Nemo knackt den Code
Laute Proteste und viele Skandale prägten den Song Contest. Mit dem Gewinn für die Schweiz haben Jurys und TV-Zuschauer ein Zeichen für mehr Toleranz gesetzt.
Ein Song Contest voller Skandale ist mit einem versöhnlichen Zeichen zu Ende gegangen: Die Schweiz hat mit dem von Nemo gesungenen „The Code“die 68. Auflage des Musikwettbewerbs gewonnen. Nemo siegte klar im internationalen Jury-Voting und lag im Televoting auf Platz fünf. Das reichte für 591 Punkte.
Es ist der erste ESC-Sieg einer nicht binären Person, also von jemanden, der sich nicht ausschließlich als männlich oder weiblich identifiziert, sondern sich als außerhalb der zweigeteilten Geschlechterordnung versteht. „Ich hoffe, dieser Wettbewerb kann seinem Versprechen gerecht werden und auch in Zukunft für Frieden und die Würde von jeder einzelnen Person auf der Welt stehen“, sagte Nemo nach dem Gewinn unter Tränen. Es ist auch der erste Schweizer Sieg seit Céline Dion 1988 und der dritte Erfolg des Landes insgesamt. „The Code“ist ein wilder Genremix, der unter anderem Trip-Hop, Rap und Operngesang verbindet und davon handelt, einen eigenen Weg im Leben zu gehen, wenn man nicht in vorgefertigte Schemata passt. Auch die österreichische Jury gab Nemo die Höchstwertung von zwölf Punkten.
Mit 547 Punkten lag Kroatiens Sänger Baby Lasagna mit „Rim Tim Tagi Dim“auf Rang zwei, die beste Platzierung des seit 1993 teilnehmenden Landes in der ESC-Geschichte. Der mit bürgerlichem Namen Marko Purišić genannte Sänger gewann für seinen energischen Rocksong die meisten Zuschauerpunkte (337) und wurde Dritter bei den Jurys. In der Arena hatten beide Länder Standing Ovations und besonders viel Applaus bekommen. Kroatien erhielt unter anderem auch von der serbischen Jury die Höchstwertung – auch ein politisches Zeichen.
Schon im Laufe der Woche hatten die Delegationen der einst verfeindeten Kriegsnationen mit einer
gemeinsamen Party in Malmö ein Zeichen gesetzt.
Österreichs Teilnehmerin Kaleen belegte mit ihrem Eurodance-Track „We Will Rave“den 24. Platz. „Ich bin überhaupt nicht enttäuscht. Das Entscheidende ist, dass ich da sein darf – es ist so egal, wo man landet“, sagte sie kurz nach dem Finale. Die Oberösterreicherin hatte sich am Donnerstag in ihrem Semifinale als Neunte für den Finalabend qualifiziert.
Ihr Auftritt war dort dann der letzte des Abends und er sorgte in der Halle noch einmal für viel Jubel. Am Ende standen dennoch nur 24 Punkte, acht mehr als für Norwegen. Insgesamt hatten 37 Länder in diesem Jahr Beiträge zum ESC geschickt, 25 waren im Finale dabei.
Auf Rang drei kam das ukrainische Duo Alyona Alyona und Jerry Heil mit dem sentimentalen „Teresa & Maria“, gefolgt vom Franzosen
Slimane mit „Mon Amour“, einer der wenigen Balladen im Feld.
Auf Platz fünf landete der meistdiskutierte Beitrag des Jahres, „Hurricane“von der israelischen Sängerin Eden Golan. Ihr Auftritt war wegen des Gaza-Kriegs in der Malmö Arena von einigen Zuschauern ausgebuht, von anderen energisch beklatscht worden. In der Woche vor dem Contest hatte es immer wieder propalästinensische Proteste und Boykottaufrufe wegen Israels Teilnahme gegeben, teils getragen von der großen arabischen Community der südschwedischen Stadt. Am Donnerstag hatten daran rund 7000 Menschen teilgenommen. Israel belegte mit 323 Punkten im internationalen Televoting den zweiten Rang. Sechster wurde ein weiterer nicht binärer Act, Bambie Thug aus Irland mit „Doomsday Blue“, einer wild als Hexenbeschwörung inszenierten Nummer. Deutschlands Vertreter Isaak landete mit „Always on the Run“auf Platz zwölf.
Für viele Diskussionen und Spekulationen sorgte auch der Niederländer Joost Klein. Er hatte sich am
Donnerstag fürs Finale qualifiziert, doch der europäische Rundfunkverband EBU teilte am Freitag mit, dass gegen ihn eine polizeiliche Untersuchung laufe. Am Samstagmittag wurde er wenige Stunden vor Beginn des Finales schließlich disqualifiziert. Es habe eine Beschwerde eines weiblichen Mitglieds des Produktionsteams nach einem „Vorfall“gegeben, lautete die knappe EBU-Begründung. Der in den Niederlanden zuständige Sender Avrotros teilte daraufhin am Vorabend mit, die Entscheidung der internationalen Ausrichter für zu harsch zu halten. Am Abend gab es Meldungen, dass eine offizielle Beschwerde eingereicht werden solle.
In der Halle wurde Song-Contest-Chef Martin Österdahl zu Beginn der Punktevergabe und beim Verlesen der niederländischen Jury-Punkte laut ausgebuht. Viele Fans hatten zudem online harsche Kritik geübt und das diesjährige Motto „United by Music“als Hohn bezeichnet.
Publikum gibt viele Punkte an Israel