Das Kino entwickelt Kraft als sozialer Raum
Das 21. Crossing-Europe-Filmfestival präsentiert eine spannende Auswahl aus dem vielseitigen Schaffen von Europas Autorenfilmern.
Nur widerwillig fügt sich die junge Gretchen, gespielt von „Euphoria“-Star Hunter Schafer, in ihr Schicksal: Nach dem gewaltsamen Tod ihrer Mutter muss sie aus den USA zu ihrem Vater ziehen, in ein abgelegenes Ferienressort in Süddeutschland. Dort arbeitet Gretchens Vater, ein Architekt, an einem Luxus-Chalet. Doch der Bauherr, gespielt von Dan Stevens (der fesche Androide aus „Ich bin dein Mensch“) ist ein äußerst seltsamer Typ – und bald verwandelt sich Gretchens Ablehnung in Angst, denn hier im friedlichen Bergesland tummeln sich allerhand finstere und äußerst blutrünstige Gestalten. So beginnt das recht heftige Horrordrama „Cuckoo“, der erst zweite Spielfilm des deutschen Regisseurs Tilman Singer und bereits seine erste US-Produktion. Bei der Berlinale lief „Cuckoo“mit großem Erfolg. Am Dienstag eröffnet der Film das Crossing-Europe-Filmfestival, das sich zum 21. Mal dem europäischen Autorenkino widmet.
Auch am Eröffnungsabend läuft die Doku „Gerlach“über einen der letzten Ackerbauern in der Amsterdamer Gegend, der sich unerschütterlich, aber mit immer weniger
Hoffnung auf eine bessere Welt gegen die zerstörende Wucht des Kapitalismus wehrt. „Gerlach“ist mit seiner ruhigen, unsentimentalen Kraft und zutiefst bewegenden Bildsprache auch ein wunderbares Beispiel dafür, warum das Festival in Linz der niederländischen Regisseurin Aliona van der Horst ein umfassendes Tribute widmet. Insgesamt sind sechs Filme von ihr zu sehen.
Auch heuer eröffnet das Festival wieder mit vier fast zeitgleich gezeigten Eröffnungsfilmen, einem für jede Hauptschiene: Spielfilm,
Doku, European Panorama Fiction und die sorgsam kuratierte Jugendfilm-Schiene YAAAS!.
Schon allein deshalb ist der Crossing-Europe-Eröffnungsabend immer ein besonderes Ereignis, denn wenn sich nach den Vorstellungen das Publikum von vier völlig unterschiedlichen Filmen im Hof des Festivalzentrums zum Feiern trifft, entsteht spannender Austausch. Natürlich ganz im Sinne der Festivalleiterinnen Sabine Gebetsroither und Katharina Riedler, die ihre Erwartung an die 21. Ausgabe von Crossing Europe so formulieren: „Wir sind überzeugt von der Kraft des Kinos als eines sozialen Raums – mit der diesjährigen Filmauswahl möchten wir die Neugier auf Europa aufs Neue wecken, dabei unterschiedliche Facetten des Zusammenlebens aufzeigen, der Vielstimmigkeit des europäischen Films Raum geben und Austausch mit Filmkreativen vor Ort ermöglichen.“
In Summe laufen bei der diesjährigen Ausgabe des Festivals 144 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme aus 41 Ländern.
Darunter finden sich Juwelen wie die georgische Liebestragikomödie „Amsel im Brombeerstrauch“, die kurz nach der Premiere auch landesweit im Kino startet, oder Lidia Dudas „Wald“, der in der gleichen Gegend und Zeit spielt wie der mehrfach ausgezeichnete „Green Border“von Agnieszka Holland – noch ein beklemmender, wahrhaftiger Blick auf die grüne Grenze zwischen Polen und Belarus.
144 Filme aus ganz Europa werden in Linz gezeigt
Filmfestival: „Crossing Europe“, Linz, 30. 4.–5. 5. 2024. Programm: www.crossingeurope.at