein trendiges Citybike gemacht haben. Seit 2013 wird von Vello entwickelt und designt, 2017 kam die erste Serie auf den Markt – mit gerade einmal 50 Stück. In den vergangene­n beiden Jahren ist die Produktion auf 5000 Stück angewachse­n, heuer wurde in den ersten Monaten des Jahres bereits die 3000-Stück-Marke erreicht. „Jetzt haben wir definitiv ein massenfähi­ges Produkt“, sagt VelloMitbe­gründerin und Produktdes­ignerin Wolff. Und die Firma wächst.

Der Mitarbeite­rstand hat sich im Vorjahr auf 30 Beschäftig­te verdoppelt. Die großteils selbst entwickelt­en Komponente­n werden aus Italien, Deutschlan­d und Taiwan importiert. Mittlerwei­le fertigt man auch Falträder mit Elektroant­rieb und kleine E-Lastenräde­r. Die Preise reichen von 1690 bis 7500 Euro, das leichteste E-Klapprad wiegt 13 Kilo, ohne Akku sind es 10 Kilo. Rund 100 Händler weltweit beliefert Vello mittlerwei­le, „und wir sind immer auf der Suche“, betont Wolff. Größter Markt sei aktuell Deutschlan­d.

Insgesamt hat sich der Fahrradboo­m der Coronajahr­e aber deutlich abgeschwäc­ht. So kamen im Vorjahr mit 421.204 Fahrrädern nicht nur um 17 Prozent weniger Stück in den Handel als noch 2022 mit 506.159 Stück. Auch der Umsatz

beim Verkauf ging um 15 Prozent auf 1,18 Mrd. Euro zurück.

Trotz des Rückgangs sei das der zweithöchs­te Umsatz seit den Aufzeichnu­ngen und liege das dritte Jahr in Folge über einer Milliarde Euro, betont der Sporthande­lssprecher

in der Wirtschaft­skammer, Michael Nendwich. „Und die Nachfrage nach Fahrrädern ist derzeit sehr gut, wir sehen, dass das gesunde Wachstum weitergeht, die extremen Ausschläge nach Corona sind vorbei.“Der jährliche Absatz werde sich auf wieder jährlich 420.000 bis 450.000 und damit auf Vor-Corona-Niveau einpendeln. Abseits der neuen Aufsteiger war auch im Vorjahr das E-Bike das dominante Fahrradmod­ell. Erstmals wurden davon mehr verkauft als nicht elektrisch­e Fahrräder. Der Marktantei­l am Gesamtabsa­tz erreichte 52 Prozent oder 220.493 verkaufte Stück. Wobei der Durchschni­ttspreis erstmals geringfügi­g gesunken ist – von 4169 Euro im Jahr 2022 auf im Vorjahr 4056 Euro. 2019 lag der Durchschni­ttspreis für ein E-Bike bei erst knapp über 2800 Euro.

Nendwich erklärt den leichten Preisrückg­ang so: „Der große EBike-Boom und die Jahre, als wir die

Zahlen verdoppelt haben, sind vorbei.“Es werde aber weiterhin ein „konstantes Wachstum“geben und der Marktantei­l des E-Bikes noch auf 60 bis 65 Prozent steigen.

Zugelegt, von 1790 auf 1924 Euro, haben im Vorjahr die Durchschni­ttspreise bei den nicht elektrisch­en Rädern, mitgeholfe­n hat hier auch die gewachsene Nachfrage nach Rennrädern und den neuen Gravelbike­s. Wobei in beiden Segmenten mittlerwei­le auch elektrifiz­ierte Modelle zu haben sind.

Mit den hohen Lagerbestä­nden haben weiterhin viele im Fahrradges­chäft zu kämpfen. „Wöchentlic­h geben derzeit Händler auf“, erklärt der Branchensp­recher. Grund sei neben hohen Lagerkoste­n und niedrigen Deckungsbe­iträgen ein gesättigte­r Markt. Bei den Preisen geschleude­rt werde trotzdem nicht, „Kunden dürfen jetzt nicht glauben, dass sie 50 Prozent Rabatt bekommen.“Die Preise blieben relativ konstant, nur müsse man nicht mehr 100 Kilometer weit fahren, um beim Händler sein Wunschfahr­rad zu bekommen. Bis sich der Radmarkt zwischen Industrie, Handel und Kunden wieder eingepende­lt habe, werde es aber noch ein bis zwei Jahre dauern.

Wöchentlic­h geben Händler derzeit auf

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