Auch eine späte Liebe kann glücken
Die Tragikomödie „Amsel im Brombeerstrauch“ist ein Kinojuwel aus Georgien.
Ethéro ist Ende 40, arbeitet in einem Dorfladen irgendwo in Georgien und hat mit ihrem Leben abgeschlossen. Nicht, dass es da so viel abzuschließen gäbe – sie hat keine Familie, keine Abenteuer, und an ihre Träume von früher kann oder will sie sich nicht erinnern. Dann stürzt sie – just beim titelgebenden Brombeerpflücken – fast in den Tod, überlebt unverletzt und ist wie wachgerüttelt. Sie verführt den tapsigen Lieferfahrer Murman, es entwickelt sich eine heiße, sinnliche Affäre – und Ethéro bekommt seit Langem wieder Lust: an Sex, an Liebe wie an selbstbestimmtem Leben.
Georgien ist relativ klein, dünn besiedelt und oft, wie auch jetzt, von politischen und wirtschaftlichen Unruhen gebeutelt. Für seine Kinokultur ist es jedoch international hoch angesehen. Umso erfreulicher ist es, dass in Georgien nach der jüngsten Wirtschaftskrise bemerkenswerte Filme entstehen. Im vorigen Jahr etwa machte der georgische Regisseur Ioseb Bliadze mit dem Coming-of-Age-Drama „A Room of my Own“beim Linzer Crossing-Europe-Filmfestival auf sich aufmerksam. Heuer machte in Linz Elene Naverianis „Amsel im Brombeerstrauch“Furore, der im Vorjahr in Venedig Weltpremiere feierte und mittlerweile auch österreichweit im Kino zu sehen ist.
„Es ist faszinierend, wie sehr es oft die kleinen, spezifischen Details sind, von denen wir uns direkt angesprochen fühlen“, erzählt Naveriani im SN-Interview. „So ging es mir auch, als ich das Buch gelesen habe, das meinem Film zugrunde liegt, auch wenn ich mit der Protagonistin auf den ersten Blick wenig gemeinsam
habe.“Tamta Melaschwilis Roman „Amsel, Amsel, Brombeerbusch“, in Georgien ein Bestseller, erzählt aus der Ich-Perspektive. Naveriani hingegen blickt von außen auf ihre Hauptfigur und macht so ihre in Jahren der Einsamkeit sorgsam verborgene Verletzlichkeit umso drastischer spürbar.
Das liegt auch an der charismatischen Hauptdarstellerin Eka Tschawleischwili, die mit einer Millimeterbewegung ihrer Augenbrauen mehr Gefühl vermittelt als andere während einer ganzen Filmlänge. An der Geschichte sei so wichtig, „dass sie zeigt, dass nicht nur wunderschöne, junge, fitte Menschen erfüllten Sex haben“, sagt Naveriani. „Das sieht man selten im Kino, aber in der wirklichen Welt ist das normal.“Wie die Filmemacherin die Intimität ins Bild setzt, ist auch eine Stärke dieses Films – so nah wir ihnen auch kommen, so deutlich wir ihre angeblichen Unvollkommenheit sehen: Es fühlt sich nie übergriffig an, weder den Figuren noch dem Publikum gegenüber.
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