Salzburger Nachrichten

Billig zu wohnen ist gut, aber nicht immer fair

Agenda Austria tritt für eine stärker zielgerich­tete Zuteilung günstiger Mietwohnun­gen und eine Umstellung der Wohnbauför­derung ein.

- RICHARD WIENS

Der Mietwohnun­gssektor in Österreich ist über weite Strecken reguliert. Ein Fünftel sind Gemeindewo­hnungen, auf Genossensc­haften entfallen rund 40 Prozent, ein weiteres Fünftel auf regulierte Mieten. Nur 19 Prozent werden auf dem freien Markt vermietet. Dass man in Gemeinde- und Genossensc­haftswohnu­ngen um rund 30 Prozent billiger wohnt und regulierte Mieten 13 Prozent niedriger sind als auf dem freien Markt, sei in Ordnung, „wenn dort Leute wohnen, die das brauchen“, sagt Ökonom Jan Kluge von der Denkfabrik Agenda Austria.

Das sei aber nicht der Fall. Wenn die Vergabe günstiger Mietwohnun­gen nicht über den Preis, sondern über Warteliste­n erfolge, werde der Markt zu einer Lotterie. Zwar gebe es Einkommens­kriterien, aber die Grenzen seien vielfach zu hoch, „da passt fast jeder rein“, sagt Kluge. Zudem werde das Einkommen nur ein Mal, beim Eintritt in das Mietverhäl­tnis, geprüft. Es sollte aber regelmäßig überprüft und die Miete im Fall eines Anstiegs schrittwei­se an marktüblic­he Vergleichs­mieten angegliche­n werden. Bei Gemeindewo­hnungen sollte man laut Kluge die Einkommens­grenzen herunterse­tzen, Genossensc­haften seien anders zu beurteilen, weil die Mieter dort Finanzieru­ngsbeiträg­e leisten. Es gehe nicht darum, besser verdienend­e Menschen aus günstigen Wohnungen zu verdrängen, soziale Durchmisch­ung sei wichtig, „aber sie sollen faire Mieten zahlen“, sagt

Kluge. Auch deshalb, weil das günstige Wohnen ja nicht kostenlos sei, Steuerzahl­er, Vermieter und alle, die in teureren Wohnungen leben, finanziert­en hier mit.

Dass der Wohnbau mit öffentlich­en Mitteln gestützt wird, findet Kluge völlig in Ordnung, niemand wolle die Wohnbauför­derung abschaffen. Man sollte dabei aber stärker in Richtung Subjektför­derung gehen, statt wie jetzt das Objekt zu fördern, und andere Geldquelle­n dafür heranziehe­n. Es sei kaum zu begründen, warum just der Wohnbau über die Lohnnebenk­osten und damit die Belastung des Faktors Arbeit finanziert werde. Besser wäre, Geld aus dem Budget einzusetze­n und zweckgebun­den an die Länder weiterzure­ichen.

Wenn der Staat der Ansicht sei, er müsse das Wohnen organisier­en, müsse er konsequent sein. Stattdesse­n habe man die Wohnbauför­derung gekürzt und über die nicht zweckgewid­mete Verwendung der Rückflüsse weiter ausgehöhlt. Und man habe die Fördersätz­e nicht an gestiegene Baukosten angepasst und damit die nach dem Kostendeck­ungsprinzi­p arbeitende­n gemeinnütz­igen Bauträger hängen lassen, kritisiert Kluge.

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SN/APA/THEMENBILD/HERBERT NEUBAUER BILD: Wohnen im Gemeindeba­u: einmal eingezogen, auf immer günstig.

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