Mozarts Figuren heben hier nicht ab
Pfingstfestspiele versuchen ein „inszeniertes Opern-Pasticcio“.
Der Aufwand für diese „Folle journée“, diesen tollen, verrückten Tag, ist enorm. Für (vorerst?) nur einen Abend bei den Salzburger Pfingstfestspielen wurde ein absurdes Flughafenterminal auf die Bühne des Großen Festspielhauses gewuchtet, inklusive überbordender Videos zwischen Realistik und Fantasy. Darstellerinnen und Darsteller, Statisten und zwei – exzellente – Chöre (Il Canto di Orfeo, Salzburger Bachchor) mimen exzessiv bewegungsfreudig und oft übertrieben gestikulierend Reisende und Personal im Transit eines fiktiven „Lorenzo Da Ponte“-Airports.
Und wozu das Ganze? Die umtriebige Prinzipalin Cecilia Bartoli wollte ihrem diesjährigen „Tutto Mozart“-Projekt eine Spektakelkrone aufsetzen, versammelte ihre Sänger- und Musikerfamilie einschließlich Starpianist Daniil Trifonow am Hammerflügel zu einem „inszenierten Pasticcio“aus Arien und Ensembles der drei kongenial von Mozart und seinem Textdichter Lorenzo Da Ponte geschaffenen Opern „Le nozze di Figaro“, „Così fan tutte“und „Don Giovanni“und beauftragte dazu den vor allem in Italien viel beschäftigten Regisseur, Autor und Dramaturgen Davide Livermore für ein übergreifendes Konzept.
Dieses gut zwei besteht musikalisch aus Dutzend zusammengewürfelten Nummern und führt
szenisch vom wuseligen Klamauk (Despina-Bartoli mit Fistelstimme und Riesenjoint im halluzinogenen Rausch) in den Weltuntergang. Fragwürdig bleiben angesichts aktueller, fürchterlich realer Kriege frivole Spiele mit Handgranaten einschließlich dramaturgisch zu nichts führendem Video-Feuerball oder Kampfflugzeug-Animationen, die das Armageddon auslösen, vor dem uns, grob gesprochen, nur die Kunst, also Mozarts Musik, retten und zu neuen Sternen führen kann: „Soave sia il vento“, das überirdisch trauerzärtliche kleine Terzett aus „Così fan tutte“, steht chorisch gesungen am Ende des zweistündigen Abends, wofür Cecilia Bartoli und der kurzfristig eingesprungene Mattia Olivieri als Susanna und Figaro schließlich einen Heißluftballon besteigen.
Die Chefin war zuvor auch noch als Zerlina, Fiordiligi, Despina und Idamante (nicht von Da Ponte!) aufgetreten. Letzteres inszenierte sie mit der raumgreifenden und an Grenzen gehenden Rondo-Arie „Non temer, amato bene“wie eine Hommage an Maria Callas.
Aber was soll’s? Eine „neue Oper“(wie vor vielen Jahren die legendäre „Ombra felice“-Collage von Ursel und Karl-Ernst Herrmann) entstand daraus nicht. Dazu sind die originalen Werke einfach zu perfekt. Ein vokales Glanzlicht setzte Daniel Behle mit „Un’aura amorosa“, das als „Sommerhit“ausgegeben wurde (!), einen rührenden Auftritt mit Leporellos Register legte der 71-jährige Alessandro Corbelli hin, und in guter „Dinner for One“-Manier stolperte Rolando Villazón mehrmals auf die Bühne, ehe er Basilios „Eselsarie“zum leider nicht mehr Besten geben durfte.
Im Orchestergraben hatten die monegassischen Prinzenmusiker alle Hände und Kehlen voll zu tun, um das schnelle Umschaltspiel auch ihres Dirigenten Gianluca Capuano zu realisieren – was auch auf manche Ensembles in der Koordination zwischen unten und oben galt. Mehr Proben hätten wohl nicht geschadet.