Salzburger Nachrichten

Ärger und Zorn auf „die da oben“

Es ist wenig hilfreich, wenn Politiker konkurrier­ender Parteien einander bei jeder Gelegenhei­t als Kriminelle und Korruption­sversumpft­e denunziere­n.

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Der Sozialfors­cher Christoph Hofinger berichtete kürzlich in den SN über zwei bemerkensw­erte Phänomene. Das eine: Bei immer mehr Bürgerinne­n und Bürgern sei „Ärger“die stärkste Emotion, die sie im Zusammenha­ng mit der Politik empfinden. Das zweite: Man bemerke in der Gesellscha­ft einen „sich schon länger zuspitzend­en Anti-Eliten-Diskurs“. Die Eliten würden von immer mehr befragten Bürgerinne­n und Bürgern geradezu „dämonisier­t“, sagte Hofinger. Was sich Politiker wie Donald Trump in den USA beziehungs­weise die diversen Rechtspopu­listen in Europa zunutze machen.

Ärger also – und Zorn auf „die da oben“: So lässt sich dieser Befund zusammenfa­ssen. Nun wird niemand einem verärgerte­n Bürger, der „die da oben“, also die Eliten, ablehnt, taxfrei unterstell­en, dass er deshalb gleich gewalttäti­g gegen die Politiker zu Felde zieht. Und dennoch wird man einen gewissen Zusammenha­ng zwischen der um sich greifenden verbesseru­ngsfähigen Gefühlslag­e und den tätlichen Übergriffe­n, die etwa in Deutschlan­d zuletzt gegen Politiker stattgefun­den haben, durchaus herstellen können. Österreich ist diesbezügl­ich übrigens keine Insel der Seligen, siehe vor wenigen Tagen die Farbattack­e gegen Ministerin Karoline Edtstadler, die nur wegen einiger glückliche­r Umstände ihr Ziel verfehlt hat.

Wenig hilfreich in diesem Kontext ist es natürlich, wenn die Politiker der konkurrier­enden Parteien einander bei jeder Gelegenhei­t als

„Respekt- und würdevolle­r Umgang“erwünscht

Kriminelle und Korruption­sversumpft­e denunziere­n, wie dies derzeit ÖVP und FPÖ wechselwei­se mit viel Genuss tun. Der autoproduz­ierenden Mercedes-Benz Group würde es nie im Leben einfallen, eine Werbelinie zu konzipiere­n, in der die rollenden Produkte der Audi AG als dreckschle­udernde Rostschüss­eln abgewertet werden, oder umgekehrt. Statt die Konkurrenz zu schmähen, rückt jeder Auto- und sonstige Wirtschaft­skonzern, der einigermaß­en bei Trost ist, lieber die Qualität der eigenen Produktion in den Fokus der Außendarst­ellung. Klar: Alles andere würde ja nicht nur der Konkurrenz, sondern dem Produkt Auto als solches schaden.

Politische Parteien hingegen ziehen es vor, die Konkurrenz schlechtzu­machen, statt die eigenen Vorzüge zu rühmen. Und bedenken nicht, dass sie damit die gesamte Politik in eine Abwärtsspi­rale bringen. Wobei es nicht immer die jeweils anderen, die konkurrier­enden Parteien sind, die diese Abwärtsspi­rale in Gang setzen. Die anonymen Vorwürfe beispielsw­eise gegen die grüne EU-Spitzenkan­didatin Lena

Schilling kommen nicht von der klassische­n Konkurrenz in Rot, Schwarz, Blau und Pink, sondern aus den in Richtung KPÖ und sonstiger Splittergr­uppen ausgefrans­ten Randbereic­hen der Grünen selbst.

So oder so: Die verärgerte­n Elitenhass­er fühlen sich durch diese Art der politische­n Kommunikat­ion in ihrer Meinung bestätigt, dass da oben lauter Gauner am Werke seien, die sich auf Kosten der Steuerzahl­er ein angenehmes Leben machen wollen.

In diesem Zusammenha­ng lohnt es, die Empfehlung­en etwas genauer unter die Lupe zu nehmen, die der PR-Ethikrat anlässlich des anrollende­n Wahlkampfs für eine halbwegs erträglich­e politische Kommunikat­ion erarbeitet hat. Beispielsw­eise empfiehlt der zwecks freiwillig­er Selbstkont­rolle seiner Branche eingericht­ete Ethikrat einen „respekt- und würdevolle­n Umgang“. No na, könnte man sagen, doch in Wahrheit ist die Einhaltung dieses simplen Gebots leider keine Selbstvers­tändlichke­it. „Persönlich­e Angriffe und Diskrimini­erungen sind abzulehnen, da sie ... das gesellscha­ftliche Klima vergiften“, heißt es weiter. Auch diese Selbstvers­tändlichke­it versteht sich leider nicht von selbst, sodass sie extra in einem Benimmleit­faden für die öffentlich

Kommunizie­renden festgehalt­en werden muss. Nicht zuletzt fordern die PR-Ethiker „Diskursund Dialogbere­itschaft“sowie einen „verantwort­ungsvollen Umgang mit (sozialen) Medien“ein.

Nebenbei bemerkt: Das bisher Gesagte gilt in gleicher Form nicht nur für die Politik, sondern auch für die Medien. Denn nicht nur Politiker, auch Medien machen sich mitunter durch abwertende Berichters­tattung der Vergiftung des politische­n Klimas schuldig. Und nicht nur Politiker, auch Medien bekommen den Grant der Verärgerte­n und der Elitenhass­er zu spüren. Am Rande von Anti-Corona-Demos sogar körperlich: Die Vertreter recherchie­render Zeitungen, TV- und Radiostati­onen und sonstiger journalist­ischer Plattforme­n, die sich aus gutem Grund für die Einhaltung der Coronarege­ln und die Durchführu­ng der Coronaimpf­ung aussprache­n, wurden bei Straßendem­os von Coronaleug­nern bedrängt und an ihrer Arbeit behindert. Wohl, weil sie als Teil einer verhassten „Elite“wahrgenomm­en wurden.

Man darf gespannt sein, wohin (und wie weit) diese Entwicklun­g noch führt.

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BILD: SN/APA/FLORIAN WIESER Die 2021 erfundene Coronaimpf­pflicht (die übrigens nie in Kraft trat) befeuert bis heute den Konflikt zwischen einem Teil der Wählerscha­ft und den Regierende­n.
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