„Das musste ich mit Musik ausdrücken“
Düstere Aussichten und optimistischer Schimmer: In seinem Studio in Rif zaubert Thierry Zaboitzeff Musik aus spannungsvollen Gegensätzen.
HALLEIN. Die Ruhe, die Klavier und Synthesizer mit einem langsamen Thema andeuten, hält nicht lang. Bald wird sie von reibungsvollen Klängen abgelöst. Und aus den Spannungen, die Thierry Zaboitzeff mit Bass, Streichern, elektronischen Sounds und eingestreuten Geräuschen erzeugt, wächst auch Beklemmung. Klingt so der Anfang von etwas oder eher das Ende?
„Die Wälder gehen den Menschen voraus, die Wüsten folgen ihnen“, rezitiert der Musiker in der Einleitung zu dem 15-minütigen Stück „La Forêt“(dt.: der Wald) auf seinem jüngsten Album „Le Passage“. Mit dem Satz hat der Schriftsteller FrançoisRené de Chateaubriand bereits im 19. Jahrhundert die Zerstörung der Natur durch die Zivilisation zum Thema gemacht.
Und auch, wenn Thierry Zaboitzeff seiner Musik keine Programme voranstellt, sei das Zitat dennoch „so etwas wie ein inhaltlicher Ansatz für das Album“geworden, erzählt der französische Musiker, der seit vielen Jahren in Rif bei Salzburg lebt und arbeitet: „Ich bin sehr empfindlich, was die Misshandlung der Natur durch den Menschen angeht, und musste das eines Tages durch meine Musik ausdrücken.“
Nach erhobenem Zeigefinger klingt das in der Komposition, die er 2023 auch als visualisiertes Hörspiel beim Salzburger Festival tanz_house aufführte, freilich trotzdem nicht: „Musik hat etwas Magisches, sie bietet viele verschiedene Ebenen der Interpretation, das ist mir wichtig. Deshalb stehen nur diese wenigen Worte am Anfang von ,La Forêt‘ und lassen alle Assoziationsmöglichkeiten beim Hören der anderen Stücke offen.“
Weitgefächert waren diese Möglichkeiten in seiner Musik immer schon. Für Tanztheaterproduktionen der Editta Braun Company schreibt er vielschichtige Bühnenkompositionen. Und
„Ich komponiere Musik auf sehr visuelle Weise, wie ein Regisseur.“Thierry Zaboitzeff, Musiker
32 Alben stehen allein seit 1997 in seiner Diskografie. Das Jahr markierte einen Einschnitt: Damals verließ Zaboitzeff die legendäre französische Avantgardeband Art Zoyd, deren Mitglied er seit 1971 gewesen war, um sich neuen, eigenen Projekten zu widmen.
Auf dem jüngsten Album „Le Passage“spielt nun aber auch wieder ein ehemaliger Bandkollege mit: Trompeter Jean-Pierre Soarez ist als Gast zu hören. Weil er die Trompete in seinen Orchestrierungen in letzter Zeit immer häufiger einsetze, erzählt Zaboitzeff, „bat ich Jean-Pierre spontan, die geplanten Trompeten-Samples auf dem Album zu ersetzen und improvisierend einzugreifen – was er meisterhaft und einfühlsam tat. Ich fand darin ein wenig von dem Sound wieder, den wir mit Art Zoyd gemeinsam geformt hatten.“
Der Trompeter spielte seine Beiträge in Frankreich ein, Zaboitzeff baute sie in seinem Studio in Rif in den Gesamtsound ein.
Eine große Reichweite zeichnet sich nun auch für das fertige Album ab: Rezensionen aus Chile, den USA, Frankreich und Deutschland, die seit der Veröffentlichung von „Le Passage“im Frühjahr erschienen sind, lassen sich auf der Internetseite des Wahlsalzburgers nachlesen.
Im Studio arbeitet Zaboitzeff sonst oft allein, nur umgeben von rund einem Dutzend Instrumenten. Um die Idee, seine Fähigkeiten als Multi-Instrumentalist mit Bass, Cello, Gitarren, Keyboards oder Schlagwerk vorzuführen, sei es ihm dabei nie gegangen, erzählt er: „Am meisten interessiert mich ein Komponieren, das klangliche und manchmal sehr bildhafte Atmosphären aller Art schafft.“Dafür nutzt er eine breite Palette an Klangfarben zwischen Jazz, Techno, Rock, Avantgarde und Neoklassik: „Ich verbiete mir nichts.“
Die „Passage“, die dem Album seinen Namen gibt, bedeutet im Französischen auch einen Übergang: Zu einem drohenden Ende oder einem versöhnlichen Anfang? Das Titelstück, mit dem die Platte ausklingt, habe „einen optimistischen Schimmer“, resümiert Zaboitzeff: „Trotz des schweren Klimas wollte ich, dass es eine Hoffnung hat, die man aufrechterhalten muss: die Passage zu einem besseren Ort.“