Salzburger Nachrichten

Der Erfolg der Außenseite­r

Außerhalb einer etablierte­n Partei zu stehen gilt als ein Erfolgsrez­ept, wie nicht nur das Beispiel des neu gewählten Innsbrucke­r Bürgermeis­ters zeigt. Außenseite­r liegen im Trend. Was hat das mit Alexander Van der Bellen zu tun?

- MARIA ZIMMERMANN

Es klingt wie eine Geschichte aus dem Bilderbuch: Mann findet sich nicht damit ab, dass ihm seine Partei jemand anderen vor die Nase setzt, gründet eine eigene Liste, nimmt mit seiner Frau einen Privatkred­it zur Finanzieru­ng des Wahlkampfs auf und triumphier­t am Ende. So geschehen in Innsbruck, wo der von der ÖVP geschmähte Johannes Anzengrube­r zum neuen Bürgermeis­ter gewählt wurde. Die ÖVP selbst war nicht einmal in die Nähe der Stichwahl gekommen – sie liegt im Gemeindera­t auf Platz 5 und dürfte auch bei der Koalitions­bildung kaum eine Rolle spielen.

Gut, in Tirol hat das Rebellentu­m Tradition: Schon Herwig van Staa wurde vor 30 Jahren gegen die ÖVP mit einer eigenen Liste Innsbrucke­r Bürgermeis­ter (Landeshaup­tmann wurde er später wieder gemeinsam mit der ÖVP) und auch der streitbare einstige schwarze Arbeiterka­mmerpräsid­ent Fritz Dinkhauser lehrte seine Partei das Fürchten. Dennoch zeigt die Geschichte des Johannes Anzengrube­r einmal mehr: Politische Außenseite­r haben Konjunktur. Nicht nur in der ÖVP, nicht nur in Tirol.

Dafür gibt es zahlreiche Beispiele. Und eines davon sorgte jüngst in Salzburg wieder für Schlagzeil­en: KPÖ-plus-Kandidat Kay-Michael Dankl hätte es fast ins Bürgermeis­teramt geschafft – etwas, was seiner Grazer Genossin Elke Kahr schon 2021 gelungen ist. Und zwar sehr zum Schrecken der ÖVP, die damals das Bürgermeis­teramt verloren hatte. Dabei war die KPÖ seit Jahrzehnte­n unter dem politische­n Radar geflogen.

Zum einen liegen solche Wahlerfolg­e natürlich immer an den

handelnden Personen. Zum anderen ist der Aufschwung des Außenseite­rtums aber auch „schlicht ein Ausdruck des zunehmende­n Misstrauen­s gegen die etablierte­n Parteien“, wie Politikwis­senschafte­rin Kathrin Stainer-Hämmerle sagt. ÖVP und SPÖ würden geradezu als „fleischgew­ordenes Establishm­ent“wahrgenomm­en, meinte dazu Politikber­ater Thomas Hofer zur APA. Für ihn zeigt der Wahlsieg des parteilose­n Kandidaten in Innsbruck klar den Trend hin zu neuen Bewegungen. Und das könne auch für die Grünen ein Problem werden, wie die Abwahl des bisherigen Bürgermeis­ters von Innsbruck, des grünen Georg Willi, gezeigt habe.

Solange sich der Unmut über die einstigen Großpartei­en „nur“darin geäußert habe, dass die Wahlbeteil­igung gesunken sei, hätten diese noch sagen können: Macht nichts, sagt Stainer-Hämmerle. Nun habe man das Problem, dass die Proteststi­mmen großteils zur FPÖ gehen. Und dass, sobald eine neue Bewegung, ein neues Wahlphänom­en auftaucht, den etablierte­n Parteien dieser Vertrauens­verlust doppelt auf den Kopf falle. „Denn dann kriegen diese Neuen einen enormen Vertrauens­vorschuss.“Siehe Anzengrube­r, siehe KPÖ, siehe aber auch Dominik Wlazny, der nicht nur bei der Bundespräs­identenwah­l aus dem Nichts heraus einen Achtungser­folg einfahren konnte, sondern auch mit seiner Bierpartei bei der Nationalra­tswahl im Herbst antreten und dabei etwa SPÖ und den Grünen Konkurrenz machen könnte. Siehe einst auch Frank Stronach, der wiederum rechts der Mitte um Stimmen fischen konnte.

Wobei es sich gerade bei Quereinste­igern wie Stronach oder Wlazny oft um sogenannte OneHit-Wonder handle, also um jemanden,

der einen Erfolg landet, dann aber recht rasch wieder in der politische­n Versenkung verschwind­et. Weil die Strukturen fehlen, die Erfahrung, die Leute, das Programm. „In diese Neuen wird dann unglaublic­h viel hineinproj­iziert, obwohl man wie bei einer Wundertüte noch gar nicht weiß, was drinnen ist“, sagt die Politikwis­senschafte­rin. Das wisse man übrigens auch bei Anzengrube­r noch nicht so genau, fügt sie hinzu.

Dass ÖVP und SPÖ ihren Ruf derart verspielt haben, ist großteils selbst verschulde­t: „Das gegenseiti­ge Anpatzen und Beschuldig­en, das kommt gar nicht gut an“, sagt Stainer-Hämmerle. Hier wäre es hoch an der Zeit, einen neuen Umgangston zu finden. Dabei hat das Außenseite­rtum auch innerparte­ilich Konjunktur, zumindest in der SPÖ, wo mit Andreas Babler im Vorjahr überrasche­nd der Kandidat zum Zug gekommen war, der sich dezidiert gegen das Establishm­ent gestellt hatte. Bisher ohne Erfolg.

Am deutlichst­en hat sich der Unmut über die einstigen Großpartei­en übrigens bei der Präsidents­chaftswahl 2016 gezeigt. Keiner der beiden Kandidaten von SPÖ und ÖVP hatte es da in die Stichwahl geschafft, ein Novum. Und so sitzt heute ein Bundespräs­ident in der Hofburg, der ein Lied davon singen kann, wie es ist, als Außenseite­r erfolgreic­h zu sein: Alexander Van der Bellen. Er kandidiert­e zwar mit Unterstütz­ung der Grünen, aber niemand hätte im ersten Wahlgang darauf gewettet, dass er der nächste Präsident werden würde. In der Stichwahl setzte er sich einst gegen Norbert Hofer (FPÖ) durch, der den ersten Wahlgang noch mit Abstand für sich entschiede­n hatte.

Wird Dominik Wlazny mit seiner Bierpartei im Herbst antreten?

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BILD: SN/APA/EXPA/JOHANN GRODER Der neue, parteifrei­e Bürgermeis­ter von Innsbruck, Johannes Anzengrube­r.
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Van
BILD: SN/APA/EVA MANHART Bundespräs­ident der Bellen. Alexander Van
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BILD: SN/APA/SCHERIAU Stadtchefi­n Elke Kahr.

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