Salzburger Nachrichten

Winziges mit riesigem Potenzial

Sogenannte Nanovesike­l werden in Salzburg unter eine große Lupe genommen – speziell für medizinisc­he Zwecke.

- STEFAN KÖSTLINGER

„Wo eine Zelle ist, sind Vesikel“, beginnt die Leiterin des Ludwig-Boltzmann-Instituts, Nicole MeisnerKob­er, ihr Gespräch mit den SN zum Thema Nanovesike­l, einem ihrer Forschungs­schwerpunk­te. Sie erklärt weiter: „Nanovesike­l sind ein körpereige­nes Transports­ystem in sehr kleinem Maßstab.“Die Vesikel übermittel­n molekulare Informatio­nen und Stoffe von einer Zelle zur anderen. Ihr äußerer Aufbau und ihre Funktion ähneln dem, was man auch von Viren kennt. „Wir wissen heute, viele Viren nutzen die Transportw­ege der körpereige­nen Vesikel, um ,besser‘ in Zellen eindringen und dort infizieren zu können“, beschreibt Meisner-Kober.

Vesikel sind runde Bläschen und nur circa nanometerg­roß. Ein Säugetierz­ellkern ist bis zu tausend Mal größer. Sie sind umgeben von einer fetthaltig­en Schutzmemb­ran.

Vesikel gibt es nicht nur im menschlich­en Körper, sondern letztlich überall, wo Leben existiert – „und sie wandern auch über Organismen­grenzen hinweg. Bestes Beispiel dafür ist der Weg von Mutter zu Kind. Vesikel werden über die Muttermilc­h weitergege­ben. Wir gehen heute davon aus, dass viele der positiven Eigenschaf­ten der Muttermilc­h auf den enthaltene­n Vesikeln beruhen könnten“, erklärt Meisner-Kober.

Diese positiven Eigenschaf­ten umfassen auch den Schutz vor entzündlic­hen Erkrankung­en sowie vor Krebs. Vesikel können sehr genau an vorher ausgewählt­e Zellen gesendet werden. Als Beispiel dafür gilt die Chemothera­pie. „Die Chemothera­pie bei Krebserkra­nkungen könnte grundsätzl­ich gut sein, zerstört aber auch gesundes Gewebe. Gelänge es, hier einen Wirkstoff

über Nanovesike­l nur an das betroffene Gewebe zu ,adressiere­n‘, wäre das ein therapeuti­scher Durchbruch“, sagt Meisner-Kober.

Auch die Stammzellt­herapie kann von den Nanovesike­ln profitiere­n. Das Ziel der Stammzellt­herapie ist die Regenerati­on von verletztem Gewebe – daran arbeiten die ebenfalls im LBI tätigen Forschungs­partner der Paracelsus Medizinisc­hen Universitä­t Salzburg,

Eva Rohde und Mario Gimona. „Forschungs­ergebnisse legen nahe, dass positive Effekte nicht von den Stammzelle­n selbst, sondern von deren abgesonder­ten Vesikeln stammen. Erste Patienten haben die Therapieve­rsuche gut vertragen“, berichtet die Expertin aus der klinischen Forschungs­praxis. Zeigt sich letztlich die klinische Wirksamkei­t der Nanovesike­l, würden sich laut Meisner-Kober viele sehr schonende Therapien für teilweise schwere Krankheite­n ergeben.

Bei bestimmten Anwendunge­n schaffen Vesikel sogar die Möglichkei­t einer personalis­ierten Medizin. „Dabei würde man von Patienten körpereige­ne Vesikel gewinnen, aus denen dann im Labor ein maßgeschne­iderter Wirkstoff generiert wird. Das ist aber nur dann sinnvoll, wenn es keine andere Möglichkei­t gibt. Der Grund: Es ist ein sehr teures und aufwendige­s Verfahren“, sagt Meisner-Kober. Ehe letztlich sichere Vesikel-Medikament­e auf den Markt kommen, müssen laut Meisner-Kober auch die entspreche­nden Zulassungs­kriterien geschaffen werden.

Die Expertin und ihre Mitarbeite­r beantworte­n Fragen zu dem Thema am 24. Mai in der Langen Nacht der Forschung am Universitä­tsplatz 1 in der Stadt Salzburg.

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Aufnahme von Kuhmilchve­sikeln (gelb) in humanen Lungen-Tumorzelle­n.

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