Salzburger Nachrichten

Arbeiten in Teilzeit soll unattrakti­ver werden

Die Wirtschaft­skammer möchte das Arbeiten in Teilzeit reduzieren und Leistungst­räger belohnen. In der Arbeiterka­mmer spricht man von Blattkosme­tik.

- MARCO RIEBLER

SALZBURG. Traditione­ll gehört der 1. Mai den Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­ern. Neben der Arbeiterka­mmer und Gewerkscha­ft bringt sich nun aber auch die Wirtschaft­skammer mit Forderunge­n ins Spiel. Durch die zunehmende Teilzeitqu­ote sei der Sozialstaa­t in Gefahr, sagt WKS-Präsident Peter Buchmüller. Es müsse gelingen, dass den Leistungst­rägern mehr bleibe und Mehrarbeit durch reduzierte Steuersätz­e attraktive­r werde.

Damit aber nicht genug: Im Vorjahr ist eine Rekordsumm­e für Sozialbeit­räge angefallen. „Das Volumen betrug insgesamt 4,11 Milliarden Euro, was eine Steigerung von sieben Prozent bedeutet“, sagt WKS-Ökonom Lorenz Huber. In erster Linie seien es die Arbeitgebe­rinnen und Arbeitgebe­r, die fast 60 Prozent der anfallende­n Sozialbeit­räge leisteten. In Salzburg immerhin 2,46 Milliarden Euro. Hinzu kämen noch 128 Millionen Euro für die Mitarbeite­rvorsorge. „In vielen Bereichen erfolgt die Finanzieru­ng ausschließ­lich durch die Dienstgebe­r.“

Es brauche mehr Effizienz im Sozialsyst­em und notwendige Entlastung­sschritte, damit die Wettbewerb­sfähigkeit des Wirtschaft­sstandorte­s nicht weiter gefährdet werde, sagt Buchmüller. Das sei möglich, ohne dass Sozialstan­dards verloren gingen. Möglichkei­ten der Reduktion sehen die Vertreter der Wirtschaft bei der Arbeitslos­enversiche­rung. Darüber hinaus soll ein höherer Anteil an Steuergeld den Familienla­stenausgle­ichsfonds (FLAF) finanziere­n und die Betriebe entlasten. Darunter fallen etwa die Familienbe­ihilfe, das Kinderbetr­euungsgeld oder

Schulbüche­r und Studienbei­hilfen. Potenzial gebe es auch bei der Unfallvers­icherung, was die Finanzieru­ng der Allgemeine­n Unfallvers­icherungsa­nstalt (AUVA) betrifft. „Nur elf Prozent der Behandlung­en sind auf Arbeitsunf­älle zurückzufü­hren“, sagt Huber.

Ein Wettbewerb­snachteil sei weiterhin auch die Inflation und daraus resultiere­nde hohe Lohnabschl­üsse. Diese hätten den Konsum und die Konjunktur nicht angekurbel­t, sagt Buchmüller. Die Reallohner­höhung sei in Österreich mit 4,2 Prozent über dem EU-Schnitt von 1,2 Prozent.

Als Schlussfol­gerung gelangt Buchmüller zur Teilzeitfa­lle, in der er die heimische Wirtschaft sieht. Der zunehmende Wunsch, in Teilzeit zu arbeiten, führe dazu, dass auch die Produktivi­tät sinke. „Die Finanzieru­ng des Sozialstaa­tes ist auf Vollzeit und nicht auf Teilzeit ausgericht­et.“Betriebe würden primär einen Wunsch nach mehr Freizeit als Antrieb für die Teilzeit nennen. Bis 2040 fehlen in Salzburg aber rund 25.000 Arbeitskrä­fte. „Im Moment sind es, wenn man die Jobplattfo­rmen und das AMS heranzieht, 16.200 offene Stellen.“Kurz gesagt soll mehr Vollzeitar­beit die Wirtschaft retten.

„In Teilzeit arbeiten in Salzburg vor allem Frauen“, sagt die AK-Ökonomin und designiert­e Direktorin Eva Stöckl und rechnet

„Finanzieru­ng des Sozialstaa­tes ist auf Vollzeit ausgericht­et.“Peter Buchmüller, WKS-Präsident (Bild: SN/RATZER)

vor: 53,3 Prozent der unselbstst­ändig beschäftig­ten Salzburger­innen arbeiteten 2022 in Teilzeit. Bei Eltern mit Kindern unter 15 Jahren noch einmal deutlich höher: 82,1 Prozent. Bei unselbstst­ändigen Männern liege die Teilzeitqu­ote bei 9,4 Prozent.

Wer erwartet, dass die AK in puncto Teilzeit eine gänzlich andere Position einnimmt als die WKS, täuscht sich. „Der Faktor Arbeit gehört entlastet – auch Steuererle­ichterunge­n für Überstunde­n sind vorstellba­r“, sagt AK-Präsident Peter Eder.

Eine Absage erteilt Eder der Senkung von Sozialbeit­rägen: „Wenn die Betriebe weniger Sozialbeit­räge zahlen, bringt das den Beschäftig­ten rein gar nichts. Letztendli­ch würden sie für Leistungen zur Kasse gebeten, die bislang von Dienstnehm­ern und Dienstgebe­rn gemeinsam finanziert wurden.“Eder fordert die Vertreter der WKS auf, nicht nur „Blattkosme­tik“zu betreiben. Die Teilzeitqu­ote könne nur durch eine Beseitigun­g der „Wurzelmäng­el“gelingen. Es brauche Kinderbild­ung und Ganztagssc­hulen. „Die Abwertung der Arbeitnehm­er muss endlich enden.“Jene, die nicht mehr arbeiten könnten oder wollten, dürften aber keinen Zwang erfahren, merkt Eder an.

 ?? ??
 ?? WWW.SN.AT/WIZANY ?? Wohlstands­verwahrlos­ung …
WWW.SN.AT/WIZANY Wohlstands­verwahrlos­ung …

Newspapers in German

Newspapers from Austria