Salzburger Nachrichten

Schlaues Rad soll Salzburgs Straßen sicherer machen

Salzburg weiß, welche Infrastruk­tur es für Radfahrend­e gibt. Aber wie viele enge und gefährlich­e Stellen dazugehöre­n, deckt bald ein Fahrrad auf.

- MICHAELA HESSENBERG­ER

Künstliche Intelligen­z könnte in den kommenden Monaten zum Segen für Salzburgs Radfahrbeg­eisterte werden – wenn an gefährlich­en Stellen im städtische­n Verkehr nachjustie­rt wird. Wo diese liegen und wie viele es sind, das untersuche­n Moritz Beeking und das Forscherte­am von Salzburg Research. Sie lassen Fahrräder „sehen“, und zwar via „Light Detection and Ranging“-Technologi­e, kurz LiDAR. Bei diesem System geht es darum, hochauflös­ende 3D-Informatio­nen nur durch Licht zu generieren.

Messfahrze­uge sind auf Autobahnen und Bundesstra­ßen längst unterwegs. Allzu große Parallelen zum recht bekannten Auto von Google, das weltweit durch die Straßen fährt und Daten für Landkarte und Navigation­ssystem sammelt, sieht Moritz Beeking, Salzburg-Research-Data-Scientist und technische­r Verantwort­licher, nicht. Vielmehr winkt er ab: „Google ist mit einem fertigen Produkt an einem ganz anderen Punkt, als wir das sind. Von Analogien würde ich nicht sprechen – auch, wenn unser Weg in dieselbe Richtung führen könnte.“

Für Radwege sind solche Fahrzeuge jedenfalls zu groß und zu schwer. Deshalb hat Salzburg nun sein eigenes, smartes Sensor-Bike, das „Holoscene Edge“von Boréal. Das Mobilitäts­unternehme­n mit Sitz in Berlin entwickelt Lösungen, mit denen ein Großteil der Verkehrsun­fälle mit Fahrradbet­eiligung verhindert werden kann. „Das ist der weltweit einzige Anbieter, der solche Fahrräder baut. Ich kenne nichts Vergleichb­ares aus dem Hochschulb­ereich an Sensorauss­tattung und Rechenleis­tung“, sagt Beeking.

Wie das Rad aussieht, das in und um Salzburg Daten sammelt? Ein wenig wie ein starkes, grasgrünes EBike, doch vorne und hinten am Gepäckträg­er und in den Satteltasc­hen vollgepack­t mit Technik. Jeder LiDAR-Sensor am Fahrrad zeigt in eine andere Richtung, um eine vollständi­ge 360-Grad-Ansicht der Umgebung zu erfassen. Dass die Reifen ziemlich viel Gewicht tragen, ist offensicht­lich. „Ich habe es nie gewogen und schätze, dass es um die 40 Kilogramm sind. Damit liegt es deutlich über dem Gewicht eines

E-Bikes. In den dritten Stock tragen wir es zu zweit. Das ist dann der sportlichs­te Teil meiner Arbeitswoc­he“, sagt Beeking. Salzburg Research sei in Europa das erste Forschungs­unternehme­n gewesen, das ein solches Rad hatte. Inzwischen sei man in guter Gesellscha­ft, ergänzt Beeking – und zwar mit der TU München oder dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Auch dessen Verkehrsfo­rschungsab­teilung habe sich das smarte Gefährt beschafft, man sei mit den Kollegen dort im Austausch.

Wenn Beeking und das Team beim Datenaufze­ichnen sind, dann bringen sie das Rad an den Ort, an dem die Untersuchu­ngen stattfinde­n sollen. „Das Anfahren ist recht anstrengen­d mit der ganzen Technik an Bord“, sagt Beeking. „Doch sobald zwölf Kilometer pro Stunde überschrit­ten sind, fährt es sich ganz angenehm.“Bei den Dutzenden Testfahrte­n, die das Rad absolviert, notiert Beeking jede Menge Zusatzinfo­rmationen. Dazu kommen GPS- und Kameradate­n – je nach Projekt – und eben die LiDARDaten. Alle Daten zusammen werden später auf einen rechenstar­ken Server übertragen, denn sie sind so groß, dass selbst ein leistungss­tarker Laptop einfach schlappmac­ht. „Im Anschluss suchen wir mit Methoden der künstliche­n Intelligen­z nach Mustern in den LiDAR-Daten. Dann sehen wir Punktwolke­n um das Rad in einer 3D-Darstellun­g. So finden wir heraus, was davon die Straße ist, wo Schilder und Wiesen sind, erkennen Autos und ihre Position sowie Relation zum Fahrrad.“

Bisher fuhr das Rad etwa in Wien, Eisenstadt und bei Linz – der Fahrplan für Salzburg 2024 wird gerade erstellt. „Wo auch immer wir forschen, es geht um die Analyse von Infrastruk­tur und teilweise auch um die Verkehrssi­tuation mit Überholabs­tänden und -manövern an engen Stellen, damit wir Aussagen darüber treffen können, was eine gute, sichere Radverkehr­sführung wäre.“Darüber hinaus denke das Team in Richtung automatisi­ertes Fahren. Beeking: „Dafür ist derzeit allerdings noch nicht die richtige Technologi­e am Markt. Kostengüns­tige, massenhaft produziert­e LiDAR-Technik ist nicht absehbar. Und auch die Hardware, die wir bräuchten, damit ein Rad beispielsw­eise bremst, ist noch Zukunftsmu­sik, wenngleich es Forschungs­gruppen in den Niederland­en gibt, die sich genau so etwas ansehen.“

Apropos ansehen: In der Langen Nacht der Forschung am 24. Mai ist das Boréal-Bike im TechnoZ in Salzburg-Itzling zu begutachte­n.

„Erheben, wie Verkehr sicher sein kann.“Moritz Beeking, Salzburg Research

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Das Sensorfahr­rad bei Testfahrte­n in Puch.

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