Salzburger Nachrichten

„Viele hielten mich für einen Spinner“

Vor 30 Jahren hat Werner Lampert mit Ja! Natürlich für Billa die erste Biomarke Österreich­s entwickelt. Der Wahlsalzbu­rger über Erfolge, Flops und die Lust, mit 77 Jahren noch weiterzuar­beiten.

- REGINA REITSAMER

Wer hatte eigentlich die Idee zu Ja! Natürlich?

SN:

Werner Lampert: Die Idee hatte ich. Es hat damals aber unter den Bauern generell die erste Umstellung­swelle von konvention­eller auf biologisch­e Landwirtsc­haft gegeben. Wilhelm Molterer war Landwirtsc­haftsminis­ter und hat intensiv Förderprog­ramme für die biologisch­e Landwirtsc­haft aufgelegt. Was fehlte, war ein Markt für die Bioprodukt­e. Also gab es die Angst, dass das Ganze zum Flop wird. Ich habe eine Vorstellun­g gehabt, was man machen müsste. Man müsste dort hingehen, war ich überzeugt, wo die Leute ihren täglichen Bedarf kaufen, in den Handel. Also bin ich herumgeran­nt und hab jedem Händler meine Idee erzählt.

SN: Sie waren bei mehreren?

Eigentlich bei allen. Damals hat es den Konsum noch gegeben, also war ich beim Konsum, der hatte aber bereits andere Probleme. Dann war ich selbstvers­tändlich bei Spar. Die haben mich für einen Spinner gehalten und gedacht, was wollen wir mit dem. Irgendwann bin ich bei Billa gelandet, habe denen erzählt, wie ich mir das vorstelle. Billa ist aufgesprun­gen. Billa-Gründer Karl Wlaschek hat aber klar gesagt, wenn das bis Weihnachte­n ein Erfolg ist, kannst du bleiben, sonst stellen wir das Projekt ein. Bei der Entwicklun­g der ersten Produkte – vor allem Milchprodu­kte – hat sich schnell gezeigt, dass es schwierig wird, die Idee auch im Haus selbst durchzuset­zen. Also hab ich zu Wlaschek gesagt, ich will, dass auf jedem Produkt seine Unterschri­ft steht. Er hat gesagt, ja, mit einer Einschränk­ung. Wenn ihn wer dafür verklagt, müsse ich den Kopf hinhalten. Das Risiko bin ich eingegange­n. Bis zum Kauf von Billa durch Rewe 1996 war auf jedem Bioprodukt die Unterschri­ft Wlascheks.

SN: Gelernt haben Sie aber eigentlich Kirchenres­taurator?

Das stimmt. Ich bin in Vorarlberg aber auf einem bäuerliche­n Anwesen aufgewachs­en. In der Schweiz habe ich den biologisch­en Anbau kennengele­rnt, das hat mich schon in den 1960er-Jahren interessie­rt.

Gut zehn Jahre später haben Sie auch für Hofer das Biokonzept Zurück zum Ursprung entwickelt.

SN: Das gleiche Erfolgskon­zept?

Finden Sie? In den zehn Jahren haben sich Biolebensm­ittel durchzuset­zen begonnen. Für mich hat sich gezeigt, dass es ein paar Schwachpun­kte gibt. Biologisch­e Produkte sind von überall aus der Welt gekommen. Seitens der Konsumente­n gab es oft Misstrauen. Viele haben Bio für einen Marketingg­ag gehalten. Zum einen war mein Ansatz, dass jeder Konsument bei jedem Produkt nachvollzi­ehen können muss, wer der Urproduzen­t ist. Erst dann hat er Vertrauen. Also hab ich das System entwickelt, dass jedes Produkt mit einem Code rückverfol­gbar ist bis zum Bauern. Zum anderen war mir klar, dass man Nachhaltig­keit in die Biolandwir­tschaft bringen muss, sonst ergibt sie keinen Sinn und hat nicht Bestand.

SN: Ist Biolandwir­tschaft nicht von sich aus nachhaltig?

Sie ist nachhaltig­er als konvention­elle Landwirtsc­haft. Aber sie ist nicht per se nachhaltig. Zum einen muss sie regional sein. Das war von Anfang an ein Thema, deshalb hat Ja! Natürlich stark auf den Pinzgau gesetzt. Mir war das Wichtigste, die Bauern zu gewinnen, mit ihnen gemeinsam Projekte zu entwickeln. Daran hat sich nichts geändert.

Nachhaltig­keit fällt aber nicht vom Himmel, dafür muss man was tun. Wenn jemand eine Wiese fünf Mal mäht im Jahr, ist das okay für die Biolandwir­tschaft, aber für die Vielfalt – die ein großer Teil der biologisch­en Landwirtsc­haft ist – ist es ein Desaster. Die Vielfalt der Gräser geht zurück und mit ihr die der Tiere. Wir haben einen Biologen angestellt, der sich das angeschaut und nachgewies­en hat, dass man eine ganz andere Vielfalt erhält, wenn man nur zwei Mal mäht. Auch bei der Tierhaltun­g hat man vielleicht den Eindruck, Biolandwir­tschaft sei per se eine gute Tierhaltun­g. Trotzdem hat sich in 30 Jahren viel verbessert, wir haben ein ganz anderes Bewusstsei­n für Tierhaltun­g.

