Fünf Euro schrecken keinen Venedig-Besucher ab
Gebühren in Venedig oder auf Capri sollen die Touristenmassen eindämmen. Ein Ablenkungsmanöver.
95 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher wollen heuer im Urlaub verreisen. Am besten ins Ausland, sagen die Befragten einer ÖAMTC-Studie. Kroatien, Italien, Griechenland und Spanien sind die Favoriten. Nur rund 30 Prozent wollen im Land bleiben. Die Menschen begeben sich auf große Achse. Teuerung hin, Krise her.
Overtourism spielt offenbar keine Rolle, solange er nicht bei uns selbst stattfindet. Wir drängen uns an den aufgeheizten Sandstränden der Oberen Adria. Und nach Venedig wollen wir auch. Die neuerdings verlangte Eintrittsgebühr von fünf Euro schreckt uns gewiss nicht ab. Schon ein Espresso auf dem Markusplatz kostet mehr. Die vermeintliche Lenkungsabgabe entpuppt sich bestenfalls als zusätzliche Einnahmequelle für die Stadt. Als Abschreckung für Touristen ist sie ebenso untauglich wie die Erhöhung der Eintrittsgebühr auf Capri von bisher 2,50 auf 5 Euro.
Versuche, mit Gebühren lenkend auf Touristenmassen einzuwirken, sind zum Scheitern verurteilt. Sind sie zu niedrig, wird sich niemand vom Besuch einer sehenswürdigen Stadt abhalten lassen. So wie jetzt in Venedig. Sind die Preise aber schmerzhaft hoch – also sagen wir einmal 50 Euro aufwärts pro Person –, ist das Projekt sozialpolitisch unverträglich. Solche Wucherabgaben würden das Reisen und die
Besichtigung der schönsten Stätten der Erde zu einem Vergnügen für Vermögende machen. Was bleibt, ist Symbolik. Sie soll den Bereisten wie den Reisenden signalisieren: Wir tun etwas. In Wahrheit bleibt alles beim Alten.
Eine weitere Ablenkungsmethode ist die Theorie von der Entzerrung der Touristenströme. Man müsse nur alternative Besichtigungsangebote machen und könne damit an den Hotspots für Entspannung sorgen. Also: Petrochemie in Mestre statt Dogenpalast in Venedig. Oder Salzburg: nicht Getreidegasse, Mozarts Geburtshaus und Festung, sondern die „spannenden“Einfallstraßen und Gewerbeviertel im Norden und Osten. Die Verlagerung bleibt eine Illusion. Menschen, die eigens hierherkommen, wollen das eine und nicht das andere Salzburg sehen.
Wenn also Eintritt und Entzerrung nicht viel helfen, was tun? Digitale Steuerungsmöglichkeiten stärker nutzen, tatsächliche zeitliche Kontingente schaffen, mehr auf Übernachtungsgäste als auf Tagesbesucher setzen, Einheimische in den Tourismus einbeziehen. So können wir mit den Touristen aus aller Welt leben lernen. Vielleicht sind wir schon bald selbst bei ihnen zu Gast.