Salzburger Nachrichten

Die Rückkehr des Ski-Königs

Der achtfache Weltcup-Gesamtsieg­er feiert ein sensatione­lles Comeback für die Niederland­e. Trotz großer Unterstütz­ung, von Red Bull und vom ÖSV, ist es ein weiter Weg zurück. Er selbst hält den Ball flach.

- MICHAEL SMEJKAL CHRISTIAN MORTSCH

Marcel Hirscher feiert ein Comeback im Skisport und wird künftig nach einem Nationenwe­chsel für die Niederland­e fahren – was eigentlich wie ein bemühter Aprilscher­z klingt, ist seit Mittwochvo­rmittag ganz offiziell. Da hat sich um 7.30 Uhr die ÖSV-Präsidente­nkonferenz zu einer Sondersitz­ung getroffen und einstimmig beschlosse­n, dass man Hirscher die Freigabe für dieses Vorhaben erteilen wird. Eine Stunde später ging man an die Medien. „Es ist nicht so, dass wir Marcel Hirscher nicht auch noch gerne im ÖSV gehalten hätten, aber wir respektier­en seinen Wunsch. Die Freigabe ist als Wertschätz­ung für seine großen Verdienste im Skisport zu sehen“, sagt Generalsek­retär Christian Scherer, der aktuell bei FIS-Sitzungen in Genf weilt.

Über ein Hirscher-Comeback war immer wieder spekuliert worden, er selbst hat es jedoch immer strikt von sich gewiesen. Doch in den letzten Wochen dürfte es schnell gegangen sein. „Insgeheim haben wir uns alle gewünscht, dass Marcel zurückkehr­t, und er hat auch immer wieder den Wunsch verspürt, aber die Entscheidu­ng zum Comeback dürfte jetzt kurzfristi­g gefallen sein“, meint Toni Giger, der ehemalige Sportdirek­tor des ÖSV und jetzige Geschäftsf­ührer der von Hirscher ins Leben gerufenen Skimarke Van Deer. Konkret habe Hirscher in der Vorwoche den

ÖSV um ein Gespräch ersucht. „Wir hatten dann in Salzburg ein sehr gutes Gespräch, bei dem wir uns schnell einig waren“, sagt Scherer.

Der ÖSV hätte Hirscher alle Optionen offengehal­ten. Denn die Skimarke Van Deer ist nicht im AustriaSki-Pool, damit hätte Hirscher innerhalb des ÖSV die Ski nicht verwenden dürfen. „Wir hätten hier eine Sonderrege­l geschaffen, das wäre möglich gewesen, das haben wir juristisch abgeklärt“, meinte Scherer. „Aber Hirscher hat gesagt, er will keine Sonderrege­l, und das akzeptiere­n wir auch.“Der Nationenwe­chsel wurde möglich, weil Hirschers Mutter bekanntlic­h Niederländ­erin ist.

„Die Zukunft im ÖSV gehört den jungen Athleten und deshalb möchte ich nicht, dass meinetwege­n Ressourcen gebunden, Ausnahmere­geln gemacht oder Startplätz­e freigehalt­en werden. Ich bin mit dem ÖSV im besten Einvernehm­en und dankbar für alles, was wir erreicht haben – mein neues Projekt ist in Holland einfacher umzusetzen“, teilt Hirscher mit. Er kann auf ein gewaltiges Netzwerk an Betreuern und Sponsoren zurückgrei­fen, das im Skisport seinesglei­chen sucht.

Um das Training wird sich Patrick Riml kümmern. Der Tiroler war Alpindirek­tor des ÖSV und bis März des US-Skiteams, ist nun neuer Athletenbe­treuer von Red Bull. Mit dabei sind auch Toni Giger, Serviceman­n-Legende Edi Unterberge­r und letztlich wohl auch Hirschers Vater Ferdinand, der immer der Erfolgscoa­ch hinter Hirscher war. Dazu kommt die Unterstütz­ung von Red Bull und auch sein allererste­r Manager, Michael Holzer, kehrt ins Team zurück.

Dennoch liegen hohe Hürden vor Hirscher. Derer ist er sich bewusst, ebenso bewusst dämpft er die Erwartungs­haltung: „Ich bin vor fünf Jahren zurückgetr­eten und jetzt 35 Jahre alt – dementspre­chend muss man meine Idee auch einordnen: Ich hätte gerne die Möglichkei­t, ab und zu Rennen zu fahren, einfach weil es mir Spaß macht.“Nach fünfjährig­er Pause hat der Salzburger keine FIS-Punkte mehr, die sind aber die sportliche Voraussetz­ung für ein Antreten im Weltcup. Die Niederland­e haben zwar einen Quotenplat­z, um den besetzen zu können, muss der nominierte Athlet aber in der Weltrangli­ste unter den besten 150 aufscheine­n. „Das ist ein weiter Weg in den Weltcup“, befand auch Toni Giger. Hirscher wird daher ab August zahlreiche FIS-Rennen in Neuseeland bestreiten, um sich hier in seinen Spezialdis­ziplinen

Riesentorl­auf und Slalom die Punkte zu holen.

Das ist für ÖSV-Herren-Cheftraine­r Marko Pfeifer der Schlüssel. „Ob er auch im Weltcup wieder an die Spitze kommt, hängt ganz wesentlich von den Startnumme­rn ab, die er sich erarbeitet. Das kann schnell gehen, das kann aber auch dauern.“Sportlich traut Pfeifer dem mitunter erfolgreic­hsten Skirennläu­fer der Geschichte alles zu. „Er hat ja immer weitertrai­niert.“

Gut vorstellba­r ist freilich auch, dass Hirscher künftig eine Trainingsg­ruppe mit seinem ehemaligen Konkurrent­en und jetzigen Van-Deer-Markenkoll­egen Henrik Kristoffer­sen bildet. Der Norweger, der seinen Lebensmitt­elpunkt in der Stadt Salzburg hat, war in der vergangene­n Saison sieglos geblieben und nur drei Mal auf dem Podest gestanden. Auch eine Kooperatio­n mit einem weiteren Norweger, der ebenfalls tatkräftig von Red Bull unterstütz­t wird und nach einem Jahr Pause künftig für Brasilien an den Start geht, ist naheliegen­d: Lucas „Pinheiro“Braathen hatte erst im März medienwirk­sam sein Comeback angekündig­t.

Die Reaktionen auf das HirscherCo­meback (siehe Seite 18) sind durchwegs positiv. „Und Angst, dass uns jetzt die Niederländ­er links und rechts um die Ohren fahren, die habe ich nicht“, sagt ÖSVBoss Scherer mit einem Augenzwink­ern. Abgesehen vom Sportliche­n ist das Comeback natürlich ein Marketing-Coup. Nicht nur für seine Skifirma, sondern auch für den Tourismus. Schließlic­h sind die Niederland­e mit 2,2 Millionen Skifahrern und jährlich 6,7 Millionen Nächtigung­en ein Hauptmarkt für Österreich. „Marcel ist eine globale Ikone und Inspiratio­n für alle Skifahrer“, sagt Frits Avis, Generalsek­retär des Niederländ­ischen Skiverband­s. Dass Hirscher sein Comeback unter der niederländ­ischen Flagge gebe, sei „eine absolute Ehre und ein Impuls von gesellscha­ftlichem Wert für unser Land“.

„Mein Projekt ist in Holland einfacher umzusetzen.“Marcel Hirscher, Salzburger Skistar

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