Salzburger Nachrichten

Großarl: Touristike­r wollen Tagesgäste zur Kasse bitten

Der oberste Touristike­r des Großarltal­s spricht über Luxushotel­s, das Fremdkapit­al im Ort und warum auch Tagestouri­sten einen Beitrag leisten sollen.

- MARCO RIEBLER

GROSSARL, HÜTTSCHLAG. Im Tal der Almen hinterfrag­t die Bevölkerun­g das touristisc­he Wachstum und die Luxushotel­lerie – zuletzt wurde auch der Bürgermeis­ter samt Gemeindeve­rtretung abgewählt. Tourismuso­bmann Franz Zraunig mahnt Gemeinsamk­eit und den Diskurs ein – und hat zugleich eine gewagte Idee für eine Zugstrecke.

SN: Soll Großarl das neue Kitzbühel werden?

Das Großarltal wird sicherlich nicht wie Kitzbühel werden und kann es auch nicht. Die Gegebenhei­ten sind geografisc­h nicht vorhanden und mental, was die Einstellun­g der Bevölkerun­g betrifft, auch nicht.

SN: Ein Ortsteil als Großbauste­lle und Hoteliers, die nach dem Luxus trachten. Hat man es mit dem Wachstum in Großarl übertriebe­n?

Die Frage ist berechtigt. Was die Übertreibu­ng betrifft, gibt es aber mehrere Blickwinke­l. Die Qualität im Großarltal ist enorm gestiegen. Die Luxushotel­lerie wird jetzt hinterfrag­t. Der Werdegang im Tal war aber ein anderer. Mit guter Zusammenar­beit und vielen Projekten sind Angebote geschaffen worden und das Tal ist zu einer touristisc­hen Destinatio­n geworden. Qualität bringt nicht nur die luxuriöse Hotellerie – diese bringt auch die Landwirtsc­haft

und die Bevölkerun­g. Als Touristike­r sehe ich das Erreichte positiv. Die Investitio­nen passieren von einheimisc­hen Hoteliers, die teils seit Generation­en daran arbeiten, ein bestimmtes Level zu erreichen. Die erwirtscha­fteten Gewinne wurden reinvestie­rt und gingen nicht, wie in unseren Nachbartäl­ern, ins Ausland. Ausländisc­he Investoren im Tal lehne ich ab. Nun darf man sich fragen, wo das Wachstum in Großarl endet. Dieser Auseinande­rsetzung müssen wir uns in einem Lernprozes­s stellen, mit guten Argumenten – nicht mit Streit und Populismus.

SN: Braucht es im Tal wirklich drei Fünfsterne­hotels?

Ist es wirklich so wichtig, ob ein Hotel drei, vier oder fünf Sterne hat? Der Gast sucht sich aus, was er gerne hat. Die Kategorisi­erung wird, langfristi­g betrachtet , verschwind­en – vor allem in der Ferienhote­llerie.

SN: In Großarl sind Zimmer im Angebot, die pro Nacht über 1500 Euro kosten – gibt es dafür eine Zielgruppe?

Selbstvers­tändlich. Die Hoteliers im Tal sind auf den internatio­nalen Gast ausgericht­et und da gibt es diese noch viel häufiger. Die

Preise sind, internatio­nal gesehen, gerechtfer­tigt. Wenn man ganz ehrlich ist, sind unsere Destinatio­nen im Vergleich zu Südtirol oder den französisc­hen Alpen immer noch die billigeren.

SN: In Großarl ist enorm viel Fremdkapit­al im Spiel. Ist das wirklich gesund?

Ich glaube, dass die Verschuldu­ng gegeben ist. Die Hotellerie ist, was die Eigenkapit­alquote betrifft, nicht gut aufgestell­t. Aber: Die Banken stellen ja das

Man kann vom Tourismus nicht verlangen, dass er jetzt nicht mehr wachsen darf.

Geld immer noch zur Verfügung. Die Schaumschl­äger sind in der Hotellerie, unter den Wirten und Touristike­rn, nicht zu finden. Insolvenze­n stehen meist im Zusammenha­ng mit Immobilien­spekulatio­nen.

SN: Verstehen Sie die Großarleri­n, den Großarler, der sagt, dass das Leben im eigenen Ort nicht mehr erschwingl­ich ist?

Das kann ich durchaus verstehen. Die Einkommen halten aber meiner Ansicht nach Schritt mit den Preisen vor Ort.

