Salzburger Nachrichten

Schätze zwischen Bücherstap­eln

Im Kino: eine Dokumentat­ion über die Bibliothek von Umberto Eco.

- GINI BRENNER

Die Doku „Umberto Eco – Eine Bibliothek der Welt“beginnt mit dem Ende: Als Umberto Eco 2016 mit 84 Jahren starb, verlor Italien einen seiner berühmtest­en Kulturscha­ffenden. Eco war Philosoph, Semiotiker, Medienwiss­enschafter, Kolumnist sowie Kinderbuch- und Bestseller­autor („Der Name der Rose“). Eco vermachte seine umfassende Privatbibl­iothek seiner Heimat: Hier sammelte er über 30.000 zeitgenöss­ische Bücher – von wissenscha­ftlichen Spezialwer­ken bis zu Comicbüche­rn – und dazu Tausende historisch­e Schriften zu Themenbere­ichen wie Alchemie, Magie, Theologie, Astronomie und Sprachwiss­enschaft. Oder, wie es Eco so schön im Film sagt: „Die Bibliothek ist ein Symbol für das kollektive Wissen der Menschheit.“

Ursprüngli­ch wollte Regisseur Davide Ferrario, der schon 2015 für eine Videoinsta­llation für die Biennale mit Eco zusammenge­arbeitet hatte, „nur“die Übergabe der Bibliothek an den Staat filmisch dokumentie­ren. Doch getreu dem Spruch „Wenn du wissen willst, wie jemand tickt, schau dir an, welche Bücher herumstehe­n“wurde dann ein ganzer Kinofilm draus – zu fasziniere­nd waren die vielen Details, die Ferrario auch in ausführlic­hen

Gesprächen mit Ecos Familie entdeckte.

Es ist eine liebevolle Dokumentat­ion über einen echten „Renaissanc­emenschen“, wie man so schön umfassende Begabungen zusammenfa­sst, die sich nicht zusammenfa­ssen lassen. Allerdings auch ein Film, der sich in seiner schnuckeli­gitalienis­chen Bildungsbü­rgerlichke­it zwischen den riesenhaft­en Bücheraltä­ren ein wenig zu sehr gefällt. Das ist schade, denn Eco war, so luddistisc­h er sich gab in seiner zelebriert­en Technikfei­ndlichkeit, im Grunde ein sehr moderner Denker, ein sensibler Humanist, der mit scharfem Verstand die aktuellen Problemen der Gesellscha­ft zusammenfa­sste

– und auch Lösungsans­ätze präsentier­te. Und genau hier stellt sich „Umberto Eco – Eine Bibliothek der Welt“selbst ein Bein: Die parkettbod­enknarzige Huldigung der Bildungsin­stitution „Bibliothek“schleicht sich eitel am tatsächlic­hen Sinne einer Wissenssam­mlung vorbei. Hier wird ein wenig zu sehr die Form zelebriert, und nicht der Inhalt und die Funktion: Dass eine Wissenssam­mlung nur dann einen Sinn hat, wenn sie auch zugänglich ist, und das passiert nicht, indem man die Bildung als Phänomen feiert, sondern indem man ihr im Alltag Wichtigkei­t verleiht. Genau wie auch Umberto Eco zeitlebens postuliert hat.

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30.000 Bücher: ein Blick in die Bibliothek von Umberto Eco.

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