Und was ist mit den Männern?
Was wahre Unabhängigkeit bedeuten könnte.
Ich hatte in letzter Zeit viele Interviews, und eine kleine Szene geht mir nicht aus dem Kopf. Generell werde ich jedes Mal nach den Männern gefragt: Wie geht es ihnen mit deinem Buch, wie reagieren sie darauf, wie kannst du dafür sorgen, dass sie sich mit den Themen wohlfühlen, halten sie es aus, dass der Fokus auf den Frauen liegt, werden sie wütend?
Da wir als Gesellschaft an den Männern und ihren Befindlichkeiten ausgerichtet sind, erscheinen diese Fragen naheliegend, umgekehrt wird ein Autor freilich nicht gefragt, ob die Leserinnen sich an seinem männlichen Protagonisten stören. In jener speziellen Situation, an die ich seither denken muss, ist Folgendes geschehen: „Mein männlicher Kollege fühlt sich von deiner Kolumne nicht abgeholt“, hat die Interviewerin gesagt, „und von deinen Büchern auch nicht.“Dann hat sie mich fragend angeschaut. Und erwartet, dass ich mich dazu verhalte.
Männliche Validierung ist in unserer Welt ein ausschlaggebendes Kriterium: Sie ist das, was ich wollen soll. Und sie bemisst – vor allem auch, wenn sie ausbleibt – den Wert von Büchern, Filmen, Kunstwerken und so weiter. Wenn nämlich vorwiegend Frauen etwas gut finden, ist es automatisch ein Frauending, und schon schwingt eine gewisse Abwertung mit – das zeigt sich beispielsweise an der Fangemeinde von Taylor Swift. „Er ist sehr feministisch“, hat die Interviewerin hinzugefügt, „er lebt total gleichberechtigt mit seiner Partnerin.“
Mir liegt es fern, zu beurteilen, wie feministisch dieser Mann ist, den ich nicht kenne, aber wenn er ihr mitteilt, dass meine Kolumne ihn nicht abholt, wenn er denkt, dass das etwas ist, das die Fallwickl doch interessieren muss, so sehr, dass es für eine ganze Interviewfrage reicht, frage ich mich durchaus, ob er sich der Dynamik hinter seinem Verhalten bewusst ist. Und wieso er davor zurückscheut, sich näher anzuschauen, woher seine Abwehrhaltung kommt.
Tatsache ist: Frauen fühlen sich mit meinen Romanen und Kolumnen auch nicht wohl. Aber diese Themen sind nun mal unsere Lebensrealität, wir können ihnen nicht entkommen. Die Beschäftigung damit kann und darf unabhängig von männlicher Anerkennung stattfinden.
Was wir kreieren, muss nicht erst von Männern bestätigt werden, um einen Wert zu haben.