Großarl: Touristiker wollen Tagesgäste zur Kasse bitten
Der oberste Touristiker des Großarltals spricht über Luxushotels, das Fremdkapital im Ort und warum auch Tagestouristen einen Beitrag leisten sollen.
GROSSARL, HÜTTSCHLAG. Im Tal der Almen hinterfragt die Bevölkerung das touristische Wachstum und die Luxushotellerie – zuletzt wurde auch der Bürgermeister samt Gemeindevertretung abgewählt. Tourismusobmann Franz Zraunig mahnt Gemeinsamkeit und den Diskurs ein – und hat zugleich eine gewagte Idee für eine Zugstrecke.
SN: Soll Großarl das neue Kitzbühel werden?
Das Großarltal wird sicherlich nicht wie Kitzbühel werden und kann es auch nicht. Die Gegebenheiten sind geografisch nicht vorhanden und mental, was die Einstellung der Bevölkerung betrifft, auch nicht.
SN: Ein Ortsteil als Großbaustelle und Hoteliers, die nach dem Luxus trachten. Hat man es mit dem Wachstum in Großarl übertrieben?
Die Frage ist berechtigt. Was die Übertreibung betrifft, gibt es aber mehrere Blickwinkel. Die Qualität im Großarltal ist enorm gestiegen. Die Luxushotellerie wird jetzt hinterfragt. Der Werdegang im Tal war aber ein anderer. Mit guter Zusammenarbeit und vielen Projekten sind Angebote geschaffen worden und das Tal ist zu einer touristischen Destination geworden. Qualität bringt nicht nur die luxuriöse Hotellerie – diese bringt auch die Landwirtschaft
und die Bevölkerung. Als Touristiker sehe ich das Erreichte positiv. Die Investitionen passieren von einheimischen Hoteliers, die teils seit Generationen daran arbeiten, ein bestimmtes Level zu erreichen. Die erwirtschafteten Gewinne wurden reinvestiert und gingen nicht, wie in unseren Nachbartälern, ins Ausland. Ausländische Investoren im Tal lehne ich ab. Nun darf man sich fragen, wo das Wachstum in Großarl endet. Dieser Auseinandersetzung müssen wir uns in einem Lernprozess stellen, mit guten Argumenten – nicht mit Streit und Populismus.
SN: Braucht es im Tal wirklich drei Fünfsternehotels?
Ist es wirklich so wichtig, ob ein Hotel drei, vier oder fünf Sterne hat? Der Gast sucht sich aus, was er gerne hat. Die Kategorisierung wird, langfristig betrachtet , verschwinden – vor allem in der Ferienhotellerie.
SN: In Großarl sind Zimmer im Angebot, die pro Nacht über 1500 Euro kosten – gibt es dafür eine Zielgruppe?
Selbstverständlich. Die Hoteliers im Tal sind auf den internationalen Gast ausgerichtet und da gibt es diese noch viel häufiger. Die
Preise sind, international gesehen, gerechtfertigt. Wenn man ganz ehrlich ist, sind unsere Destinationen im Vergleich zu Südtirol oder den französischen Alpen immer noch die billigeren.
SN: In Großarl ist enorm viel Fremdkapital im Spiel. Ist das wirklich gesund?
Ich glaube, dass die Verschuldung gegeben ist. Die Hotellerie ist, was die Eigenkapitalquote betrifft, nicht gut aufgestellt. Aber: Die Banken stellen ja das
Man kann vom Tourismus nicht verlangen, dass er jetzt nicht mehr wachsen darf.
Geld immer noch zur Verfügung. Die Schaumschläger sind in der Hotellerie, unter den Wirten und Touristikern, nicht zu finden. Insolvenzen stehen meist im Zusammenhang mit Immobilienspekulationen.
SN: Verstehen Sie die Großarlerin, den Großarler, der sagt, dass das Leben im eigenen Ort nicht mehr erschwinglich ist?
Das kann ich durchaus verstehen. Die Einkommen halten aber meiner Ansicht nach Schritt mit den Preisen vor Ort.
