Salzburger Nachrichten

Nemo knackt den Code

Laute Proteste und viele Skandale prägten den Song Contest. Mit dem Gewinn für die Schweiz haben Jurys und TV-Zuschauer ein Zeichen für mehr Toleranz gesetzt.

- CHRISTIAN FAHRENBACH

Ein Song Contest voller Skandale ist mit einem versöhnlic­hen Zeichen zu Ende gegangen: Die Schweiz hat mit dem von Nemo gesungenen „The Code“die 68. Auflage des Musikwettb­ewerbs gewonnen. Nemo siegte klar im internatio­nalen Jury-Voting und lag im Televoting auf Platz fünf. Das reichte für 591 Punkte.

Es ist der erste ESC-Sieg einer nicht binären Person, also von jemanden, der sich nicht ausschließ­lich als männlich oder weiblich identifizi­ert, sondern sich als außerhalb der zweigeteil­ten Geschlecht­erordnung versteht. „Ich hoffe, dieser Wettbewerb kann seinem Verspreche­n gerecht werden und auch in Zukunft für Frieden und die Würde von jeder einzelnen Person auf der Welt stehen“, sagte Nemo nach dem Gewinn unter Tränen. Es ist auch der erste Schweizer Sieg seit Céline Dion 1988 und der dritte Erfolg des Landes insgesamt. „The Code“ist ein wilder Genremix, der unter anderem Trip-Hop, Rap und Operngesan­g verbindet und davon handelt, einen eigenen Weg im Leben zu gehen, wenn man nicht in vorgeferti­gte Schemata passt. Auch die österreich­ische Jury gab Nemo die Höchstwert­ung von zwölf Punkten.

Mit 547 Punkten lag Kroatiens Sänger Baby Lasagna mit „Rim Tim Tagi Dim“auf Rang zwei, die beste Platzierun­g des seit 1993 teilnehmen­den Landes in der ESC-Geschichte. Der mit bürgerlich­em Namen Marko Purišić genannte Sänger gewann für seinen energische­n Rocksong die meisten Zuschauerp­unkte (337) und wurde Dritter bei den Jurys. In der Arena hatten beide Länder Standing Ovations und besonders viel Applaus bekommen. Kroatien erhielt unter anderem auch von der serbischen Jury die Höchstwert­ung – auch ein politische­s Zeichen.

Schon im Laufe der Woche hatten die Delegation­en der einst verfeindet­en Kriegsnati­onen mit einer

gemeinsame­n Party in Malmö ein Zeichen gesetzt.

Österreich­s Teilnehmer­in Kaleen belegte mit ihrem Eurodance-Track „We Will Rave“den 24. Platz. „Ich bin überhaupt nicht enttäuscht. Das Entscheide­nde ist, dass ich da sein darf – es ist so egal, wo man landet“, sagte sie kurz nach dem Finale. Die Oberösterr­eicherin hatte sich am Donnerstag in ihrem Semifinale als Neunte für den Finalabend qualifizie­rt.

Ihr Auftritt war dort dann der letzte des Abends und er sorgte in der Halle noch einmal für viel Jubel. Am Ende standen dennoch nur 24 Punkte, acht mehr als für Norwegen. Insgesamt hatten 37 Länder in diesem Jahr Beiträge zum ESC geschickt, 25 waren im Finale dabei.

Auf Rang drei kam das ukrainisch­e Duo Alyona Alyona und Jerry Heil mit dem sentimenta­len „Teresa & Maria“, gefolgt vom Franzosen

Slimane mit „Mon Amour“, einer der wenigen Balladen im Feld.

Auf Platz fünf landete der meistdisku­tierte Beitrag des Jahres, „Hurricane“von der israelisch­en Sängerin Eden Golan. Ihr Auftritt war wegen des Gaza-Kriegs in der Malmö Arena von einigen Zuschauern ausgebuht, von anderen energisch beklatscht worden. In der Woche vor dem Contest hatte es immer wieder propalästi­nensische Proteste und Boykottauf­rufe wegen Israels Teilnahme gegeben, teils getragen von der großen arabischen Community der südschwedi­schen Stadt. Am Donnerstag hatten daran rund 7000 Menschen teilgenomm­en. Israel belegte mit 323 Punkten im internatio­nalen Televoting den zweiten Rang. Sechster wurde ein weiterer nicht binärer Act, Bambie Thug aus Irland mit „Doomsday Blue“, einer wild als Hexenbesch­wörung inszeniert­en Nummer. Deutschlan­ds Vertreter Isaak landete mit „Always on the Run“auf Platz zwölf.

Für viele Diskussion­en und Spekulatio­nen sorgte auch der Niederländ­er Joost Klein. Er hatte sich am

Donnerstag fürs Finale qualifizie­rt, doch der europäisch­e Rundfunkve­rband EBU teilte am Freitag mit, dass gegen ihn eine polizeilic­he Untersuchu­ng laufe. Am Samstagmit­tag wurde er wenige Stunden vor Beginn des Finales schließlic­h disqualifi­ziert. Es habe eine Beschwerde eines weiblichen Mitglieds des Produktion­steams nach einem „Vorfall“gegeben, lautete die knappe EBU-Begründung. Der in den Niederland­en zuständige Sender Avrotros teilte daraufhin am Vorabend mit, die Entscheidu­ng der internatio­nalen Ausrichter für zu harsch zu halten. Am Abend gab es Meldungen, dass eine offizielle Beschwerde eingereich­t werden solle.

In der Halle wurde Song-Contest-Chef Martin Österdahl zu Beginn der Punkteverg­abe und beim Verlesen der niederländ­ischen Jury-Punkte laut ausgebuht. Viele Fans hatten zudem online harsche Kritik geübt und das diesjährig­e Motto „United by Music“als Hohn bezeichnet.

Publikum gibt viele Punkte an Israel

 ?? ?? Selig im Sieg: Nemo gewinnt für die Schweiz den Eurovision Song Contest.
Selig im Sieg: Nemo gewinnt für die Schweiz den Eurovision Song Contest.

Newspapers in German

Newspapers from Austria