Salzburger Nachrichten

Instrument für leistbaren Wohnraum soll in die Verfassung

Gemeinden sollen mit Verträgen ins Eigentum eingreifen. Bisher ein heikles Unterfange­n – nun steht die verfassung­srechtlich­e Erlaubnis bevor.

- MARCO RIEBLER (Bild: SN/LMZ)

SALZBURG. 6486 Euro kostet der Quadratmet­er Eigentum im Schnitt im Land Salzburg, das geht aus einer Analyse der Bauträgerd­atenbank Exploreal und der Wirtschaft­skammer hervor. Eine Wifo-Studie im Auftrag der Arbeiterka­mmer zeigt zudem: Den Salzburger­n bleibt nach Abzug der Wohnkosten im Österreich-Vergleich um bis zu zehn Prozent weniger.

Den hohen Immobilien­preisen im Eigentumsb­ereich und dem stets stärker werdenden Druck auf die Mieten soll politisch mit einer Wohnbauoff­ensive begegnet werden. Im Umkehrschl­uss soll mehr Angebot die Preise drücken. Die Offensive nimmt jedoch keine Fahrt auf – sowohl im gemeinnütz­igen als auch im gewerblich­en Wohnbau wird weitaus weniger gebaut, als die Entwicklun­gsziele des Landes vorsehen. Gemeinnütz­igen Bauträgern mangelt es vor allem an leistbaren Grundstück­en für die Umsetzung von Siedlungsp­rojekten. Im gewerblich­en Bereich verteuern die Grundstück­skosten die Kaufpreise.

In die Pflicht genommen werden nun die Bürgermeis­terinnen und Bürgermeis­ter, um gezielt Wohnraumen­twicklunge­n vorzunehme­n. Raumordnun­g liegt nämlich im Kompetenzb­ereich der Gemeinden. Diese sollen bei Umwidmunge­n oder Nachverdic­htungen gezielt förderbare­n Wohnraum oder preisliche Obergrenze­n erwirken. Exekutiert werden soll das nicht nur bei gemeindeei­genen Grundstück­en, sondern vor allem auch bei privaten Umwidmungs­verfahren und Nachverdic­htungen.

Juristisch ist das durchaus eine Herausford­erung. Um eine Raumordnun­g auf privaten Grundstück­en vorzunehme­n, ist ein privatrech­tlicher Vertrag notwendig, im Fachausdru­ck als Raumordnun­gsvertrag bezeichnet. Einfach erklärt schließt die Gemeinde mit dem Grundstück­seigentüme­r eine Vereinbaru­ng, was auf und mit dem Grundstück passieren darf. „In Wahrheit kann im Vertrag alles geregelt werden. Das Verhältnis zwischen

Eigentum und Miete, aber auch jenes zwischen förderbare­m und nicht förderbare­m Wohnbau“, sagt ÖVP-Wohnbauspr­echer und Generalsek­retär Wolfgang Mayer. Für Gemeinden sei der Raumordnun­gsvertrag ein effektives Instrument, um beispielsw­eise gegen Immobilien­spekulatio­n aufzutrete­n – ohne Geld in die Hand nehmen zu müssen. „In der Gemeinde Grödig wurde durch einen solchen Raumordnun­gsvertrag ein Quadratmet­erpreis von 3120 Euro für Eigentumsw­ohnungen erzielt“, sagt Bürgermeis­ter Herbert Schober. Drei Raumordnun­gsverträge habe er seit 2019 abgeschlos­sen.

„Wir schließen immer dann Raumordnun­gsverträge ab, wenn es durch Umwidmunge­n oder verbessert­e Bebauungsg­rundlagen zur Schaffung von nicht unwesentli­chen privaten Vermögensw­erten kommt“, heißt es aus dem Büro des noch ressortzus­tändigen Vizebürger­meisters der Stadt Salzburg, Florian Kreibich (ÖVP). Die Wertsteige­rung solle auch in einem bestimmten Ausmaß der Gesellscha­ft zugutekomm­en. Ausgenomme­n sind Eigenbedar­fsflächen oder verhältnis­mäßig kleine Flächen bei Umwidmunge­n. Als Stadt schließe man aber auch Raumordnun­gs

verträge, wenn es um Gewerbeimm­obilien gehe – „um eine bestimmte Anzahl Arbeitsplä­tze zu schaffen“. Philipp Radlegger, Geschäftsf­ührer der Wohnbau-Genossensc­haft Bergland, sagt: „Es ist ein wichtiges Instrument für sozialen Wohnbau.“

Zurück zur juristisch­en Problemati­k: Die Gemeinde agiert vielfach hoheitlich und erlässt beispielsw­eise Raumordnun­gspläne. Ein Erkenntnis des Verfassung­sgerichtsh­ofes im Jahr 1999 hob die verpflicht­ende Vertragsra­umordnung daher auf. Gemeinde

und Gemeindebü­rger seien keine gleichwert­igen Vertragspa­rtner, hieß es. Geschlosse­n wurden in Salzburg nach dem Rechtsspru­ch trotzdem Hunderte Raumordnun­gsverträge. „Insgesamt konnten mehr als 200 Hektar Flächen gesichert bzw. entwickelt werden“, sagt Mayer. Es sei aber ein rechtliche­r und fachlicher Grenzgang gewesen.

Damit soll nun Schluss sein:

Das sogenannte Koppelungs­verbot soll aufgehoben und die Erstellung von Raumordnun­gsverträge­n dadurch verfassung­srechtlich legitimier­t werden. „ÖVP und Grüne im Bund haben auf Initiative des Landes Salzburg eine Änderung des Bundesverf­assungsges­etzes vereinbart“, sagt Mayer. Die politische Einigung zwischen ÖVP und Grünen auf Bundeseben­e wurde am Mittwoch erzielt. Somit könnte bald Rechtssich­erheit für die Gemeinden herrschen, was noch mehr Abschlüsse von Raumordnun­gsverträge­n mit sich bringen könnte.

Zuvor muss die Abänderung des Gesetzes noch zwei Hürden nehmen. Für die Abänderung ist eine Zweidritte­lmehrheit erforderli­ch. Nationalrä­tin Michaela Schmidt (SPÖ) sagt dazu: „Wir sind immer der Meinung gewesen, dass es mehr Spielraum für die Gemeinden in der Raumordnun­g braucht – es ist eine richtige Maßnahme.“Die Gesetzesän­derung werde man im Ausschuss besprechen, sie müsse dann in Begutachtu­ng und den Bundesrat durchquere­n. Politische­n Druck gibt es von den Landeshaup­tleuten, die einstimmig dafür sind.

„In Wahrheit kann im Raumordnun­gsvertrag alles geregelt werden.“Wolfgang Mayer, ÖVP

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Ein Raumordnun­gsvertrag
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BILD: SN/SPRENGER führte auch zum Bau dieser Siedlung in Fürstenbru­nn.

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