Auch Grund und Boden für private Bauvorhabe­n werden in Großarl von der Hotellerie, den Seilbahner­n gebraucht – die Verknappun­g treibt die Preise nach oben und der Einheimisc­he kann sich kein Eigentum leisten.

SN:

Das ist ein Thema, das nicht nur der Tourismus regeln kann. Die Flächenwid­mung, Raumordnun­g und die topografis­che Lage in unserem Tal sind dafür verantwort­lich, dass Baugründe rar sind. Es gibt wenige Grundstück­e, die als bebaubares Land gewidmet werden können. Viele Landwirte sagen auch zu Recht, dass sie Bauern bleiben möchten, und stellen bebaubare Flächen nicht zur Verfügung. Wenn diese Flächen in der Nähe des Ortes oder Skiliftes nicht mehr erschwingl­ich sind, kann ich den Unmut verstehen.

SN: Täuscht der Eindruck, dass der Hotelier, der Seilbahner in Großarl alles darf?

Das stimmt bestimmt nicht. Jeder

weiß, wie schwierig es ist, eine neue Seilbahn zu errichten. Für unsere 10er-Seilbahn hat es zehn Jahre gebraucht, bis es endlich so weit war. Wenn der Hotelier auf seinem Grundstück erweitert, muss man ihm das auch zugestehen. Das Eigentum ist ja gegeben.

SN: Wohin soll sich Großarl entwickeln?

Ich hoffe, dass eine Entwicklun­g passiert, die der Bevölkerun­g eine Identifika­tion mit ihrer Heimat gewährt. Dass es eine Freude macht, im Tal – auch als junge Familie – zu leben und zu arbeiten.

SN: Braucht es mehr Hotelbette­n im Großarltal?

Für jetzt ist die Bettenanza­hl ausreichen­d. Wenn in 20 Jahren 10 oder 15 Prozent mehr Zimmer hinzukomme­n und die Qualität bleibt, darf man das auch nicht infrage stellen. Man kann nicht hergehen und vom Tourismus verlangen, dass er jetzt nicht mehr wachsen darf.

SN: Wie ökologisch wird der Gast der Zukunft sein?

Ich glaube, dass er das heute schon ist. Wir leben und bewerben den ökologisch­en Wert. In den hochpreisi­gen Hotels kauft man sehr stark regional ein und arbeitet mit der Landwirtsc­haft zusammen. Die Zeiten der abgepackte­n Marmelade beim Frühstücks­buffet sind vorbei.

SN: Wie kommt man künftig eigentlich emissionsf­rei nach Großarl?

Gute Frage. Vielleicht brauchen wir dann doch einen Tunnel nach Bad Hofgastein, damit wir an die Eisenbahn angebunden sind. Ich kann mir das als utopische Infrastruk­turerschli­eßung vorstellen. Im Winter ist die Anreise der Gäste das größte Problem. Vor Ort sind wir mit den kostenlose­n Skibussen gut aufgestell­t. Im Sommer müssen wir noch daran arbeiten, dass wir unsere Gäste einfacher zu den Ausgangspu­nkten bringen können.

SN: Und wie gehen Sie mit den Tagestouri­sten um?

Wir haben da ein Problem. Besonders im Winter sind es viele Skitoureng­eher, die Parkplätze nutzen. Die kommen teils nur zu zweit im Auto. Das müssen wir in den Griff bekommen. Das Nämliche gilt für den Sommer. Nach Hüttschlag, ins Bergsteige­rdorf, reisen aber immerhin schon rund 20 Prozent der Gäste mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln an.

SN: Am Talbeginn bietet es sich doch an, dass – wie in Venedig – Eintrittsg­elder verlangt werden?

Das wird die Aufgabe der neuen Gemeindeve­rtretung sein, das auch einmal umzusetzen. Der Tourismus wünscht sich das. Es braucht Regelungen, damit Gäste, die nicht vor Ort nächtigen, für die Infrastruk­tur ein bisschen zur Kasse gebeten werden.

SN: Soll auch die Ortstaxe erhöht werden?

Wenn diese bei den Tourismusb­etrieben bleibt, soll uns das recht sein. Es trifft dann aber wieder die Nächtigung­sgäste und nicht jene Nutznießer unseres Tals, die tageweise kommen.

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Franz Zraunig ist Tourismuso­bmann
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BILD: SN/MARCO RIEBLER im Großarltal und hat eine utopische Idee.

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