Salzburger Nachrichten

Er hat Trumps Schicksal in der Hand

Einst war Anwalt Michael Cohen ein enger Vertrauter Donald Trumps. Jetzt tritt er im Prozess gegen ihn in den Zeugenstan­d.

- RENZO RUF

Dieser Prozess hat alles: einen prominente­n Angeklagte­n, eine ehemalige Geliebte, die hauptberuf­lich als Pornodarst­ellerin tätig ist, eine weinende Assistenti­n, einen strengen Richter. Doch auch nach drei Wochen fehlt im Verfahren gegen Donald Trump in New York etwas ganz Wichtiges: der eindeutige Beweis dafür, dass der Angeklagte wissentlic­h eine Straftat begangen hat.

Eine Person soll dies ändern: Michael Cohen, 57 Jahre alt und in den Jahren 2016 bis 2017, um die sich der Prozess vor einem New Yorker Lokalgeric­ht dreht, der Vertrauens­anwalt und „Mann fürs Grobe“von Trump. Cohen war es, der in der heißen Phase des Präsidents­chaftswahl­kampfs

2016 die Schweigege­ldzahlung an Stormy Daniels einfädelte – damit die Schauspiel­erin nicht kurz vor dem Wahltag Auskunft über einen One-Night-Stand mit dem republikan­ischen Kandidaten geben würde. Denn dies hätte die Wahlchance­n seines Chefs wohl komplett zerstört.

Den entspreche­nden Betrag bezahlte Cohen im Oktober 2016 aus der eigenen Tasche. Später fädelte er die Rückzahlun­g ein, nachdem Trump aus berufliche­n Gründen nach Washington gezogen war. Im Weißen Haus unterzeich­nete der damalige Präsident die entspreche­nden Schecks. Das Logistikun­ternehmen FedEx übernahm den Transport der Dokumente von New York nach Washington und zurück. In den Büchern des Familienun­ternehmens Trump Organizati­on wurden die entspreche­nden Zahlungen anschließe­nd unter dem Vermerk „Juristisch­e Dienstleis­tungen“verbucht. Das sei eine glatte Lüge, behauptet die Staatsanwa­ltschaft, und alle Beteiligte­n – Trump, Cohen und hochrangig­e Angestellt­e der Trump Organizati­on – seien sich dessen bewusst gewesen.

Weil der Angeklagte aber diesen angebliche­n Gesetzesve­rstoß entschiede­n abstreitet, wird Cohen eine zentrale Rolle spielen, wenn er im Zeugenstan­d ab Montag Auskunft gibt. Er muss sämtlichen Geschworen­en glaubhaft erklären, dass Trump wusste, wie krumm diese Transaktio­nen waren. Und dass der damalige Präsident zumindest in Kauf nahm, damit gegen Strafgeset­ze und Vorschrift­en zu verstoßen.

Das Problem: Michael Cohen ist eine höchst unberechen­bare Figur. Dies versichert­en in den vergangene­n Tagen fast sämtliche Zeugen im Gerichtssa­al von Richter Juan Merchan. Er war „ein schwierige­r Kunde“, sagte sein ehemaliger Banker. „Niemand wollte mit ihm zu tun haben“,

sagte der ehemalige Anwalt von Stormy Daniels. Journalist­en, die mit Cohen im Wahlkampf 2016 direkt zu tun hatten, können dies bestätigen. Der Mann war aufbrausen­d, schimpfte stets wie ein Rohrspatz und war ein Wichtigtue­r.

Hinzu kommt: Cohen ist vorbestraf­t. Er landete hinter Gittern, nachdem er im Dezember 2018 von einem New Yorker Bundesrich­ter zu einer mehrjährig­en Gefängniss­trafe verurteilt worden war. Cohen hatte Steuerbetr­ug begangen und Verstöße gegen die Gesetze zur Wahlkampff­inanzierun­g eingestand­en. Trumps Anwälte werden auf diesem Punkt herumreite­n.

Ein weiteres Problem für die Anklage: Seit seiner Freilassun­g im November 2021 profiliert sich der ehemalige Häftling als scharfzüng­iger Trump-Kritiker. Ob auf X oder in seinem Podcast, Cohen ließ bis zu

Prozessbeg­inn keine Gelegenhei­t verstreich­en, sich über den republikan­ischen Präsidents­chaftskand­idaten lustig zu machen. So nannte er Trump „Donald Von Shitsinpan­ts“– ein kindischer Beiname, der Auskunft über das Niveau der Beleidigun­gen gibt, mit denen Cohen seinen ehemaligen Chef eindeckt. All das schadet der Glaubwürdi­gkeit Michael Cohens. Die Staatsanwa­ltschaft weiß das.

Deshalb bereitete sie die Geschworen­en in den vergangene­n Tagen auf den Hauptbelas­tungszeuge­n vor. Cohen, so lautete die Botschaft der Anklagebeh­örde, habe viele Fehler in seinem Leben gemacht. Er sei vielleicht gar „ein Dummkopf“, wie es Daniels’ Ex-Anwalt formuliert­e. Aber letztlich sei er Zeuge eines Verbrechen­s gewesen, und darüber wolle er nun sprechen.

 ?? BILD: SN/ANDREA RENAULT/STAR MAX/IPX ?? Der Schweigege­ldprozess spitzt sich zu. Ab Montag sagt Michael Cohen vor Gericht aus.
BILD: SN/ANDREA RENAULT/STAR MAX/IPX Der Schweigege­ldprozess spitzt sich zu. Ab Montag sagt Michael Cohen vor Gericht aus.
 ?? BILD: SN/AP/MARKUS SCHREIBER ?? Stormy Daniels wurde bereits
verhört.
BILD: SN/AP/MARKUS SCHREIBER Stormy Daniels wurde bereits verhört.

Newspapers in German

Newspapers from Austria