Pop-Feinheiten in charmanter Stimmung
Das 10-Volt-Festival in Hallein erfüllt bei seiner zweiten Ausgabe sein Versprechen: beste Popmusik, teilweise ganz frisch erzeugt.
„Du machst aus einer Mücke einen Elefanten“heißt es in einem Song von Yasmo & die Klangkantine. Bis zu deren Auftritt beim 10-Volt-Festival ist noch ein bisschen Zeit. Aber in einem positiven Sinn umgedeutet passt diese Zeile ideal für den Geist und das Erlebnis bei der zweiten Ausgabe des Festivals in Hallein: Aus klein und fein, mach groß und ergreifend! Alles ist gut überschaubar bei 10 Volt, und alles ist stets fein organisiert, alles ist nahbar und aus kleinen Projekten werden schöne, vielleicht später einmal sogar große Songs. Das liegt an der Idee, dass in den Tagen vor dem Festival die später auftretenden Künstlerinnen und Künstler als Artist in Residence zusammenfinden. Bei Opening Sessions werden dann an beiden Festivaltagen Ergebnisse präsentiert. Das taten zum Auftakt etwa Alicia Edelweiss und Luca Weigl mit einem melancholischem Wehmutssong. Cousins Like Shit, Rahel und Resi Reiner stürzen sich in einen discotauglichen Hit. Da wird gleich in der ersten Stunde des Festivals klar, dass der Weg auf der Pernerinsel in Hallein
und im Ziegelstadl in frische Musikwelten führen soll und nicht nur vom Abspulen üblicher Rituale leben will.
Der Auftritt der britisch-österreichischen Musikerin Alicia Edelweiss am zweiten Festivaltag war exzentrisch, alles andere als glatt. Als ihr ein leiser Rülpser entwich, machte sie das gleich zum Thema. „Hat man das gehört?“Oder sie erzählte, dass sie keinen Platz mehr im Koffer gehabt habe für Merchandise-Produkte, lediglich für fünf CDs. Aber nach dem Konzert könne man trotzdem gern mit ihr ins Gespräch kommen. In dieser Nähe liegt der große Charme des Festivals, das mit 20 Acts die zeitgenössische Poplandschaft des Landes gut abbildet. Statt Merchandise hatte Alicia Edelweiss einen neuen Song vom nächsten Album dabei, an dem sie auch in Hallein arbeitete: „Feminist Girlfriend“heißt er und sie träumt darin, jemanden zu finden, der sie scheinen lässt, ihre Karriere unterstützt, sie inspiriert anstatt bremst. Edelweiss spielt Ukulele,
Klavier, Akkordeon, begleitet wurde sie teils von zwei Streichern auf dem Cello und der Geige. Am Ende balancierte sie während des Akkordeonspiels noch einen HulaHoop-Reifen auf der Nase und ließ ihn über ihrem Kopf schwingen.
Nach ihr traf Neue Deutsche Welle der 1980er-Jahre auf Grungerock der 90er: Rahel. In „Tapp Tapp Tapp“singt sie: „Bring den Rausch. Hol mich hier raus. Ich kotz schon fast vom Stillstand hier.“Während Yasmo & die Klangkantine dann noch politisch motivierten HipHop nach Hallein brachten, spielten nebenan im Ziegelstadel die Salzburger
Cousinen Laura und Hannah Breitfuß mit ihrer Band Cousines Like Shit vor Freunden, Familie und Fans. Auch sie präsentierten einen neuen Song, „Young Blood“, passend zum Muttertag, wie Laura Breitfuß anmerkte. Denn sie besingen darin die wilde Jugendzeit der Elterngeneration. Spätestens bei Hits wie „Barbie“und „Over Night“tanzte und sang auch das Publikum im Stadel mit.
Der Höhepunkt des Abends – neben Endless Wellness und 5/8erl in Ehr’n am ersten Festivaltag – waren Cari Cari auf der Festspielbühne in der Verdampferhalle. Das IndieDuo
Stephanie Widmer und Alexander Köck lieferte eine derart energiegeladene Bühnenshow zu einem musikalisch abwechslungsreichen Set, dass es kaum jemanden auf den Bänken hielt. „Für ein Sitzkonzert habt ihr echt alles gegeben“, sagte Köck am Ende. Die beiden Musiker wechselten zwischen Songs wie „Summer Sun“oder „Mapache“die Instrumente, von Gitarre, Schlagzeug, Ukulele bis Didgeridoo. Nur die Maultrommel hatten sie vergessen, wie sie gestehen mussten. Den Sound versuchte dann das Publikum nachzuahmen. Nach drei Zugaben endete ihr Auftritt um 0.30 Uhr Sonntagfrüh. Damit war der heurige Festivalsommer mit dem 10 Volt offiziell eingeläutet. Die Lichter in Hallein schienen hell am Samstagabend, von rosa Polarlichtern wie andernorts in Salzburg war nichts zu sehen. Dafür gab es mit einem hochkarätigen Line-up einiges, das glänzte. Weil es gut kuratiert ist und weil es auch jenseits der Bühnenshows eine Stimmung erzeugt, die ihresgleichen sucht, hat dieses Festival Zukunft. Oder um es mit einer Zeile von Resi Reiner zu sagen: „Das Karussell wird sich weiterdreh’n, auch wenn wir auseinandergehen.“
Nähe gebiert besondere Aufmerksamkeit