Auch Grund und Boden für private Bauvorhaben werden in Großarl von der Hotellerie, den Seilbahnern gebraucht – die Verknappung treibt die Preise nach oben und der Einheimische kann sich kein Eigentum leisten.
SN:
Das ist ein Thema, das nicht nur der Tourismus regeln kann. Die Flächenwidmung, Raumordnung und die topografische Lage in unserem Tal sind dafür verantwortlich, dass Baugründe rar sind. Es gibt wenige Grundstücke, die als bebaubares Land gewidmet werden können. Viele Landwirte sagen auch zu Recht, dass sie Bauern bleiben möchten, und stellen bebaubare Flächen nicht zur Verfügung. Wenn diese Flächen in der Nähe des Ortes oder Skiliftes nicht mehr erschwinglich sind, kann ich den Unmut verstehen.
SN: Täuscht der Eindruck, dass der Hotelier, der Seilbahner in Großarl alles darf?
Das stimmt bestimmt nicht. Jeder
weiß, wie schwierig es ist, eine neue Seilbahn zu errichten. Für unsere 10er-Seilbahn hat es zehn Jahre gebraucht, bis es endlich so weit war. Wenn der Hotelier auf seinem Grundstück erweitert, muss man ihm das auch zugestehen. Das Eigentum ist ja gegeben.
SN: Wohin soll sich Großarl entwickeln?
Ich hoffe, dass eine Entwicklung passiert, die der Bevölkerung eine Identifikation mit ihrer Heimat gewährt. Dass es eine Freude macht, im Tal – auch als junge Familie – zu leben und zu arbeiten.
SN: Braucht es mehr Hotelbetten im Großarltal?
Für jetzt ist die Bettenanzahl ausreichend. Wenn in 20 Jahren 10 oder 15 Prozent mehr Zimmer hinzukommen und die Qualität bleibt, darf man das auch nicht infrage stellen. Man kann nicht hergehen und vom Tourismus verlangen, dass er jetzt nicht mehr wachsen darf.
SN: Wie ökologisch wird der Gast der Zukunft sein?
Ich glaube, dass er das heute schon ist. Wir leben und bewerben den ökologischen Wert. In den hochpreisigen Hotels kauft man sehr stark regional ein und arbeitet mit der Landwirtschaft zusammen. Die Zeiten der abgepackten Marmelade beim Frühstücksbuffet sind vorbei.
SN: Wie kommt man künftig eigentlich emissionsfrei nach Großarl?
Gute Frage. Vielleicht brauchen wir dann doch einen Tunnel nach Bad Hofgastein, damit wir an die Eisenbahn angebunden sind. Ich kann mir das als utopische Infrastrukturerschließung vorstellen. Im Winter ist die Anreise der Gäste das größte Problem. Vor Ort sind wir mit den kostenlosen Skibussen gut aufgestellt. Im Sommer müssen wir noch daran arbeiten, dass wir unsere Gäste einfacher zu den Ausgangspunkten bringen können.
SN: Und wie gehen Sie mit den Tagestouristen um?
Wir haben da ein Problem. Besonders im Winter sind es viele Skitourengeher, die Parkplätze nutzen. Die kommen teils nur zu zweit im Auto. Das müssen wir in den Griff bekommen. Das Nämliche gilt für den Sommer. Nach Hüttschlag, ins Bergsteigerdorf, reisen aber immerhin schon rund 20 Prozent der Gäste mit öffentlichen Verkehrsmitteln an.
SN: Am Talbeginn bietet es sich doch an, dass – wie in Venedig – Eintrittsgelder verlangt werden?
Das wird die Aufgabe der neuen Gemeindevertretung sein, das auch einmal umzusetzen. Der Tourismus wünscht sich das. Es braucht Regelungen, damit Gäste, die nicht vor Ort nächtigen, für die Infrastruktur ein bisschen zur Kasse gebeten werden.
SN: Soll auch die Ortstaxe erhöht werden?
Wenn diese bei den Tourismusbetrieben bleibt, soll uns das recht sein. Es trifft dann aber wieder die Nächtigungsgäste und nicht jene Nutznießer unseres Tals, die tageweise kommen.