Auf dem Weg zum Traumberuf: Medizinstudium im Ausland
Renommierte Universitäten in Bratislava, Budapest oder Prag bieten Medizinstudien auf Deutsch oder Englisch. Das kostet 48.000 bis 109.000 Euro.
er Kärntner Andreas Zehetner und der aus Stuttgart stammende Amandeep Grewal sind ausgebildete Mediziner, die an keinem Krankenbett stehen. Sie haben noch während ihres Studiums in Bratislava ein Start-up gegründet, das jungen Menschen zu ihrem Traumberuf in der Medizin verhelfen soll. Wer die hohen Zugangshürden zum kostenlosen staatlichen Studium in Deutschland und Österreich umgehen will oder muss, kann die Dienste von Futuredoctor in Anspruch nehmen. Die Agentur vermittelt Studienplätze in osteuropäischen EU-Ländern.
Zur Auswahl stehen 18 altehrwürdige oder neuere Universitäten in Tschechien, Ungarn, der Slowakei, Polen, Rumänien, Kroatien, Zypern, Lettland und Litauen, darunter renommierte Fakultäten (Karls-Universität, Comenius, Masaryk, Semmelweis) oder ambitionierte, moderne Kliniken jüngeren Datums. Das Studium wird auf Englisch oder Deutsch angeboten und ist nicht wirklich günstig. Doch die Nachfrage boomt. Futuredoctor hat laut dem Onlineportal brutkasten.at bereits mehr als 700 Studierende aus Deutschland und Österreich vermittelt, der Umsatz sei auf „mehrere Millionen Euro“angewachsen. Zuletzt wurde in Delhi (Indien) ein Standort gegründet, von wo aus ein Medizinstudium in Europa ermöglicht werden soll.
Grundsätzlich wird das Auslandsstudium in Österreich anerkannt. Es kann aber passieren, dass man die Basisausbildung trotz Facharztdiploms nachholen muss.
Peter Grill, Ärztevermittler
Manche machen den MedAt-Test fünf Mal
Trotz Ärztemangels ist der Zugang zum Medizinstudium im deutschsprachigen Raum stark beschränkt. In Deutschland siebt der Numerus clausus aus (Abiturschnitt 1,0, komplizierte Quoten und Wartelisten); in Österreich ist der Aufnahmetest MedAt das Nadelöhr zum Hörsaal. Von 16.000 Interessenten ergatterten zuletzt 10 bis 15 Prozent einen der 1850 Studienplätze in Wien, Graz, Innsbruck und Linz. Da zerplatzen Lebensträume.
Viele Junge bereiteten sich monatelang auf den Test vor, weiß Amandeep Grewal. „Andere treten vier, fünf Mal zum MedAtTest an. Die kommen dann und sagen, sie haben Jahre ihres Lebens vergeudet.“Das Start-up hilft dann bei der Bewerbung im Ausland, dem Papierkram, der Wohnungssuche, der Finanzierung. Das sechsjährige Regelstudium kostet 48.000 bis 109.000 Euro, am günstigsten ist es in Rumänien (Universität Timișoara), am teuersten ist Zahnmedizin auf Englisch in Budapest. An den österreichischen Privatuniversitäten kostet der Doktortitel nach sechs Jahren 120.000 bis 168.000 Euro. Der österreichische Staat gibt laut einem Rechnungshofbericht aus 2021 pro abgeschlossenem Medizinstudium 542.000 Euro aus.
Die Finanzierung sei die größte Herausforderung, sagt Grewal. „Wir haben ganz viele Interessenten aus Ärztefamilien, aber auch aus anderen Schichten. Viele haben die Unterstützung durch die Familie oder die Eltern bürgen für Kredite. Es ist ein Versäumnis der Politik, dass das nicht gefördert wird. Denn die jungen Leute kommen auf den Markt in Österreich zurück. Die wenigsten bleiben in den Ländern des Ostens, weil man dort weniger verdient und die Sprachschwierigkeiten hat.“
Praktika an der Charité Berlin
Auch die 21-jährige Alina Hatvagner aus dem Burgenland verwirklicht über Futuredoctor ihren Kindheitstraum. Sie studiert im sechsten Semester in Bratislava. „Ich wollte Ärztin werden, seit ich drei war.“Auch der Großvater und der große Bruder sind Ärzte. Alina spricht aufgrund eines Auslandssemesters in Australien sehr gut Englisch. Sie habe überlegt, den Aufnahmetest in Österreich zu machen, dann habe es jedoch mit Bratislava geklappt. „Ich bin total happy mit meiner Entscheidung. Das System hier ist sehr gut.“Ihre Wohnung nahe der
Uni kostet 750 Euro, die Eltern finanzieren das Studium. Man verdiene in dem Job ziemlich sicher gutes Geld und könne später den Eltern etwas zurückzahlen. Ihre Zukunft sieht sie in der Pädiatrie oder Neonatologie. Die 21-Jährige hat bereits ein Praktikum in Guatemala gemacht, im Sommer folgt ein Famulaturplatz an der Berliner Charité. Ob sie in Österreich arbeiten will? – Möglich. „Vielleicht gehe ich aber auch ins Ausland.“
Das Burgenland bezahlt seit 2023 österreichweit die besten Facharztgehälter, zu Karrierebeginn locken 140.000 Euro brutto im Jahr. Und dennoch sei es „nach wie vor eine Herausforderung, die Stellen im ärztlichen Bereich zu besetzen“, sagt der Sprecher der Burgenländischen Krankenanstalten GmbH, Leo Szemeliker. „Es ist in den vergangenen Jahren durchaus Usus geworden, dass wir Bewerberinnen und Bewerber mit ausländischem Studiumsabschluss bekommen, aus der EU oder Drittstaaten. Dies betrifft nicht ausschließlich Jungmediziner und ist gängige Praxis.“
„Schikanen bei der Anerkennung“
Der langjährige Personalberater Peter Grill hat sich mit seiner Agentur in Traun auf die Ärztevermittlung spezialisiert. „Ich mache das seit 17 Jahren, ich kenne alle Situationen von der Pike auf.“5 bis 10 Prozent seiner Klientel hätten im Ausland studiert oder gearbeitet. Wer die Heimat – in welche Richtung auch immer – verlasse, müsse sich auf Barrieren gefasst machen. Das mehrfach reformierte österreichische Ausbildungssystem sei extrem kompliziert und mit Schikanen gespickt. Es gehe um alte Standespolitik und Machtinteressen. „Grundsätzlich wird das Studium im Ausland anerkannt. Es kann Ihnen aber passieren, dass Sie das Facharztdiplom aus dem Ausland im Rucksack haben, aber die Basisausbildung in Österreich nachholen müssen. Da kriege ich dann verzweifelte Anrufe. Das ist ein Konstrukt, das gibt es sonst nirgends.“In einem Fall habe ein Mediziner, der fünfeinhalb Jahre an der amerikanischen Mayo-Klinik ausgebildet wurde, in Österreich die Facharztausbildung nachholen müssen. In Summe sollte man bedenken: „Wenn ich in einem anderen Land studiert habe, muss ich flexibler, mobiler sein. Ich muss, wenn ich nach Österreich zurückwill, vielleicht ins Waldviertel gehen oder in ein abgelegenes Tal in Tirol. Dort gibt es vielleicht weniger Fun-Faktor als in einer großen Stadt, wo die jungen Leute in der Regel hinwollen.“