Stöbern nach Musik, die fühlbar ist
Gesucht sind nicht nur Raritäten: Der „Record Store Day“gilt als Feiertag für Schallplatten und Plattenläden als Orte der Popkultur.
Beim Suchen nach neuer Musik bieten Internetplattformen unbegrenzte Möglichkeiten. Dass sich das Stöbern in den Regalen gut sortierter Plattengeschäfte trotzdem mehr auszahlen kann, wissen zum Beispiel Fans von Paul McCartney spätestens seit 2015.
Der Ex-Beatle ließ damals einen Remix seines Songs „Hope for the Future“auf Vinyl pressen. McCartney signierte die 100 Exemplare der streng limitierten ÜberraschungsAusgabe und ließ sie anlässlich des „Record Store Day“2015 an Plattengeschäfte liefern. Diese hatten die Anweisung, den „Sweet Trash“-Remix unauffällig und ohne weitere Hinweise zwischen den anderen Alben im Fach M wie McCartney zu verstecken. Wer damals eine der Platten entdeckte, hat heute ein teures Sammlerstück: Um rund 1000 Euro wird die McCartney-Platte gehandelt.
Der „Record Store Day“wurde 2008 in den USA erfunden, um auf die Wichtigkeit der unabhängigen
Plattengeschäfte in einer sich rasant verändernden Musikbranche aufmerksam zu machen. Seither ist der dritte Samstag im April jedes Jahr ein Feiertag für die Plattenläden als Orte der Popkultur.
Doch nicht nur Raritäten bescheren der Schallplatte Höhenflüge. Vinyl hat sich im vergangenen Jahrzehnt seinen Platz zurückerobert. Während sich über die Unterschiede
in der Klangqualität zwischen analoger Platte und digitalen Streams endlos streiten lässt, ist Plattenhören für viele auch ein Symbol für bewussten Musikgenuss. Während digitale Songs gesichtslos in Playlisten verschwinden, lässt sich ein Album als Gesamtkunstwerk bestaunen.
Auf dem österreichischen Musikmarkt verzeichnete der Umsatz mit Vinyl 2023 einen Zuwachs von 16 Prozent. Der Rekord von 13,3 Millionen Euro kompensiere mittlerweile beinahe den Rückgang bei den CD-Verkäufen, heißt es im aktuellen Jahresbericht des Branchenverbands IFPI.
Den ersten Platz der österreichischen Vinylhitparade belegten 2023 die Rolling Stones mit ihrem Album „Hackney Diamonds“. Beim heurigen „Record Store Day“, der an diesem Samstag (20. April) stattfindet, sind sie ebenfalls mit zwei Veröffentlichungen vertreten: Eine Jubiläumsausgabe ihres 1964 erschienenen Debütalbums steht auf der Liste und außerdem die Vinylversion einer Liveaufnahme aus dem New Yorker Racket, wo sie 2023 Songs des Albums „Hackney Diamonds“live präsentierten.
In Österreich nehmen rund 25 Geschäfte an dem weltweiten Aktionstag teil, an dem sich fast alles um Schallplatten dreht. „Etwa 150 bis 200“der Veröffentlichungen, die 2024 zum „Record Store Day“herauskommen, werde es auch in Salzburg geben, sagt etwa Nici Lachmayer, Inhaber des „Musikladens“in der Linzer Gasse. Eine Pressung des neuen Pearl-Jam-Albums
„Dark Matter“auf farbigem Vinyl und ein Konzertmitschnitt von Suede gehören heuer zum Angebot, auch eine Mono-Ausgabe des Klassikers „Everybody Digs Bill“von Jazzpianist Bill Evans oder eine limitierte Auflage der „Stahlstadtkinder“von der Linzer Band Willi Warma zählt Lachmayer auf.
Weil sich das Salzburger Geschäft auf Schallplatten, Plattenspieler und Hi-Fi-Komponenten spezialisiert hat, ist es für Vinylfans ganzjährig eine Adresse. Der „Record Store Day“sei dennoch „für uns der umsatzstärkste Tag, er rangiert noch vor dem 23. Dezember“, sagt der Musikhändler.
Für Sammlerinnen und Sammler sind dabei oft limitierte Auflagen von pophistorisch wertvollen Alben verlockend. Für heimische Bands gehört die Schallplatte hingegen auch bei ihren neuen Veröffentlichungen zum guten Ton. Es sei „ein gutes Gefühl, Musik in den Händen zu halten“, sagt der Salzburger Musiker und Produzent Mario Fartacek. Auch wenn es unverzichtbar sei, auf Streamingplattformen
vertreten zu sein, bei denen Songs meist einzeln konsumiert werden: „Ein Album hat für mich einen anderen Wert, es konserviert eine Zeit und die damit verbundenen Erinnerungen.“Rund 25 Platten, an denen er kreativ beteiligt war, hat Fartacek zu Hause – vom Duo Mynth (mit seiner Schwester Giovanna) über die All-Star-Band Bon Jour (die ihr Debütalbum am 26. 4. live im Rockhouse präsentiert) bis zu den aktuellen Platten der Steaming Satellites oder der AmadeusAnwärterin Pippa, die er (mit)produziert hat. Zwar seien Vinylausgaben für Bands und ihre Labels ein Kostenfaktor, vor allem aber bei Livekonzerten zeige sich, dass Besucher gern eine greifbare Erinnerung vom Bandstand mitnehmen wollen. Das sei auch bei ihm selbst nicht anders, sagt Fartacek: „Wenn mir ein Konzert gefällt oder ich eine Band auf Spotify entdecke, die mich anspricht, will ich die Musik meist auch als Platte haben.“
„Ein gutes Gefühl, Musik in Händen zu halten“