Kinder im Fokus der Armutsbekämpfung
Die Zahl der Armutsgefährdeten ist stabil geblieben, zugleich sahen sich im Vorjahr mehr Menschen von extremer Armut betroffen.
Die gute Nachricht: Die Zahl der armutsgefährdeten Menschen ist im vorigen Jahr trotz Inflation und Energiekrise im Vergleich zu 2022 nahezu unverändert geblieben (2023: 17,7 Prozent der Bevölkerung, 2022: 17,5 Prozent). Die weniger gute Nachricht: Innerhalb dieser Gruppe ist der Anteil jener, die als erheblich materiell und sozial benachteiligt eingestuft werden, signifikant gestiegen. Das hat die jährliche Befragung von 6000 Privathaushalten durch die Statistik Austria ergeben. Die Befragung fand dabei zwischen März und August 2023 statt – also unmittelbar nachdem die Inflation ihren Höhepunkt erreicht hatte.
Konkret gaben 2023 336.000 Personen in Österreich an, sich die Ausgaben des täglichen Lebens, die nach EU-Definition als Mindestlebensstandard gelten, nicht leisten zu können. Das sind um 135.000 mehr als 2022 (2,3 Prozent der Bevölkerung in Privathaushalten oder 201.000 Personen). Als erheblich materiell und sozial benachteiligt eingestuft wird, wer sich laut eigener Angabe sieben von 13 EU-definierten Dingen des täglichen Lebens nicht leisten kann (absolutes Armutsmaß). Das reicht von der Annahme, dass man eine unerwartete Ausgabe in der Höhe von 1370 Euro ebenso wenig stemmen kann wie einen Urlaub pro Jahr, bis dahin, dass das Geld nicht reicht, um die Wohnung angemessen zu heizen. Die Anzahl der Kinder und Jugendlichen, die sich in einer derartigen Lage befinden, hat sich im Vergleich sogar verdoppelt: Im Vorjahr waren es 88.000, 2022 36.000. Wobei Familien mit nur einem Elternteil oder
jene mit drei und mehr Kindern ungleich stärker benachteiligt waren.
„Insbesondere die hohe Inflation hat die Situation verschärft“, sagte dazu am Donnerstag Sozialminister Johannes Rauch (Grüne). „Wir haben darauf aber entschlossen reagiert und im vergangenen Jahr unter anderem das Paket gegen Kinderarmut beschlossen.“Das war im September des Vorjahres, also nach der Befragung. Laut Rauch müsse die nächste Regierung jedenfalls weitere Reformschritte gegen Kinderarmut setzen, allen voran in Form einer Kindergrundsicherung.
Von Hilfsorganisationen und Politik wurde am Donnerstag erneut eine ganze Reihe von Forderungen laut: Das Rote Kreuz etwa sprach sich für mehr Unterstützung für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen aus, die Diakonie für eine Reform der Sozialhilfe. Die Volkshilfe wie auch die Bundesjugendvertretung sehen ebenso wie Rauch die Einführung einer Kindergrundsicherung als Gebot der Stunde. Für die FPÖ sind die aktuellen Armutszahlen eine „Schande“.
Dass die Zahl derer, die grundsätzlich als armutsgefährdet gelten, stabil geblieben ist, belegt dabei auch die Wirkung des heimischen Sozialsystems sowie der diversen Teuerungspakete der vergangenen Jahre. Als armutsgefährdet gelten in der EU jene Personen, deren Nettohaushaltseinkommen unter 60% des Medians des Landes liegt. Das waren in Österreich 2023 1572 Euro für Alleinlebende, 786 Euro für jeden weiteren im Haushalt lebenden Erwachsenen und 472 Euro pro Monat für jedes Kind unter 14.
„Wir haben entschlossen reagiert.“