Ein Haus, ein Ausblick, ein Lehrer, zwei Bilder
Schau aus dem Fenster! Diese Aufforderung ist simpel. Und doch nimmt jeder Schauende anderes wahr. Kunst macht das sichtbar.
Der Künstler Max Beckmann gab seinen Schülern an der Städelschule in Frankfurt am Main bestimmte Aufgaben: Einmal sollten alle denselben Mann als Akt malen. Einmal sollte jeder der acht oder zehn Lernenden einer StädelKlasse aus dem Fenster schauen und den Ausblick festhalten. Welch weites Feld an Ergebnissen so eine konkrete Aufgabe ergibt, ist nun im Museum für Kunst der Verlorenen Generation zu erkunden. Das Bild der damals 46-jährigen Anna Krüger ist nicht nur deshalb anders als jenes des 29-jährigen Karl Tratt, weil beide zu anderer Jahreszeit aus dem Fenster geschaut haben.
Dieser Vergleich ebenso wie jener von zwei Männerakten – der eine von Karl Tratt, der andere von Heinrich Friedrich Steiauf – gibt Anhaltspunkte fürs Weiterschauen: Was lernen Schüler von ihrem Lehrer? Was an einem Gemälde ist abgebildete Wirklichkeit? Was ist Stil des Künstlers? Was ist Ergebnis von Betrachten und Erkennen? Was ist Intuition oder Zufall? Und auch: Welches Bild ist besser?
Anna Krüger, Karl Tratt, Heinrich Friedrich Steiauf und andere Schüler Max Beckmanns, der 1925 bis zu seiner Entlassung 1933 an der Städelschule unterrichtet hat, sind aufs Neue im Fokus des Privatmuseums im Haus Sigmund-HaffnerGasse 12. Wie im Vorjahr ist diesen Meisterschülern die Ausstellung gewidmet. Weil – neben einzelnen schon im Vorjahr gezeigten Werken – einige neue zu sehen sind, wie das Fenster-Bild Karl Tratts, hat die Schau „Beyond Beckmann“den Zusatz „Part II“, also zweiter Teil.
Heinrich Friedrich Steiauf sei die Entdeckung dieses Jahres, erläutert die Kuratorin Marie-Christin Gebhardt. Dessen Bilder seien „noch nie in einem Kunstmuseum ausgestellt“gewesen. Der Sammler und Museumsgründer Heinz R. Böhme hat mittlerweile mehrere erworben, einige sind im Kabinett des Museums vereint und zeigen, wie disparat das Werk dieses Künstler ist, der mit Machtergreifung der Nationalsozialisten seine Ausbildung abbrechen musste und in der NS-Zeit keine Existenzgrundlage fand.
Während die – vom Eingang aus rechte Seite des Museums den
Beckmann-Schülern gewidmet ist, zeigt der linke, kleinere Teil insofern exemplarische Werke der Sammlung Böhme, als jedes Gemälde – sei es aus dem Motiv oder der Biografie des Malers – einen Tatbestand der Verlorenen Generation preisgibt: Exil, Flucht, innere Emigration, stiller Widerstand oder unverfängliche Bilder, um in der Diktatur zu überleben. Als verloren gilt diese Künstlergeneration deshalb, weil viele während des Nationalsozialismus diffamiert, verfolgt oder ermordet worden und danach oft vergessen worden sind.
Das Salzburger Privatmuseum ist um mäzenatische Mitwirkung bemüht: Erstmals werden heuer Patenschaften vergeben – um mindestens 1000 Euro pro Bild. Zudem gibt es einen Verein für Freunde und Förderer; für 100 respektive 500 Euro Jahresbeitrag werden Sonderführungen und eine Sommersoiree geboten.
Ausstellung: „Beyond Beckmann – Teil II“, Museum Kunst der Verlorenen Generation, Salzburg, bis 28. September.