Instrument für leistbaren Wohnraum soll in die Verfassung
Gemeinden sollen mit Verträgen ins Eigentum eingreifen. Bisher ein heikles Unterfangen – nun steht die verfassungsrechtliche Erlaubnis bevor.
SALZBURG. 6486 Euro kostet der Quadratmeter Eigentum im Schnitt im Land Salzburg, das geht aus einer Analyse der Bauträgerdatenbank Exploreal und der Wirtschaftskammer hervor. Eine Wifo-Studie im Auftrag der Arbeiterkammer zeigt zudem: Den Salzburgern bleibt nach Abzug der Wohnkosten im Österreich-Vergleich um bis zu zehn Prozent weniger.
Den hohen Immobilienpreisen im Eigentumsbereich und dem stets stärker werdenden Druck auf die Mieten soll politisch mit einer Wohnbauoffensive begegnet werden. Im Umkehrschluss soll mehr Angebot die Preise drücken. Die Offensive nimmt jedoch keine Fahrt auf – sowohl im gemeinnützigen als auch im gewerblichen Wohnbau wird weitaus weniger gebaut, als die Entwicklungsziele des Landes vorsehen. Gemeinnützigen Bauträgern mangelt es vor allem an leistbaren Grundstücken für die Umsetzung von Siedlungsprojekten. Im gewerblichen Bereich verteuern die Grundstückskosten die Kaufpreise.
In die Pflicht genommen werden nun die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, um gezielt Wohnraumentwicklungen vorzunehmen. Raumordnung liegt nämlich im Kompetenzbereich der Gemeinden. Diese sollen bei Umwidmungen oder Nachverdichtungen gezielt förderbaren Wohnraum oder preisliche Obergrenzen erwirken. Exekutiert werden soll das nicht nur bei gemeindeeigenen Grundstücken, sondern vor allem auch bei privaten Umwidmungsverfahren und Nachverdichtungen.
Juristisch ist das durchaus eine Herausforderung. Um eine Raumordnung auf privaten Grundstücken vorzunehmen, ist ein privatrechtlicher Vertrag notwendig, im Fachausdruck als Raumordnungsvertrag bezeichnet. Einfach erklärt schließt die Gemeinde mit dem Grundstückseigentümer eine Vereinbarung, was auf und mit dem Grundstück passieren darf. „In Wahrheit kann im Vertrag alles geregelt werden. Das Verhältnis zwischen
Eigentum und Miete, aber auch jenes zwischen förderbarem und nicht förderbarem Wohnbau“, sagt ÖVP-Wohnbausprecher und Generalsekretär Wolfgang Mayer. Für Gemeinden sei der Raumordnungsvertrag ein effektives Instrument, um beispielsweise gegen Immobilienspekulation aufzutreten – ohne Geld in die Hand nehmen zu müssen. „In der Gemeinde Grödig wurde durch einen solchen Raumordnungsvertrag ein Quadratmeterpreis von 3120 Euro für Eigentumswohnungen erzielt“, sagt Bürgermeister Herbert Schober. Drei Raumordnungsverträge habe er seit 2019 abgeschlossen.
„Wir schließen immer dann Raumordnungsverträge ab, wenn es durch Umwidmungen oder verbesserte Bebauungsgrundlagen zur Schaffung von nicht unwesentlichen privaten Vermögenswerten kommt“, heißt es aus dem Büro des noch ressortzuständigen Vizebürgermeisters der Stadt Salzburg, Florian Kreibich (ÖVP). Die Wertsteigerung solle auch in einem bestimmten Ausmaß der Gesellschaft zugutekommen. Ausgenommen sind Eigenbedarfsflächen oder verhältnismäßig kleine Flächen bei Umwidmungen. Als Stadt schließe man aber auch Raumordnungs
verträge, wenn es um Gewerbeimmobilien gehe – „um eine bestimmte Anzahl Arbeitsplätze zu schaffen“. Philipp Radlegger, Geschäftsführer der Wohnbau-Genossenschaft Bergland, sagt: „Es ist ein wichtiges Instrument für sozialen Wohnbau.“
Zurück zur juristischen Problematik: Die Gemeinde agiert vielfach hoheitlich und erlässt beispielsweise Raumordnungspläne. Ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes im Jahr 1999 hob die verpflichtende Vertragsraumordnung daher auf. Gemeinde
und Gemeindebürger seien keine gleichwertigen Vertragspartner, hieß es. Geschlossen wurden in Salzburg nach dem Rechtsspruch trotzdem Hunderte Raumordnungsverträge. „Insgesamt konnten mehr als 200 Hektar Flächen gesichert bzw. entwickelt werden“, sagt Mayer. Es sei aber ein rechtlicher und fachlicher Grenzgang gewesen.
Damit soll nun Schluss sein:
Das sogenannte Koppelungsverbot soll aufgehoben und die Erstellung von Raumordnungsverträgen dadurch verfassungsrechtlich legitimiert werden. „ÖVP und Grüne im Bund haben auf Initiative des Landes Salzburg eine Änderung des Bundesverfassungsgesetzes vereinbart“, sagt Mayer. Die politische Einigung zwischen ÖVP und Grünen auf Bundesebene wurde am Mittwoch erzielt. Somit könnte bald Rechtssicherheit für die Gemeinden herrschen, was noch mehr Abschlüsse von Raumordnungsverträgen mit sich bringen könnte.
Zuvor muss die Abänderung des Gesetzes noch zwei Hürden nehmen. Für die Abänderung ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Nationalrätin Michaela Schmidt (SPÖ) sagt dazu: „Wir sind immer der Meinung gewesen, dass es mehr Spielraum für die Gemeinden in der Raumordnung braucht – es ist eine richtige Maßnahme.“Die Gesetzesänderung werde man im Ausschuss besprechen, sie müsse dann in Begutachtung und den Bundesrat durchqueren. Politischen Druck gibt es von den Landeshauptleuten, die einstimmig dafür sind.
„In Wahrheit kann im Raumordnungsvertrag alles geregelt werden.“Wolfgang Mayer, ÖVP