Ärger und Zorn auf „die da oben“
Es ist wenig hilfreich, wenn Politiker konkurrierender Parteien einander bei jeder Gelegenheit als Kriminelle und Korruptionsversumpfte denunzieren.
Der Sozialforscher Christoph Hofinger berichtete kürzlich in den SN über zwei bemerkenswerte Phänomene. Das eine: Bei immer mehr Bürgerinnen und Bürgern sei „Ärger“die stärkste Emotion, die sie im Zusammenhang mit der Politik empfinden. Das zweite: Man bemerke in der Gesellschaft einen „sich schon länger zuspitzenden Anti-Eliten-Diskurs“. Die Eliten würden von immer mehr befragten Bürgerinnen und Bürgern geradezu „dämonisiert“, sagte Hofinger. Was sich Politiker wie Donald Trump in den USA beziehungsweise die diversen Rechtspopulisten in Europa zunutze machen.
Ärger also – und Zorn auf „die da oben“: So lässt sich dieser Befund zusammenfassen. Nun wird niemand einem verärgerten Bürger, der „die da oben“, also die Eliten, ablehnt, taxfrei unterstellen, dass er deshalb gleich gewalttätig gegen die Politiker zu Felde zieht. Und dennoch wird man einen gewissen Zusammenhang zwischen der um sich greifenden verbesserungsfähigen Gefühlslage und den tätlichen Übergriffen, die etwa in Deutschland zuletzt gegen Politiker stattgefunden haben, durchaus herstellen können. Österreich ist diesbezüglich übrigens keine Insel der Seligen, siehe vor wenigen Tagen die Farbattacke gegen Ministerin Karoline Edtstadler, die nur wegen einiger glücklicher Umstände ihr Ziel verfehlt hat.
Wenig hilfreich in diesem Kontext ist es natürlich, wenn die Politiker der konkurrierenden Parteien einander bei jeder Gelegenheit als
„Respekt- und würdevoller Umgang“erwünscht
Kriminelle und Korruptionsversumpfte denunzieren, wie dies derzeit ÖVP und FPÖ wechselweise mit viel Genuss tun. Der autoproduzierenden Mercedes-Benz Group würde es nie im Leben einfallen, eine Werbelinie zu konzipieren, in der die rollenden Produkte der Audi AG als dreckschleudernde Rostschüsseln abgewertet werden, oder umgekehrt. Statt die Konkurrenz zu schmähen, rückt jeder Auto- und sonstige Wirtschaftskonzern, der einigermaßen bei Trost ist, lieber die Qualität der eigenen Produktion in den Fokus der Außendarstellung. Klar: Alles andere würde ja nicht nur der Konkurrenz, sondern dem Produkt Auto als solches schaden.
Politische Parteien hingegen ziehen es vor, die Konkurrenz schlechtzumachen, statt die eigenen Vorzüge zu rühmen. Und bedenken nicht, dass sie damit die gesamte Politik in eine Abwärtsspirale bringen. Wobei es nicht immer die jeweils anderen, die konkurrierenden Parteien sind, die diese Abwärtsspirale in Gang setzen. Die anonymen Vorwürfe beispielsweise gegen die grüne EU-Spitzenkandidatin Lena
Schilling kommen nicht von der klassischen Konkurrenz in Rot, Schwarz, Blau und Pink, sondern aus den in Richtung KPÖ und sonstiger Splittergruppen ausgefransten Randbereichen der Grünen selbst.
So oder so: Die verärgerten Elitenhasser fühlen sich durch diese Art der politischen Kommunikation in ihrer Meinung bestätigt, dass da oben lauter Gauner am Werke seien, die sich auf Kosten der Steuerzahler ein angenehmes Leben machen wollen.
In diesem Zusammenhang lohnt es, die Empfehlungen etwas genauer unter die Lupe zu nehmen, die der PR-Ethikrat anlässlich des anrollenden Wahlkampfs für eine halbwegs erträgliche politische Kommunikation erarbeitet hat. Beispielsweise empfiehlt der zwecks freiwilliger Selbstkontrolle seiner Branche eingerichtete Ethikrat einen „respekt- und würdevollen Umgang“. No na, könnte man sagen, doch in Wahrheit ist die Einhaltung dieses simplen Gebots leider keine Selbstverständlichkeit. „Persönliche Angriffe und Diskriminierungen sind abzulehnen, da sie ... das gesellschaftliche Klima vergiften“, heißt es weiter. Auch diese Selbstverständlichkeit versteht sich leider nicht von selbst, sodass sie extra in einem Benimmleitfaden für die öffentlich
Kommunizierenden festgehalten werden muss. Nicht zuletzt fordern die PR-Ethiker „Diskursund Dialogbereitschaft“sowie einen „verantwortungsvollen Umgang mit (sozialen) Medien“ein.
Nebenbei bemerkt: Das bisher Gesagte gilt in gleicher Form nicht nur für die Politik, sondern auch für die Medien. Denn nicht nur Politiker, auch Medien machen sich mitunter durch abwertende Berichterstattung der Vergiftung des politischen Klimas schuldig. Und nicht nur Politiker, auch Medien bekommen den Grant der Verärgerten und der Elitenhasser zu spüren. Am Rande von Anti-Corona-Demos sogar körperlich: Die Vertreter recherchierender Zeitungen, TV- und Radiostationen und sonstiger journalistischer Plattformen, die sich aus gutem Grund für die Einhaltung der Coronaregeln und die Durchführung der Coronaimpfung aussprachen, wurden bei Straßendemos von Coronaleugnern bedrängt und an ihrer Arbeit behindert. Wohl, weil sie als Teil einer verhassten „Elite“wahrgenommen wurden.
Man darf gespannt sein, wohin (und wie weit) diese Entwicklung noch führt.