Wenn es an den Flanken schmerzt
Harnsteine sind nicht immer ein Notfall. Welche Symptome allerdings ernst zu nehmen sind und was sich gegen die Steine tun lässt.
Etwa sechs Prozent aller Österreicherinnen und Österreicher entwickeln im Laufe ihres Lebens Harnsteine, auch bekannt als Nierensteine, die in weiterer Folge auch in die Blase und Harnleiter gelangen können. Julian Veser, Leiter der Steinambulanz und Urologe an der Medizinischen Universität Wien, berichtet, wie es zu den Steinen kommt, wie sie sich bemerkbar machen und was man gegen sie tun kann.
SN: Wie kommt es zur Entstehung von Harnsteinen?
Es handelt sich zumeist um Harnkristalle, die sich akkumulieren und immer größer werden. Der häufigste Nierenstein in unseren Breitengraden ist jener aus Kalzium-Oxalat. Diese Kristalle hat jeder Mensch in seinem Körper, aber bestimmte Faktoren begünstigen, dass sich das zu Steinen zusammensammelt. Weitere Steine sind jene aus Harnsäure, Kalziumphosphat, Zystinsteine, Infektsteine bei Patientinnen und Patienten mit chronischen Erkrankungen und ein paar weitere selten vorkommende.
SN: Welche Faktoren begünstigen die Entstehung von Nierensteinen?
Meist kommen mehrere Faktoren zusammen: Eine unausgewogene Ernährung, Übergewicht, zu wenig trinken und Immobilität, Bettlägrigkeit sind Risikofaktoren für Nierensteine. Auch chronische Infektionen und verschiedene Erkrankungen können zu Nierensteinen führen, zum Beispiel das Kurzdarmsyndrom, Morbus Crohn oder hormonelle Erkrankungen, die die Schilddrüse betreffen. Genetische Faktoren spielen ebenfalls eine Rolle.
SN: Woran lässt sich erkennen, dass man möglicherweise Harnsteine in sich trägt?
Viele Menschen bemerken die Steine selten bis gar nicht. Ein typisches Anzeichen ist Blut im Harn, da sollte man auf alle Fälle eine Urologin oder einen Urologen aufsuchen, um die Ursache herauszufinden. Schmerzen im Bereich der Flanken sind ebenfalls typisch, das ist ein Zeichen, dass der Harnabfluss durch den Stein gehindert wird. Wenn der Stein den sehr zarten Harnleiter blockiert, fließt der Harn von der Niere nicht ab und löst dort eine
Kolik aus. Die Menschen kommen dann meistens mit der Rettung ins Krankenhaus, weil sie bei dieser Blockade starke Schmerzen empfinden.
SN: Wie können die Harnsteine dann behandelt werden?
Wenn der Stein klein genug ist, kann er mit dem Harn abgehen. Da hilft es, viel zu trinken. Teilweise lässt sich das auch mit Medikamenten unterstützen, die helfen, den Harnleiter zu entspannen, sodass der Stein einfach durchrutschen kann.
Schmerzmittel können dabei ebenfalls hilfreich sein, um Verkrampfungen zu lösen und die Schmerzen beim Abgang zu reduzieren. Wenn der Stein zu groß wird und die Schmerzen nicht weggehen, gibt es die Möglichkeit, den Stein mittels Ultraschall und Röntgenstrahlung zu lokalisieren und infolge mit einer Stoßwellentherapie zu zerkleinern. Das hat zum Ziel, dass die verkleinerten Fragmente, so wie gerade geschildert, mit dem Harn abwandern können. Wenn auch das nicht funktioniert, weil der Stein selbst dafür zu groß ist oder die Patientin oder der Patient nicht darauf warten möchte, bis die Fragmente abgehen, gibt es auch eine minimalinvasive operative Möglichkeit. Während einer kurzen Narkose fahren wir mit einer dünnen Kamera über den Weg der Harnröhre, der Blase und des Harnleiters bis hinauf zur Niere, zerkleinern den Stein dort, zumeist mit einem Laser, und entfernen die einzelnen Fragmente im Anschluss aktiv. Die letzte mögliche Therapieform ist die perkutane Steinsanierung, bei der die Haut im Bereich der Nieren
anpunktiert wird und größere Steine von außen herausgeholt werden. Harnsteine sind kein großes Problem, es ist eine heilbare Erkrankung, wenn man sich bei Schmerzen rechtzeitig helfen und die Symptome abklären lässt.
„Die Ernährung und ausreichend zu trinken spielen eine Rolle.“Julian Veser, Urologe
SN: Was kann im schlimmsten Fall passieren?
Es kann zu einer Blutvergiftung durch infizierten Harn kommen oder zu einem bleibenden Nierenschaden bei länger bestehendem Abflusshindernis. Beschwerden sollten demnach nicht ignoriert werden, denn wenn adäquat therapiert wird, bleiben in der Regel keine langfristigen Schäden für die Patientinnen und Patienten.
SN: Wie ist das Geschlechterverhältnis bei der Erkrankung?
Es betrifft mehr Männer als Frauen. Das hängt wohl mit den Lebensstilfaktoren zusammen, die Harnsteine begünstigen. Frauen leben im Schnitt gesünder, nehmen mehr Flüssigkeit zu sich und ernähren sich gesünder.