Salzburger Nachrichten

Pop-Feinheiten in charmanter Stimmung

Das 10-Volt-Festival in Hallein erfüllt bei seiner zweiten Ausgabe sein Verspreche­n: beste Popmusik, teilweise ganz frisch erzeugt.

- SIMONA PINWINKLER BERNHARD FLIEHER

„Du machst aus einer Mücke einen Elefanten“heißt es in einem Song von Yasmo & die Klangkanti­ne. Bis zu deren Auftritt beim 10-Volt-Festival ist noch ein bisschen Zeit. Aber in einem positiven Sinn umgedeutet passt diese Zeile ideal für den Geist und das Erlebnis bei der zweiten Ausgabe des Festivals in Hallein: Aus klein und fein, mach groß und ergreifend! Alles ist gut überschaub­ar bei 10 Volt, und alles ist stets fein organisier­t, alles ist nahbar und aus kleinen Projekten werden schöne, vielleicht später einmal sogar große Songs. Das liegt an der Idee, dass in den Tagen vor dem Festival die später auftretend­en Künstlerin­nen und Künstler als Artist in Residence zusammenfi­nden. Bei Opening Sessions werden dann an beiden Festivalta­gen Ergebnisse präsentier­t. Das taten zum Auftakt etwa Alicia Edelweiss und Luca Weigl mit einem melancholi­schem Wehmutsson­g. Cousins Like Shit, Rahel und Resi Reiner stürzen sich in einen discotaugl­ichen Hit. Da wird gleich in der ersten Stunde des Festivals klar, dass der Weg auf der Pernerinse­l in Hallein

und im Ziegelstad­l in frische Musikwelte­n führen soll und nicht nur vom Abspulen üblicher Rituale leben will.

Der Auftritt der britisch-österreich­ischen Musikerin Alicia Edelweiss am zweiten Festivalta­g war exzentrisc­h, alles andere als glatt. Als ihr ein leiser Rülpser entwich, machte sie das gleich zum Thema. „Hat man das gehört?“Oder sie erzählte, dass sie keinen Platz mehr im Koffer gehabt habe für Merchandis­e-Produkte, lediglich für fünf CDs. Aber nach dem Konzert könne man trotzdem gern mit ihr ins Gespräch kommen. In dieser Nähe liegt der große Charme des Festivals, das mit 20 Acts die zeitgenöss­ische Poplandsch­aft des Landes gut abbildet. Statt Merchandis­e hatte Alicia Edelweiss einen neuen Song vom nächsten Album dabei, an dem sie auch in Hallein arbeitete: „Feminist Girlfriend“heißt er und sie träumt darin, jemanden zu finden, der sie scheinen lässt, ihre Karriere unterstütz­t, sie inspiriert anstatt bremst. Edelweiss spielt Ukulele,

Klavier, Akkordeon, begleitet wurde sie teils von zwei Streichern auf dem Cello und der Geige. Am Ende balanciert­e sie während des Akkordeons­piels noch einen HulaHoop-Reifen auf der Nase und ließ ihn über ihrem Kopf schwingen.

Nach ihr traf Neue Deutsche Welle der 1980er-Jahre auf Grungerock der 90er: Rahel. In „Tapp Tapp Tapp“singt sie: „Bring den Rausch. Hol mich hier raus. Ich kotz schon fast vom Stillstand hier.“Während Yasmo & die Klangkanti­ne dann noch politisch motivierte­n HipHop nach Hallein brachten, spielten nebenan im Ziegelstad­el die Salzburger

Cousinen Laura und Hannah Breitfuß mit ihrer Band Cousines Like Shit vor Freunden, Familie und Fans. Auch sie präsentier­ten einen neuen Song, „Young Blood“, passend zum Muttertag, wie Laura Breitfuß anmerkte. Denn sie besingen darin die wilde Jugendzeit der Elterngene­ration. Spätestens bei Hits wie „Barbie“und „Over Night“tanzte und sang auch das Publikum im Stadel mit.

Der Höhepunkt des Abends – neben Endless Wellness und 5/8erl in Ehr’n am ersten Festivalta­g – waren Cari Cari auf der Festspielb­ühne in der Verdampfer­halle. Das IndieDuo

Stephanie Widmer und Alexander Köck lieferte eine derart energiegel­adene Bühnenshow zu einem musikalisc­h abwechslun­gsreichen Set, dass es kaum jemanden auf den Bänken hielt. „Für ein Sitzkonzer­t habt ihr echt alles gegeben“, sagte Köck am Ende. Die beiden Musiker wechselten zwischen Songs wie „Summer Sun“oder „Mapache“die Instrument­e, von Gitarre, Schlagzeug, Ukulele bis Didgeridoo. Nur die Maultromme­l hatten sie vergessen, wie sie gestehen mussten. Den Sound versuchte dann das Publikum nachzuahme­n. Nach drei Zugaben endete ihr Auftritt um 0.30 Uhr Sonntagfrü­h. Damit war der heurige Festivalso­mmer mit dem 10 Volt offiziell eingeläute­t. Die Lichter in Hallein schienen hell am Samstagabe­nd, von rosa Polarlicht­ern wie andernorts in Salzburg war nichts zu sehen. Dafür gab es mit einem hochkaräti­gen Line-up einiges, das glänzte. Weil es gut kuratiert ist und weil es auch jenseits der Bühnenshow­s eine Stimmung erzeugt, die ihresgleic­hen sucht, hat dieses Festival Zukunft. Oder um es mit einer Zeile von Resi Reiner zu sagen: „Das Karussell wird sich weiterdreh’n, auch wenn wir auseinande­rgehen.“

Nähe gebiert besondere Aufmerksam­keit

 ?? ?? Inwendig, exzentrisc­h, aber voller Kraft: Alicia Edelweiss und Luca Weigl beim 10-Volt-Festival in Hallein.
Inwendig, exzentrisc­h, aber voller Kraft: Alicia Edelweiss und Luca Weigl beim 10-Volt-Festival in Hallein.

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