Dem Bösen auf der Spur
Zielfahnder des Bundeskriminalamts jagen die meistgesuchten Verbrecher der Welt. Auf ihrer Liste stehen Serienkiller, Milliardenbetrüger und Drogenbosse.
Was wäre Ethan
Hunt, der Star aus den „Mission: Impossible“-Filmen, wenn er für das Bundeskriminalamt arbeiten würde? Er wäre Zielfahnder.
Mit dem Unterschied, dass seine Kollegen am Josef-Holaubek-Platz in Wien tunlichst vermeiden, dass alle Welt ihre Namen kennt. Das wäre nämlich schlecht fürs Geschäft, um es etwas flapsig zu formulieren. Entscheidend sind die Namen der Zielfahnder ohnehin nicht.
Wirklich aufregend ist das, was sie tun. Nämlich die meistgesuchten Verbrecher quer über den Erdball so lange zu verfolgen, bis sie sie haben. Johann K., so soll ihr Chef vorerst einmal heißen, ist seit der Gründung der Abteilung im Jahr 2003 dabei. Er sitzt zwar in einem Raum, der unspektakulär anmutet, dafür sind die Einsätze, über die er berichten kann, umso spektakulärer. Er geht dabei freilich nicht ins Detail. Da könnte er ja gleich seinen richtigen Namen nennen. Und seine Wohnadresse samt Handynummer gleich dazu. Mexiko, Venezuela, Russland, Philippinen, Nigeria, Irak, Paraguay, Thailand, Südafrika. Um nur einige Destinationen aufzuzählen, an denen K. und seine Truppe schon vorstellig geworden sind.
Insgesamt stehen 317 Festnahmen zu Buche, davon 157 in Europa, davon wiederum 123 in Österreich. 291 Männer, 26 Frauen. Darunter 66 Mörder, inklusive Serienkiller. Schwerer Raub, organisierte Kriminalität, Betrug in Milliardenhöhe. Solche Leute werden global zur Fahndung ausgeschrieben. Wer als „High Value Target“oder „Most Wanted“gelistet wird, der sollte sich nirgends auf der Welt zu sicher fühlen. „Darunter verstehen wir Gewalttäter mit extrem hoher krimineller Energie“, erklärt K. Hinzu kommen meist auch perfektes Fluchtverhalten, Gesichtsveränderung, falsche Dokumente. Die ganze Palette.
„Wir hatten Leute, die waren 32 Jahre auf der Flucht“, sagt der Chef der Zielfahnder. Die durchschnittliche Ermittlungsdauer betrage allerdings nur 100 Tage. Vieles davon bestehe aus Aktensichten und Befragungen. Verwandte, Bekannte, Kontaktpersonen, Komplizen, ehemalige Zellengenossen. Das sieht dann wieder etwas nach Ethan Hunt aus, wenn sich über eine ganze Wand Dutzende Fotos ausbreiten, die alle mit dünnen Fäden verbunden sind. „Hobbys, Neigungen. Wenn wir das haben, wissen wir schon recht viel.“
Beispiele gefällig? Da wäre etwa ein türkischer Staatsbürger, der sich 2021 wegen Steuerbetrugs von einer Milliarde Dollar im US-Bundesstaat Utah auf der „Most Wanted“-Liste des FBI wiederfand. Acht Tage später war er aufgespürt: Von K. und Kollegen in einem Hotel in Oberösterreich. Oder ein ehemaliger Navy-Seal der US-Marine, der 2018 wegen Verdachts des Kindesmissbrauchs nach Europa geflüchtet war: In Wien lokalisiert und festgenommen, 2019 an die USA ausgeliefert. Oder die Rückholung eines Mitglieds des Westbalkan-Drogenkartells: Der Mann hatte in Serbien einem Kontrahenten fünf Mal in die Brust geschossen. 200 Kilogramm Kokain seien im Spiel gewesen. „Der war extrem gefährlich“, erinnert sich K. In Phuket, wohin er sich auf sein Altenteil hatte zurückziehen wollen, erfolgte die Festnahme.
Dass die Zielfahnder des BK ohne internationale Zusammenarbeit ziemlich aufgeschmissen wären, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt. „Wir waren 2010 im Irak, weil dorthin ein Mann geflohen war, der in Österreich seine Frau umgebracht hatte.“Tatsächlich und unerwartet klappte es mit den örtlichen Behörden, der Gesuchte wurde gefunden und einkassiert. Natürlich gebe es Länder, wo es mit der Kooperation besser, und Länder, wo es weniger gut funktioniere, sagt K. Sind heimische Verbindungsbeamte in dem betreffenden Land, sei schon viel gewonnen.
Rund 100 Einsätze hat Johann K. seit 2003 schon absolviert. „Es ist psychisch und physisch sehr fordernd.“87 Stunden ohne Schlaf brachte er etwa in Mexiko zu. Und da lag er nicht gerade am Strand. „Zielfahndung ist Teamarbeit. Wir sind hartnäckig, zielorientiert und ausdauernd.“Nicht zu vergessen: geduldig. Der wohl berühmteste Flüchtige ist seit bald 30 Jahren unauffindbar: Tibor Foco. Der damals 30-Jährige war wegen Mordes an einer 23-jährigen Prostituierten am 31. März 1987 zu lebenslanger Haft verurteilt worden. 1995 gelang ihm die Flucht. Die Fahndung nach ihm ist weiter aufrecht.
„Internationale Kooperation macht uns stark. Man kennt einander, vertraut sich, trainiert gemeinsam“, sagt Zielfahnder Johann K. 2010 zählte Österreich zu den Gründungsmitgliedern von Enfast, einem Netzwerk aus Zielfahndungsdienststellen. Alle EU-Staaten sind dabei, dazu kommen USA, Großbritannien, Serbien, Albanien, Nordmazedonien, Kosovo, Bosnien-Herzegowina – und Island. „2023 war eines der erfolgreichsten Enfast-Jahre mit 345 Festnahmen“, freut sich K. Über sein Team weiß er nur das Beste zu berichten. Wie viele Zielfahnder es im Bundeskriminalamt gebe? „Zu wenige.“
„Wir hatten Leute, die waren 32 Jahre auf der Flucht.“Johann K., Zielfahnder