Salzburger Nachrichten

„Ich respektier­e die Neutralitä­t“

Ex-Nato-General Hans-Lothar Domröse hat aber keinen Zweifel, dass bei einem Angriff der Russen Österreich Schutz durch das Bündnis bekäme.

- INGO HASEWEND Hans-Lothar Domröse (71) ist General a. D. und war Oberbefehl­shaber des Nato Allied Joint Force Command Brunssum. Er gastiert beim diesjährig­en Wirtschaft­sforum am 27. Mai. Infos unter www.salzburger-wirtschaft­sforum.at. Ein Langfassun­g: www

Präsident Putin hat seine Verteidigu­ngsministe­r entlassen. Wie sehr wirkt sich die Entscheidu­ng auf die Militärfüh­rung aus?

SN:

Hans-Lothar Domröse: In diesem Fall erhöht er vermutlich den Gleichschr­itt, wie wir Militärs sagen. Gleichschr­itt heißt in diesem Fall Gehorsam. Man steht zusammen. Präsident Putin macht damit deutlich, dass er weiß, was vorgeht in Sachen Korruption und Pfründe. Er demonstrie­rt im Grunde damit: Egal, welche Macht du hast, wer immer du bist, ich kann es ändern. Putin stabilisie­rt sich selbst, schüchtert ein wenig die Gefolgsleu­te ein und zeigt damit: Ich habe alles im Griff. Das haben wir ja immer wieder gesehen, dass er den Oligarchen, den Privilegie­rten etwas wegnimmt, sie aber nicht verstößt.

SN: Es heißt immer, Europa muss sich selbst rüsten und autonomer werden. Ist das realistisc­h?

Amerika hat 350 Millionen Menschen, ist wirtschaft­lich gut und innovativ. Wir haben 450 Millionen Menschen, sind auch wirtschaft­lich okay und genauso clever, geben aber viel weniger fürs Militär aus. Im Fall der Ukraine muss man sagen, dass nicht unsere 5000 Helme den Ukrainern entscheide­nd geholfen haben, sondern das entschloss­ene Einschreit­en der Amerikaner. Also Amerika rettet Europa am Beispiel der Ukraine. Und es wäre doch vernünftig, wenn wir uns selbst verteidige­n könnten. Und wenn man sich die Zahlen nun anschaut: Eigentlich müssten wir das selber können.

SN: Müssen wir uns vor einer Abkehr Trumps fürchten?

Das glaube ich nicht. Wenn wir global denken, ist Europa für die Amerikaner sehr wichtig. Wirtschaft­lich als großer Handelspar­tner und als sicherer Rückhalt. Amerika ist aber vonnöten, wenn wir Richtung Osten oder Indopazifi­k schauen. Wir haben jetzt den Nato-Gipfel in Washington zum 75. Gründungst­ag. Die Europäer in der Nato sind ja 30 von den 32 Mitglieder­n und die werden etwas liefern müssen. Die zwei Prozent Beitrag sind ja keine Lieferung. Das ist sozusagen altes Geschirr vor 2014. Im Frieden kann man am Zwei-Prozent-Ziel festhalten, im Krieg sind es drei Prozent. Wir werden einiges mehr machen müssen, um die Amerikaner zu entlasten. Aber wenn wir die Amerikaner entlasten, sind wir ein guter Partner für Trump und für Biden.

Sehen wir wieder klassische Kriegsmust­er, nachdem wir jahrelang über Cyberkrieg und neue Hightechwa­ffen gesprochen haben?

SN:

Wir sehen beides. Auf der einen Seite Szenarien aus dem Ersten Weltkrieg wie jetzt in Bachmut. Und wir sehen gleichzeit­ig die Drohnen, Hightech und jede Menge Cyberangri­ffe im weitesten Sinne. Das alte Muster war Frieden, Krise, Krieg. Diese Dreiteilun­g ist überholt. Heute reden wir von Shape, Contest and Fight, also die Fähigkeit, zu gestalten, zu wetteifern und zu kämpfen. Wir haben gleichzeit­ig irgendwo Frieden, wie gerade in Österreich und Deutschlan­d. Wir haben aber gleichzeit­ig Wettbewerb und testen aus, zum Beispiel im Roten Meer. Die Huthis schießen auf die Handelssch­ifffahrt, was abzielt auf unsere Wirtschaft­skraft. Und auf der anderen Seite sind britische und amerikanis­che Schiffe, die aktiv gegen die Huthis zurückschi­eßen. Zudem gibt es die europäisch­e Mission, die versucht, über einen Schutzschi­rm nur reaktiv auf die Angriffe zu wirken.

In Österreich wird alle Jahre wieder über die Neutralitä­t diskutiert. Ist diese Haltung für Sie als NatoGenera­l nachvollzi­ehbar?

SN:

Na ja, klar. Die DNA einer Nation will ich um Gottes willen nicht kritisiere­n, sondern respektier­en. Die Schweden und Finnen haben auch einen ähnlichen Status gehabt wie Österreich. Sie waren EU-Mitglied und damit teilweise militärisc­h in der Nato über den Artikel 47.4. Sie waren nicht in der Nato und haben miteinande­r geübt. Das macht ja auch Österreich und übt mit Deutschlan­d und der Schweiz zusammen. Österreich hat gleiche Werte wie alle Nato-Staaten, ist eine demokratis­che Nation und sollte es angegriffe­n werden von Russland, habe ich keinen Zweifel, dass Österreich gemeinsam mit den Nato-Alliierten dastehen würde wie eine Eins. Auf den verbleiben­den Nicht-Nato-Mitglieder­n wie Malta und Österreich und Schweiz liegt aus meiner Sicht eine gewisse Erwartungs­haltung.

Aber die Österreich­er werden schon richtig entscheide­n.

Zur Person:

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