Der Datensammler
Was tun Österreichs Gemeinden für den Klimaschutz? Der Salzburger Norbert Porsche-Ully sammelt Antworten auf diese Frage.
igentlich begann alles mit seiner Tochter. Die Schülerin ging vor fünf Jahren auf Demonstrationen der Fridays for Future in Salzburg, ließ dafür auch Unterricht ausfallen. „Weiß dein Vater davon?“, habe der Schuldirektor damals gefragt. Und die Tochter: „Ja, der kommt mit.“
Norbert Porsche-Ully, 60 Jahre alt, ITExperte in Salzburg, wirkt auf den ersten Blick nicht wie der klassische Fridays-forFuture-Demonstrant. Aber die jungen Menschen und ihr Engagement hätten ihn inspiriert, sagt er. Und ihn dazu gebracht, sich Fragen zu stellen: Wo steht Österreich in Sachen Klimapolitik? Und was tun die Gemeinden dafür?
Die erste Frage war noch leichter zu beantworten, kurz gefasst: Österreich steht im internationalen Vergleich nicht gut da. Nach Daten des Klima-Dashboards ist das österreichische Treibhausgasbudget schon in wenigen Jahren aufgebraucht. Und was tun Österreichs Gemeinden? Bei der zweiten Frage stand der Informatiker bald an. „Bei meinen Recherchen habe ich ziemlich schnell festgestellt: Es gibt keine öffentlich verfügbare Übersicht der Klimaaktivitäten.“Porsche-Ully beschloss, das zu ändern. Und zwar auf die Art, die ihm am nächsten ist: mit Daten.
Er sammelte alle Informationen, die er zu den Klimaaktivitäten von Gemeinden finden konnte – Teilnahme an Programmen wie e5, KEM, KLAR!, Klima- & Energiestrategien, Ziele zur Klimaneutralität. „Oftmals ist es schwer, allein durch den Internetauftritt herauszufinden, ob eine Gemeinde etwas für Klimaschutz tut“, erzählt er. Porsche-Ully schrieb alle 2093 Gemeinden in Österreich an, um ihnen die Möglichkeit zu geben, die erhobenen Daten zu prüfen und Rückmeldungen zu geben.
Der Informatiker merkte: In Österreich gibt es grundsätzliche Probleme, die eine Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen erschweren. Das liegt schon allein an der Größe der Gemeinden. „Österreich ist sehr kleinteilig“, sagt er und zeigt auf eine von ihm erstellte Karte: 2093 Gemeinden gibt es. Zwei Drittel der Österreicherinnen und Österreicher leben in 2083 Gemeinden – die meisten davon haben weniger als 10.000 Einwohner. Und das andere Drittel der Bevölkerung lebt in nur zehn Gemeinden. „Es gibt also massive Unterschiede.“Auf der einen Seite stehen große Gemeinden, wie Wals-Siezenheim mit mehr als 13.000 Einwohnern. Auf der anderen Seite gibt es gerade in Nieder- und Oberösterreich viele flächen- und auch einwohnermäßige Zwerge.
Was das für das Klima bedeutet? Viele der Gemeinden haben nicht ausreichend personelle Ressourcen, um sich den Klimafragen zu widmen. „Oftmals gibt es nur einen Gemeindemitarbeiter, eine Gemeindemitarbeiterin, die mit dieser großen Aufgabe befasst ist.“Doch gerade in den Gemeinden könnte viel für Klimaschutz getan werden, meint er.
Mit seinem Projekt clax – kurz für „community climate ambition index“– will Porsche-Ully eine frei zugängliche Übersicht der klimapolitischen Aktivitäten der Gemeinden schaffen und zugleich – soweit es möglich ist – diese bewerten. Schon jetzt gibt es auf der Internetseite unsereklimapolitik.at Statistiken, Diagramme und Übersichtskarten, die die Klimamaßnahmen in den Gemeinden darstellen. Aber es ist „Work in Progress“. Porsche-Ully erfasst immer neue Daten und wertet sie aus.
Die fehlende Sichtbarkeit von Klimapolitik hat der Informatiker am Beispiel des Landes Salzburg visualisiert. Er hat sich angeschaut, wie schnell man auf jeder Gemeinde-Homepage auf eine Seite kommt, die über die Klimaaktivitäten informiert. Das Ergebnis: viel Rot. Viele Städte und Gemeinden haben keine gesonderte Internetseite zu Klima- oder Umweltschutz. Auch das hänge mit den fehlenden Ressourcen zusammen. Denn einige der Gemeinden sind Teil von Klimaschutzprogrammen – „aber sie informieren nicht darüber“, sagt der Salzburger.
Es fehle schlicht die Transparenz, welche Gemeinden was leisten – oder auch nicht. Aber was würde die überhaupt bringen? „Es geht mir hier nicht um Gemeinde-Bashing, sondern darum, in der Politik und bei Bürgerinnen und Bürgern ein Bewusstsein für dringend notwendige Klimaschutzmaßnahmen zu schaffen“, betont der Salzburger. „Bürger haben eine emotional stärkere Bindung zu Gemeinden als zum Land oder zum Bund“, sagt Porsche-Ully. Klimapolitik sei auf dieser Ebene einfacher greifbar und leichter verständlich.
Die Voraussetzung dafür ist aber wiederum, dass das, was die Gemeinden schon tun oder noch nicht tun, sichtbar wird. Und: „Es braucht Vorbilder in Sachen Klimaschutz“, sagt Porsche-Ully. So wie St. Johann in Tirol zum Beispiel: Die Gemeinde mit etwas mehr als 9000 Einwohnerinnen und Einwohnern engagiert sich schon seit Jahrzehnten für den Klimaschutz – und macht das auch sichtbar. So verfügt
St. Johann in Tirol seit 2007 über das größte Fernwärmenetz Tirols und hat 2022 ein Energiemonitoring für alle Liegenschaften der Gemeinde gestartet. Dazu wurden neben autofreien Tagen im Zentrum Begegnungszonen geschaffen, in denen Fußgänger und Fahrradfahrerinnen Vorrang haben.