Winziges mit riesigem Potenzial
Sogenannte Nanovesikel werden in Salzburg unter eine große Lupe genommen – speziell für medizinische Zwecke.
„Wo eine Zelle ist, sind Vesikel“, beginnt die Leiterin des Ludwig-Boltzmann-Instituts, Nicole MeisnerKober, ihr Gespräch mit den SN zum Thema Nanovesikel, einem ihrer Forschungsschwerpunkte. Sie erklärt weiter: „Nanovesikel sind ein körpereigenes Transportsystem in sehr kleinem Maßstab.“Die Vesikel übermitteln molekulare Informationen und Stoffe von einer Zelle zur anderen. Ihr äußerer Aufbau und ihre Funktion ähneln dem, was man auch von Viren kennt. „Wir wissen heute, viele Viren nutzen die Transportwege der körpereigenen Vesikel, um ,besser‘ in Zellen eindringen und dort infizieren zu können“, beschreibt Meisner-Kober.
Vesikel sind runde Bläschen und nur circa nanometergroß. Ein Säugetierzellkern ist bis zu tausend Mal größer. Sie sind umgeben von einer fetthaltigen Schutzmembran.
Vesikel gibt es nicht nur im menschlichen Körper, sondern letztlich überall, wo Leben existiert – „und sie wandern auch über Organismengrenzen hinweg. Bestes Beispiel dafür ist der Weg von Mutter zu Kind. Vesikel werden über die Muttermilch weitergegeben. Wir gehen heute davon aus, dass viele der positiven Eigenschaften der Muttermilch auf den enthaltenen Vesikeln beruhen könnten“, erklärt Meisner-Kober.
Diese positiven Eigenschaften umfassen auch den Schutz vor entzündlichen Erkrankungen sowie vor Krebs. Vesikel können sehr genau an vorher ausgewählte Zellen gesendet werden. Als Beispiel dafür gilt die Chemotherapie. „Die Chemotherapie bei Krebserkrankungen könnte grundsätzlich gut sein, zerstört aber auch gesundes Gewebe. Gelänge es, hier einen Wirkstoff
über Nanovesikel nur an das betroffene Gewebe zu ,adressieren‘, wäre das ein therapeutischer Durchbruch“, sagt Meisner-Kober.
Auch die Stammzelltherapie kann von den Nanovesikeln profitieren. Das Ziel der Stammzelltherapie ist die Regeneration von verletztem Gewebe – daran arbeiten die ebenfalls im LBI tätigen Forschungspartner der Paracelsus Medizinischen Universität Salzburg,
Eva Rohde und Mario Gimona. „Forschungsergebnisse legen nahe, dass positive Effekte nicht von den Stammzellen selbst, sondern von deren abgesonderten Vesikeln stammen. Erste Patienten haben die Therapieversuche gut vertragen“, berichtet die Expertin aus der klinischen Forschungspraxis. Zeigt sich letztlich die klinische Wirksamkeit der Nanovesikel, würden sich laut Meisner-Kober viele sehr schonende Therapien für teilweise schwere Krankheiten ergeben.
Bei bestimmten Anwendungen schaffen Vesikel sogar die Möglichkeit einer personalisierten Medizin. „Dabei würde man von Patienten körpereigene Vesikel gewinnen, aus denen dann im Labor ein maßgeschneiderter Wirkstoff generiert wird. Das ist aber nur dann sinnvoll, wenn es keine andere Möglichkeit gibt. Der Grund: Es ist ein sehr teures und aufwendiges Verfahren“, sagt Meisner-Kober. Ehe letztlich sichere Vesikel-Medikamente auf den Markt kommen, müssen laut Meisner-Kober auch die entsprechenden Zulassungskriterien geschaffen werden.
Die Expertin und ihre Mitarbeiter beantworten Fragen zu dem Thema am 24. Mai in der Langen Nacht der Forschung am Universitätsplatz 1 in der Stadt Salzburg.