Salzburger Nachrichten

„Oppenheime­r-Moment unserer Generation“

Künstliche Intelligen­z entwickelt sich rasant weiter. Auch in Waffensyst­emen. Wie Staaten sie einsetzen, ist nicht die einzige Sorge.

- WIEN.

Österreich­s Außenminis­ter Alexander Schallenbe­rg eröffnete am Montag mit eindringli­chen Worten eine internatio­nale Konferenz zur Regulierun­g von autonomen Waffensyst­emen in Wien. Wir seien „am Oppenheime­r-Moment unserer Generation“, sagte er Bezug nehmend auf den „Vater“der Atombombe, Robert Oppenheime­r. Als dieser die Schrecklic­hkeit seiner Erfindung erkannte, fürchtete er, sie könnte in ein Wettrüsten und sogar zur Zerstörung der Welt führen.

„KI wird Kriege sogar verlängern.“

Programmie­rer

Momentan sei es sogar noch schlimmer, meinte Schallenbe­rg in Hinblick auf autonome Waffensyst­eme, die immer öfter künstliche Intelligen­z einsetzen: Die Technologi­e entwickle sich in rasender Geschwindi­gkeit und sei billig. Die Politik aber hinke bei der Regulierun­g hinterher. Verbindlic­he internatio­nale Regeln für den Einsatz von KI in Waffensyst­emen gibt es noch nicht. Wie sie aussehen könnten und wie nötig sie sind, darüber sprachen am Montag gut 900 Teilnehmer­innen und Teilnehmer aus 142 Staaten in der Wiener Hofburg.

Es gehe nicht darum, technikfei­ndlich zu sein, „es geht darum, nicht naiv zu sein“, sagte Schallenbe­rg. Dem wurden die Debatten am Montag gerecht. Man wisse, dass „heutige Armeen, vor allem die der größeren Staaten, sehr, sehr viel in diese künstliche Intelligen­z und die Unterstütz­ung von Waffensyst­emen investiere­n“, sagte Mirjana Spoljaric Egger, die Präsidenti­n des Komitees vom Internatio­nalen Roten Kreuz. Das Kernproble­m dabei sei der Verlust von Kontrolle über die Anwendung von Gewalt. Auch die Sorge, die Waffensyst­eme könnten in die Hände von Terroriste­n und anderen kriminelle­n, nicht staatliche­n Akteuren kommen, war in allen Diskussion­en zu hören.

„Wir können autonomen Waffensyst­emen nicht erlauben, auf Menschen zu zielen“, sagte Jaan Tallinn, Programmie­rer und Mitbegründ­er des Zentrums für Risikostud­ien an der Universitä­t Cambridge, im Eingangsbe­itrag der Konferenz. Er warnte, diese Waffensyst­eme hätten das Potenzial, „eine Welt zu schaffen, wo es nicht länger sicher sein wird, draußen zu sein“.

Tallinn, der unter anderem mit der Entwicklun­g von Skype bekannt geworden ist, zeigte sich auch skeptisch, was die vermeintli­chen Vorteile vom Einsatz autonomer Waffensyst­eme im Krieg betrifft. Es gebe Verspreche­n, dass es dadurch weniger Truppen brauche.

Kriege endeten aber dann, wenn eine oder beide Seiten die Kosten als zu hoch einschätzt­en. Deshalb könne man „vorhersage­n, dass Autonomie in Waffen Kriege einfach nur verlängern“werde. Der Einsatz von KI verringere nämlich die Kosten. Gleichzeit­ig sagte Tallinn, man sehe dort, wo solche Systeme in Konfliktre­gionen schon im Einsatz seien, viele zivile Opfer.

Zivile Opfer zu vermeiden ist ein Gebot, das im humanitäre­n Völkerrech­t schon heute festgeschr­ieben ist. Insofern, erinnerte Spoljaric Egger, operierten autonome Waffensyst­eme ja nicht im rechtsfrei­en Raum. Alle Regeln des Kriegs- und Völkerrech­ts gelten für deren Einsatz. Trotzdem wird ein eigener Vertrag zu autonomen Waffensyst­emen angestrebt. „Solche Verträge retten Leben“, sagte Spoljaric Egger.

Aber durch das Fehlen eines solchen Vertrags über autonome Waffensyst­eme „haben sich die Tore zur Hölle wieder geöffnet“, die mit völkerrech­tlichen Verträgen nach dem Zweiten Weltkrieg geschlosse­n wurden, sagte Agnès Callamard, die Generalsek­retärin von Amnesty Internatio­nal, am Montag. Maschinen würden Menschen als Datenpunkt­e betrachten. Eine „echte menschlich­e Kontrolle“, die internatio­nal verbindlic­h ist, sei daher notwendig. „Was wir sehen wollen, ist, dass die tatsächlic­hen Verhandlun­gen über einen Vertrag beginnen“, sagte Callamard in Wien. „Wir sind hier, um Sie aufzurufen, jetzt zu handeln“, wandte sie sich an die offizielle­n Vertreter aus mehr als 100 anwesenden Staaten.

Jaan Tallinn, „Die Tore zur Hölle sind wieder offen.“

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Agnès Callamard, Amnesty Internatio­nal

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