Was wurde aus den Scootern?
Wildwuchs, strenge Reglementierung, Abschaffung – gut fünf Jahre nach der Einführung von Mietrollern gibt es unterschiedliche Zugänge.
Vor wenigen Jahren waren sie der letzte Schrei im städtischen Nahverkehr – elektrobetriebene Roller zum Mieten, auch E-Scooter genannt. Und sie lösten damals auch den einen oder anderen Schrei aus – vor Entzücken über ein neues Verkehrsmittel als Alternative zu Öffi oder Fahrrad. Oder aber vor Schreck, weil man von einem E-Roller fast gerammt worden wäre.
Mittlerweile sind die E-Roller in vielen Städten zu einem gewohnten Anblick geworden und haben ihre Rolle im innerstädtischen Verkehrsmix gefunden. Mancherorts wurden sie aber auch verbannt. Spektakulärstes Beispiel dafür ist Paris, wo sich vor einem Jahr in einer Bürgerbefragung eine klare Mehrheit von fast 90 Prozent gegen die Roller aussprach. Allerdings hatten sich nur 7,5 Prozent der Stimmberechtigten an der Abstimmung beteiligt – was die Aussagekraft des Resultats in Zweifel zieht. Weil die Stadt aber angekündigt hatte, den Ausgang des Votums zu akzeptieren, mussten im August die Betreiber ihre 15.000 Roller aus dem Verkehr ziehen.
In Salzburg hat man sich mögliche negative Erfahrungen mit Mietrollern ganz erspart. Da beschloss der Gemeinderat am 13. Mai 2020 – vor genau vier Jahren –, sämtliche Anträge für die Zulassung von EScooter-Verleih abzulehnen. Vor allem wegen Befürchtungen, dass in den schmalen Gassen der Altstadt die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Fußgängerverkehrs leiden und die Gefahr von Unfällen steigen würde. So weit wollte man in Wien nicht gehen. Die Stadt sah sich aber veranlasst, die ursprünglichen Regeln für den Betrieb von Elektroleihrollern nachzuschärfen – nachdem sich auch hier die Klagen über das regelwidrige Abstellen von Fahrzeugen mitten auf Gehsteig oder Straße oder über rücksichtslose Fahrerinnen und Fahrer gehäuft hatten. Zudem zeigten Statistiken, dass die Zahl der Unfälle mit E-Rollern vergleichsweise hoch waren. Im Jahr 2023 verletzten sich laut Statistik Austria 1610 Personen auf E-Scootern, drei davon tödlich. In 40 Prozent der Fälle kam es zu einem Zusammenstoß mit einem Auto, ein gutes Drittel (35 Prozent) waren „Alleinunfälle“– also ohne Beteiligung anderer Personen oder Fahrzeuge. Auffällig war der hohe Anteil männlicher Scooter-Fahrer (71 Prozent). In den Fällen, wo die Roller den Unfall verursachten, waren die häufigsten Unfallursachen Ablenkung/Unachtsamkeit (27 Prozent), gefolgt von einer Missachtung der Vorschriften und Regeln (24 Prozent). In 18 Prozent waren die Lenker durch Alkohol, Drogen oder Medikamente beeinträchtigt.
Mitte 2023 zog Wien die Notbremse. Die Zahl der Roller wurde limitiert, in der Innenstadt waren nur noch 500 zugelassen, dafür gab es in den schlechter erreichbaren Außenbezirken keine Begrenzung.
Die Zahl der Konzessionen wurde auf vier begrenzt. Tatsächlich sind heute aber nur noch zwei Anbieter in Wien unterwegs: Lime aus den USA und Voi aus Schweden. Der Scooter-Vermieter Bird hat sich zurückgezogen, dem Anbieter Link wurde die Konzession entzogen.
Seither habe sich die Lage merklich verbessert, sagt Expertin Katharina Jaschinsky vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ). E-Scooter könnten „eine gute Ergänzung für den öffentlichen Verkehr sein, etwa in der Nacht, wenn keine Busse fahren“, sagt sie. Wichtig sei aber, dass sie andere Verkehrssysteme wie Öffis, Fußgänger oder Radfahrer weder verdrängen noch beeinträchtigen – etwa durch auf dem Gehsteig abgestellte Roller.
Wie geht es weiter? Die Stadt will nun einmal die Situation beobachten, erklärt eine Sprecherin der Wiener Verkehrsstadträtin Ulli Sima. Fest steht, dass sich das Aufkommen deutlich verringert hat. Aktuell sind in Wien noch rund 4000 Leihroller unterwegs. Das ist die Hälfte der früher 8000 Geräte.
Während in Wien die Gesamtzahl abnimmt, entdecken die Scooterbetreiber zusehends andere Städte für sich – darunter auch wesentlich kleinere. So ist der Anbieter Tier nach eigenen Angaben in 30 Städten und Gemeinden in ganz Österreich im Einsatz. Seit Kurzem etwa auch in Kirchberg am Wagram, einem 4000-Seelen-Ort im Bezirk Tulln. Auch in Krumpendorf, Dietach, St. Ulrich bei Steyr oder Feldkirchen bei Graz gibt es Leihroller. Für sich allein genommen würde sich das nicht rechnen, räumt der für Tier in Österreich Zuständige
„Jede Stadt geht ihren eigenen Weg.“Martin Skerlan, Tier Mobility Austria
Martin Skerlan ein, aber es gebe Kooperationen etwa mit den ÖBB. Vielversprechend ist für Skerlan auch der Einsatz über Gemeindegrenzen hinaus, wie etwa von Klagenfurt nach Pörtschach oder von Guntramsdorf nach Baden.
Die Erfahrungen der Gemeinden mit dem innovativen Verkehrsmittel sind überwiegend positiv, ist zu hören. Gleichzeitig wird versucht, Missstände zu beseitigen. So hat der Innsbrucker Gemeinderat (noch in alter Zusammensetzung) beschlossen, Abstellflächen für EScooter einzuführen und falsch abgestellte Fahrzeuge kostenpflichtig entfernen zu lassen. Scooter seien „generell ein guter Beitrag zur Mikromobilität“, sagt Verkehrsstadträtin Uschi Schwarzl – „aber es braucht klarere Regeln“. Städte befänden sich gerade im Lernprozess.
Große Zufriedenheit mit den ins
gesamt 220 Leihscootern meldet auch Dornbirn. Einheimische und Gäste würden das Angebot gern für die „letzte Meile“in Anspruch nehmen, sagt Vizebürgermeister Julian Fässler. Die Nutzergruppen seien sehr heterogen und umfassten Pendler und Nachtschwärmer ebenso wie touristische Erkunder, geschäftliche Nutzer und Spaßfahrer. Der Einsatz „intelligenter Roller“könnte das Abstellen auf unerwünschten Flächen unterbinden, lautet sein Vorschlag.