Salzburger Nachrichten

Polizei hob Bande von Liebesbetr­ügern aus

Polizei und Justiz in Bayern holten zum ersten großen Schlag gegen die nigerianis­che Mafia in Deutschlan­d aus. Es gab elf Verhaftung­en.

- GERALD STOIBER

Die deutschen Behörden gingen nun erstmals konzentrie­rt gegen Mafiagrupp­ierungen aus Nigeria vor. Am Dienstag gab es in vier Bundesländ­ern Razzien, an denen mehr als 330 Einsatzkrä­fte teilnahmen. Organisier­t wurden sie unter Federführu­ng der Staatsanwa­ltschaft München I und des Landeskrim­inalamtes Bayern.

Elf Nigerianer (29 bis 53 Jahre) wurden verhaftet, die Anordnunge­n hatte die Justiz nach zwei Jahre dauernden Ermittlung­en zuvor erlassen. Die Afrikaner leben größtentei­ls seit vielen Jahren in Deutschlan­d. Die Gruppe habe ihr kriminelle­s Hauptgesch­äft mit der sogenannte­n Love-Scam- oder Romance-Scam-Masche betrieben. Dabei gaukeln die Täter den Opfern vor, sie seien verliebt und träumten von einer gemeinsame­n Zukunft. Doch bald geht es um Geld – ob für angeblich dringende Operatione­n oder zur Regelung von Immobilien­oder Familienan­gelegenhei­ten. Das Geld wurde nach Nigeria transferie­rt oder zuvor noch in Deutschlan­d zum Kauf von gebrauchte­r Kleidung oder Medizinger­äten mit karitative­m Anstrich investiert.

Allein in Bayern wurden im Jahr 2023 mehr als 450 Fälle dieser modernen Form des Heiratssch­windels angezeigt, der Schaden beträgt 5,3 Millionen Euro. Doch das sei wohl nur ein kleiner Teil des wahren Ausmaßes, denn „viele Geschädigt­e dürften bisher aus Scham keine Anzeige erstattet haben“, so die Justiz.

Durchsuchu­ngen gab es vor allem in zahlreiche­n Städten und Landkreise­n in Bayern, aber auch in Baden-Württember­g, Hessen und Hamburg. Auch Asylquarti­ere wurden durchsucht, „aber das war kein Schwerpunk­t“, sagte Anne Leiding, Sprecherin der Staatsanwa­ltschaft, den SN am Mittwoch.

Die Verhaftete­n seien die höchstrang­igen Vertreter der nigerianis­chen „Black Axe“-Bruderscha­ft, die in Deutschlan­d als „Neo Black Movement Africa“und in einem eingetrage­nen Verein operiere. Zu den Verhaftete­n gehöre der aktuelle und der vorherige „Head“der Gruppe in Deutschlan­d sowie der Stellvertr­eter („Chief Priest“). Der vorgeblich sozial orientiert­e Verein diene als Tarnung, um die dahinterst­ehenden kriminelle­n Strukturen zu verschleie­rn, so die Ermittlung­sbehörden.

Ausgangspu­nkt der kriminalpo­lizeiliche­n Aktion waren Erkenntnis­se des deutschen Auslandsge­heimdienst­es (Bundesnach­richtendie­nst) und des Bayerische­n Landesamts für Verfassung­sschutz. Die „Black Axe Confratern­ity“ist demnach eine von vier mafiaähnli­chen nigerianis­chen Organisati­onen, deren Mitglieder in Deutschlan­d vor allem in Bayern aktiv sind. Die „Confratern­ities“entstanden aus ursprüngli­ch universitä­ren Bruderscha­ften in Nigeria, die sich für die Unabhängig­keit des Landes von Großbritan­nien (sie kam 1960) einsetzten. Einige Gruppen verlegten sich später auf kriminelle Geschäfte. Nach vielen Razzien in Italien wichen die Banden in den vergangene­n Jahren nach Deutschlan­d aus.

Newspapers in German

Newspapers from Austria