Eine Burg, die einschließt
Die erste Spielzeit des neuen Burgtheater-Intendanten Stefan Bachmann birgt Verweise auf Österreichs kulturelle Vergangenheit – inklusive Sisi, Elfriede Jelinek und Thomas Bernhard.
Wer unter der Intendanz von Martin Kušej „Burg“sagte, zahlte Strafe. Dessen Nachfolger Stefan Bachmann verwendet nun „Burg“als Sammelbegriff für die Spielstätten Burgtheater, Akademietheater, Kasino und Vestibül – und zwar, wie es im Spielzeitbuch heißt, „dem Missverständnis zum Trotz, dass eine Burg aus undurchdringlichen Mauern besteht“. Die Burg unter Bachmann soll offen, spielerisch, widersprüchlich und ein Raum für Perspektivenwechsel sein. „Es geht darum, mit diesem Begriff produktiv ins Spiel zu kommen“, sagte Bachmann. „Es ist ein ambivalenter Begriff: eine Burg, die nicht ausschließt, sondern einschließt, die einlädt, die inklusiv ist.“
14 Premieren im Burgtheater, zehn Premieren im Akademietheater und vier Premieren im Vestibül bietet die erste Saison von Stefan Bachmann, die er mit seinem Team am Dienstag präsentierte. Zwei Regisseurinnen eröffnen: Karin Henkel inszeniert „Hamlet“am Burgtheater, die Schwedin Therese Willstedt Virginia Woolfs „Orlando“ am Akademietheater. Als Festwochen-Koproduktion bringt Milo Rau Jelineks „Burgtheater“an das titelgebende Haus. Jelineks Stück, das anhand der Schauspielerdynastie Wessely/Hörbiger die österreichische Mitschuld am Nationalsozialismus thematisiert, wurde anlässlich seiner Uraufführung 1985 in Bonn skandalisiert. Ein einziges
Mal gab seither die Autorin in Österreich eine Aufführungsgenehmigung: 2005 für die Österreichische Erstaufführung durch das Grazer Theater im Bahnhof. Nun habe der Festwochenintendant „exklusiv“die Rechte erhalten, hieß es zu diesem prognostizierbaren Höhepunkt der Saison 2024/25. Mit der Dramatisierung des Romans „Holzfällen“von Thomas Bernhard in einem von Nicholas Ofczarek initiierten Abend der Musicbanda Franui wird ein weiterer einstiger Kulturskandal aufgearbeitet.
Sehr musikalisch wird es auch bei der „Schachnovelle“oder bei einer Bearbeitung des Romans „Vielen Dank für das Leben“von Sibylle Berg zugehen. Romandramatisierungen gibt es auch zu „Alles ist erleuchtet“von Jonathan Safran Foer und „Die Vegetarierin“von Han Kang. Die Salzburgerin Mareike Fallwickl, soeben mit ihrem Roman „Und alle so still“erfolgreich, wirft in der Uraufführung „Elisabeth!“laut Presseunterlagen „einen vielschichtigen und feministischen Blick auf diesen österreichischen Superstar“. Heimkehrerin Stefanie Reinsperger spielt in dieser Produktion ebenso die Titelrolle wie in Molnárs „Liliom“.
Insgesamt fünf Produktionen des Schauspiels Köln, Bachmanns bisheriger Wirkungsstätte, werden übernommen – drei davon vom neuen Chef inszeniert, der zudem mit „Manhattan Project“von Stefano Massini und „Die Wurzel aus Sein“von Wajdi Mouawad zwei
Akademietheater-Neuinszenierungen verantwortet.
Umgekehrt bleiben mit „Der Menschenfeind“, „Geschlossene Gesellschaft“und „Orpheus steigt herab“drei Inszenierungen des derzeitigen Burgtheaterdirektors Martin Kušej im Repertoire – wie 30 weitere Produktionen der jetzigen Direktion ins Repertoire übernommen werden, „möglichst in den originalen Besetzungen, damit es ein smoother Übergang sein wird“, wie Stefan Bachmann sagte.
An neuen Regiekräften sind Ersan Mondtag, Mina Salehpour, Marie Schleef, Fritzi Wartenberg, Philipp Stölzl und Thomas Jonigk angekündigt. Ins Ensemble zurück kehren Caroline Peters und Max Simonischek sowie – als Gäste – Joachim Meyerhoff, Jens Harzer und Martin Wuttke. Zehn Schauspielerinnen und Schauspieler wechseln aus Köln fix nach Wien. Franziska Hackl und Thiemo Strutzenberger kommen vom Residenztheater München ans Burgtheater.
„Die Burg soll offen, spielerisch und widersprüchlich sein.“Stefan Bachmann, design. Intendant