Künstliche Intelligenz will Touristen verstehen
In vielen Orten steigt der Unmut, weil (zu) viele Touristinnen und Touristen durch die Straßen flanieren. Technologie soll nun helfen, die Besucherströme zu analysieren. Auf diese Weise soll Reisen nachhaltiger werden.
Auf der Stadtkarte von Salzburg bewegen sich kleine Punkte. Mal stauen sie sich vor Mozarts Geburtshaus, mal marschieren viele in den Dom. Ein Forschungsprojekt mit Salzburger Beteiligung hat diese Visualisierung möglich gemacht: „Wir wollten herausfinden, wie anhand der vorhandenen Daten in der Region Besucherströme veranschaulicht und verstanden werden können“, sagt Stefanie Wallinger. Die 37-Jährige ist Tourismusforscherin an der FH Salzburg und am Projekt „Datenbasierter Tourismus für Nachhaltigkeit“beteiligt.
Die Donau Universität Krems leitet das Forschungsprojekt. Die FH Salzburg bringt die Tourismusexpertise ein, mit dabei als Technologiepartner sind auch die TU Graz sowie die Unternehmen Nexyo und Datenvorsprung. Das Projekt wurde von der Österreichischen Forschungsgesellschaft (FFG) und dem Bundesministerium für Klimaschutz gefördert; die drei Jahre Laufzeit enden im Mai. Wallinger spricht von agentbasierter Analyse und künstlicher Intelligenz – aber was bedeutet das?
Sie erklärt das an einem Beispiel. Als Erstes hat die Forscherin herausgefunden, welche Daten in der Stadt Salzburg und in der Region Bruck-Fusch zum Tourismus vorhanden sind. In der Stadt sind das einige: Die Daten der Salzburg Card zeigen, welche Sehenswürdigkeiten wann und in welcher Reihenfolge besucht werden. „Die Touristinnen und Touristen stempeln quasi an jedem Ort ein“, sagt Wallinger.
Zudem gebe es die Tourismusdaten, wie beispielsweise die Nächtigungen. „Eine künstliche Intelligenz hat dann anhand dieser Daten gelernt, wie sich das Verhalten darstellt“, sagt die 37-jährige Forscherin.
Daraus entsteht eine Art digitale Stadtkarte, auf der sich die Punkte – die sogenannten Agenten – bewegen. Im Bild sind die Agenten kleine gelbe Punkte, Hotels sind in Blau gehalten, offene Attraktionen in Grün, geschlossene Sehenswürdigkeiten in Rot. Agenten könnten entweder Personen oder Gruppen von Personen sein, wie etwa in einem Bus. „Die Simulation startet zum Beispiel in einem Hotel, dann bewegen sie sich zu bestimmten Sehenswürdigkeiten“, erklärt Wallinger. Dabei handelt es sich um historische Karten, keine Bewegungen in Echtzeit.
Durch diese Simulation lassen sich Szenarien verstehen und Besucherströme analysieren: Wie verhält es sich an einem Montag, wohin bewegen sich die Reisenden vor Ostern – oder was passiert, wenn eine Attraktion schließt?
Touristinnen und Touristen sind Menschen, die eigene Entscheidungen
treffen. Lassen sich die Besucherströme überhaupt lenken? „In unserem Projekt ging es darum, zu verstehen und sichtbar zu machen“, sagt Wallinger. In einem nächsten Schritt könnten Anreizsysteme die Reisenden motivieren, sich früher an der Festungsbahn anzustellen oder bei Regen nicht das Haus der Natur zu besuchen. Per App könnten die Besucherinnen und Besucher sehen, wo gerade viel Andrang ist – und was es sonst noch zu besichtigen gibt. „Dadurch könnte für die Touristinnen und Touristen das Erlebnis verbessert werden – da die Wartezeiten verringert werden.“
Die Simulation könnte zudem künftig auch mit weiteren Daten angereichert werden – Mobilfunkdaten etwa.
Wie sieht es mit den Daten am Land aus? In den Tourismusgemeinden Bruck und Fusch sei die Situation anders. „In kleineren Destinationen ist die Datenlage schwieriger“, sagt die Forscherin. Die Daten würden nicht geballt gesammelt und die Qualität der Aufbereitung sei nicht so gut. Bruck und Fusch hätten das Problem, dass die Hochalpenstraße sehr frequentiert sei, aber wenig Tourismus im Ort bleibe. Eine Empfehlung könne die Forscherin nicht ableiten. „Technologie ersetzt das Wissen vor Ort nicht, es muss Hand in Hand gehen.“
Für das Projekt hätten sie zudem 20 Interviews mit Regionalmanagern geführt. Sie wollten herausfinden, welche Daten und welche Expertise in den Regionen vorhanden sind. Das Ziel war zu erfahren, ob sich die Ergebnisse der Forschung auf andere Regionen übertragen ließen. „Es gibt sehr viele Daten, die aber wenig genützt werden“, sagt Wallinger. Eine gute Schulung der Tourismusexpertinnen und -experten könnte diese Daten künftig für Analysen verfügbar machen.
Die Reisenden sind bereits in der Stadt oder im Dorf. Wie kann eine Visualisierung ihrer Bewegungen Tourismus nachhaltiger machen? Die Technologie könnte nachhaltiges Mobilitätsverhalten fördern, indem die Forscherinnen und Forscher etwa eine neue Buslinie entlang einer oft genützten Route empfehlen: „Dadurch könnte man diese kurzen Wege, die letzte Meile, verbessern“, sagt Wallinger. Zudem habe Nachhaltigkeit mehrere Ebenen, nicht nur die Reduktion von CO2, sagt die Tourismusexpertin. „Es geht auch darum, mehr Zufriedenheit der Bevölkerung vor Ort zu schaffen.“
„Es entsteht eine digitale Stadtkarte.“