Nur in Salzburg schwinden die Bahnkunden
Die Salzburger Lokalbahn schreibt als einzige private Regionalbahn rote Fahrgastzahlen. Schienenersatzverkehr führt weiter zu Unmut.
SALZBURG. Noch immer fährt nicht jeder Zug im neuen Bahnhof Bürmoos ein. „Wenn der Schienenersatzverkehr bei den Eilzügen im September endet, waren es fast zwei Jahre. Das ist eine Zumutung“, sagt der Bürmooser Peter Weiser. Er kenne viele, die auf das Auto umgestiegen seien. Für ihn gebe es aber keine Alternative: „Ich bin blind und auf den öffentlichen Verkehr angewiesen. Aber ich bemerke, dass es viel weniger Fahrgäste sind als vor der Baustelle.“
Das bestätigen die Zahlen: Die Salzburger Lokalbahn ist zum Ausreißer geworden. Die 17 privaten Regionalbahnen österreichweit erreichten im Vorjahr gemeinsam einen neuen Fahrgastrekord. Mit 38,27 Millionen Passagieren waren um 14 Prozent mehr unterwegs als im Jahr 2022 und gar um 60 Prozent mehr als im Coronajahr 2020. Der bisherige Höchstwert von 36,26 Millionen Fahrgästen im Jahr 2019 wurde gesamt um 5,5 Prozent übertroffen. Nur die Salzburger Lokalbahn kann bei diesem Trend nicht mithalten. Das geht aus einer Studie des Verkehrsclub Österreich (VCÖ) hervor. Im Jahr 2023 zählte man etwa 3,1 Millionen Fahrgäste, im Jahr davor waren es noch 200.000 mehr. Das entspricht einem Rückgang auf der Gesamtstrecke um 6 Prozent. Dies wird vom VCÖ auf den Schienenersatzverkehr auf der Strecke zurückgeführt. Nur die Gleichenberger Bahn in der Steiermark hat ebenso ein Minus verzeichnet, wenn auch ein kleines: 1000 Fahrgäste weniger. Hier kommt allerdings hinzu, dass der Fahrplan seit 2021/2022 stark reduziert wurde. Die Bahn fährt nur mehr am Wochenende und an Feiertagen.
Blickt man in der Statistik weiter zurück, zeigt sich in Salzburg folgendes Bild: In den vergangenen 30 Jahren hat die Lokalbahn etwa eine Million Fahrgäste pro Jahrzehnt gewonnen. Zwischen 2015 und 2019 stieg das Fahrgastaufkommen von 4,90 Millionen auf 4,96 Millionen. Dann kam der Einschnitt durch die Pandemie, von dem sich die Salzburger Lokalbahn nicht wieder erholt hat. Seither sind fast zwei Millionen Bahnkundinnen und -kunden verloren gegangen.
Der Betreiber, die SalzburgAG-Tochter Salzburger Linien Verkehrsbetriebe (SLV), betont, man wolle den öffentlichen Verkehr attraktiv halten. „Dass Umbauten mit Einschränkungen verbunden sind, ist klar. Mit Schienenersatzverkehr versucht man, das Angebot möglichst unverändert aufrechtzuerhalten.“
Zwischen dem Bahnhof Bürmoos und dem Bahnhof Oberndorf ist das Fahrgastaufkommen zwischen Jänner 2023 und Jänner 2024 wie berichtet um 12 Prozent zurückgegangen. Der grüne LAbg. Simon Heilig-Hofbauer, dessen Landtagsanfrage dies zutage gebracht hat, spricht von einer „Fahrgastvertreibungsaktion“: „Während alle anderen privaten Bahnen in Österreich Fahrgastrekorde schreiben, gab es nur bei der Salzburger Lokalbahn einen Rückgang.“Im März hieß es noch, dass sich die Baustelle nicht auf die Fahrgastzahlen ausgewirkt hätte.
Seit Herbst 2023 kam es, was den Bahnhof Bürmoos betrifft, immer wieder zu Unmut bei der Gemeinde und in der Bevölkerung aufgrund fehlender oder widersprüchlicher Kommunikation. Zunächst fehlten Unterlagen für die Betriebsbewilligung, dann wartete man monatelang auf Ersatzteile, was zuvor geleugnet worden war, dann war von einem veralteten Stellwerk die Rede. Anfang Mai hieß es, die technischen Mängel seien behoben, der Schienenersatzverkehr ende aber dennoch erst Ende der Sommerferien, weil ab Juni die Strecke wieder unterbrochen sei.
Für Peter Weiser erneut ein Ärgernis: „Was soll das heißen? Zwei Monate Bahnverkehr zahlen sich nicht aus für die Menschen, die ihn nutzen würden?“Das Personal sei bemüht, betont Weiser. Seine Kritik richtet sich an die Betreiber, die Salzburg AG.
„Viele Verkehrsbetriebe haben vergessen, sich um die Kunden zu kümmern“, sagt Horst Schaffer. Der Schweizer Bahnexperte war lange Zeit bei den Verkehrsbetrieben Zürich und als Berater tätig. „Es geht nur mehr um Zuschüsse, Zahlen – die wenigsten Verantwortlichen sind vor Ort. Dabei braucht es Personen, die sich kümmern, informieren, jenen, die noch fahren, auch einmal etwas schenken oder nicht mehr regelmäßig kontrollieren.“Umsteigen und Schienenersatzverkehr bedeuteten weniger Lebensqualität: „Die Leute brechen
„Wir investieren so viel wie noch nie in die Lokalbahn.“Stefan Schnöll, LH-Stv., ÖVP (Bild: SN/RATZER)
weg. Für den ÖV reißt sich niemand die Beine aus. Der muss funktionieren.“Wie lange dauert es, sie wieder zu gewinnen? „Etwa ein Jahr lang muss es ohne Einschränkungen klappen, damit einige langsam wieder kommen.“
Kritiker werfen ein, dass Baustellen ohne komplette Sperren möglich seien – etwa wie beim Bau der Haltestelle Seekirchen-Süd. Ein Kilometer Bus ist für die Betreiber günstiger als der Schienenkilometer. Wird hier gespart auf Kosten der Fahrgäste? „Es gibt sicherheitstechnische Abwägungen, manchmal geht es ohne Sperren, manchmal nicht. Die Alternative wäre, nichts zu tun“, sagt Salzburg-AG-Sprecher Michael Frostel.
Der ressortzuständige LH-Stv. Stefan Schnöll (ÖVP) schlägt in dieselbe Kerbe: Man investiere so viel wie noch nie in die Lokalbahn. Im mittelfristigen Investitionsprogramm zwischen Bund und Land seien von 2021 bis 2025
„Verkehrsbetriebe haben vergessen, sich um Kunden zu kümmern.“Horst Schaffer, Verkehrsexperte (Bild: SN/PRIVAT)
gesamt 146,4 Millionen Euro vorgesehen, „um die Strecke auf Vordermann zu bringen“. Am Dienstag stellen Land, der Salzburger Verkehrsverbund und die SLV den Stand der Arbeiten und weitere Schritte vor.