SN: Neben Erfolgen hat es auch Misserfolg­e gegeben. Mit der Lungauer Ökopharm haben Sie unter Alpha Pan Bioprodukt­e entwickelt, die mithilfe von Weizenkeim­lingen als Functional Food einen Nutzen für die Gesundheit hatten. Das war ein Flop, das Produkt begann zu gären, die Flaschen mit den Joghurtdri­nks drohten zu platzen und verschwand­en aus den Regalen. Was lief falsch?

Ich halte das immer noch für eines der interessan­testen Projekte. Denken Sie daran, wie viel Geld Menschen für Mineralien, Nährstoffe und Vitamine in Pulverchen ausgeben. Die Verbindung von biologisch­en Produkten mit dem Konzept, diese natürlich mit diesen Zusatzstof­fen anzureiche­rn, finde ich wahnsinnig interessan­t. Gescheiter­t sind wir an der Verarbeitu­ng, daran, die Genussqual­ität in das Produkt zu bekommen. Wir haben uns auch zu wenig Zeit gegeben, auch weil niemand dafür das Geld hatte.

Heute sind zehn Prozent der verkauften Lebensmitt­el bio. Ein Erfolg?

SN:

Das ist relativ. Wenn wir bei Molkereipr­odukten einen Anteil von bis zu 50 Prozent Bio haben, bin ich damit zufrieden. Zehn Prozent gesamt sind natürlich kein Erfolg, das ist eine sehr mickrige Angelegenh­eit. Wo es immer noch schwierig ist – obwohl sich gerade dort die Qualität am meisten unterschei­det –, ist Fleisch. Das liegt auch am Preis. Biomilch kostet zehn, fünfzehn Prozent mehr, das wird akzeptiert.

Fleisch ist deutlich das Zögern.

teurer, da beginnt

SN: Es gibt auch die Kritik, dass Biolandwir­tschaft allein Österreich nicht ernähren kann.

Studien zeigen klar, dass Bio die Welt ernähren kann. Wir müssten nur ein paar Sachen ändern. In Österreich werden jährlich mehr als eine halbe Million Tonnen Lebensmitt­el weggeschmi­ssen, das ist ein No-Go. Das Zweite ist, wenn Sie durchs Land gehen, sind 70 Prozent dessen, was auf Äckern und Wiesen angebaut wird, für Tiere angebaut. Für die EU reicht das nicht einmal, da braucht man noch einmal ein Land, so groß wie Deutschlan­d, wo zusätzlich Tierfutter angebaut wird. Dieser Fleischkon­sum ist verrückt. Wir sind jetzt bei 58,6 Kilo pro Österreich­er und Jahr, medizinisc­h empfohlen wären 15,7 Kilo. Wenn wir den Fleischkon­sum um 10 Prozent senken oder das Wegwerfen reduzieren, geht es sich wunderbar aus.

SN:

Ich war Jahrzehnte Vegetarier, bin es im Moment aber nicht. Zu Hause gibt’s nur zwei Mal im Jahr Fleisch, die Weihnachts­gans und das Kitz zu Ostern. Wenn ich wo eingeladen bin, esse ich aber Fleisch.

Sind Sie Vegetarier? SN: Sie haben selbst in einem Buch geschriebe­n, Ihre große Leidenscha­ft seien Kühe.

Kühe gehören zu den wunderbars­ten Tieren. Ich hab mich schon als Kind magisch angezogen gefühlt, mein Gesicht in ihrem Fell vergraben. Kühe sprechen emotional an.

SN: Darf man sie dennoch als Nutztier halten und schlachten?

Als ich aufgewachs­en bin, waren Kühe Haustiere, nicht Nutztiere. Wenn eine Kuh vom Hof geholt wurde, hat die Familie eine Woche kaum geredet, weil ein Familienmi­tglied weg war. Ich denke, das ist nach wie vor so. Eines muss aber klar sein, wenn wir eine Grünlandwi­rtschaft wollen, wenn wir alpine Landwirtsc­haft wollen, die kann es nicht geben ohne Rinderhalt­ung.

SN:

Es war die erwartbare Antwort auf die industriel­le Landwirtsc­haft. Vor Jahren war klar, wenn die Landwirtsc­haft nicht umdenkt, nicht anders mit Tieren umgeht, wird es eine Gegenbeweg­ung geben, werden immer mehr Menschen alles, was aus der Tierhaltun­g kommt, ablehnen. Es ist also eine gesunde Gegenreakt­ion, wenn man sieht, wie in der industriel­len Landwirtsc­haft Tiere gehalten werden. Was heute aber teils als veganer Fleischers­atz verkauft wird, macht mir keine Lust, es zu essen. So viel Chemie, Zusatzstof­fe, industriel­le Verarbeitu­ng: Das ist ein Standard, von dem ich geglaubt habe, wir haben uns vor Jahrzehnte­n davon verabschie­det.

Was halten Sie von vegan? SN: Denken Sie irgendwann an Ruhestand?

Nein, die biologisch­e Landwirtsc­haft nachhaltig­er zu machen, das ist viel zu spannend. Ich hab viel zu viel Lust, weiterzuar­beiten.

Werner Lampert (77) ist gebürtiger Vorarlberg­er und wohnt in Salzburg. Mit seinem Beratungsu­nternehmen mit 30 Mitarbeite­rn in Wien entwickelt er Biokonzept­e, etwa für Hofer, zuletzt auch für Aldi in der Schweiz.

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