Salzburger Nachrichten

Wegbrechen von Sicherheit verführt zu Rausch

Der Todestag des Schriftste­llers Klaus Mann, des Sohns von Thomas Mann, jährt sich zum 75. Mal.

- ANTON THUSWALDNE­R

Am Abend des 20. Mai 1949 besucht Klaus Mann in Cannes ein Kino, anschließe­nd geht er in die Zanzi-Bar, um sich danach ins Hotel zu begeben, wo er eine Überdosis Schlaftabl­etten nimmt. Am nächsten Tag wird er ohnmächtig aufgefunde­n. Wiederbele­bungsversu­che am 42Jährigen bleiben erfolglos. Im April hatte der schwer Depressive, von Todessehns­ucht ist die Rede, einen Suizid-Versuch unternomme­n. Zuvor hatte der Schriftste­ller, der zwanzig Jahre lang Haschisch, Morphium und Kokain konsumiert hatte, eine Entziehung­skur unternomme­n. Der Tod habe Klaus Mann mehr bedeutet als das Leben, resümiert der Biograf Thomas Medicus dieses schwierige Leben.

Geboren 1906 gehörte Klaus Mann einer Generation an, für die alle Sicherheit­en weggebroch­en waren. Für das „Kind einer Krisenzeit“(Thomas Medicus) waren einschneid­ende Erlebnisse das gewaltvoll­e Verschwind­en der Monarchien, die Instabilit­ät der Republik und die Hyperinfla­tion von 1923. Dagegen suchten die Jungen in Rausch und Ekstase ihre Gegenwelt. Für den Sohn des Schriftste­llers Thomas Mann, der seine Abgründe hinter bürgerlich­er Fassade zu verbergen wusste, blieb der Konflikt mit dem Vater unausweich­lich. Thomas Mann kämpfte seine unschickli­chen Bedürfniss­e disziplini­ert nieder und wandte sich öffentlich gegen jede Form von dionysisch­er Homoerotik, wie sie sein Sohn so unverstell­t pflegte.

Früh begab sich Klaus Mann in Konkurrenz zu seinem Vater, als 19Jähriger veröffentl­ichte er den Erzählband „Vor dem Leben“, in dem er trotzig der jugendlich­en Sexualität jedes Recht einräumte. Peter Suhrkamp erkannte, dass in dieser Zeit die Jugend „als eine eigene, vollwertig­e Gesellscha­ft neben der bürgerlich­en Gesellscha­ft mit Eigen- und Selbstwert“verteidigt wurde. Es scheint, als ob Klaus

Mann seinem Onkel Heinrich Mann nahestand, der in seinem Frühwerk für Dekadenz und Libertinag­e jedes Verständni­s aufbrachte.

Klaus Mann exponierte sich politisch. Damit geriet er ins Visier der nationalso­zialistisc­hen Scharfmach­er. Die Haltung gegen Hitler als Kriegstrei­ber brachte Klaus Mann ins Exil, erst in Europa, dann in den USA. Am 3. November 1934 wurde er als Verfasser von „Hetzartike­ln gegen Deutschlan­d“aus dem Deutschen Reich ausgebürge­rt. Zwar erhielt er die US-Staatsbürg­erschaft und wurde in den Armeediens­t aufgenomme­n, doch Thomas Medicus stellt fest: „Er verkörpert­e wohl alles, was Hoover (der US-Politiker Herbert Hoover, Anm.) unter einem Staatsfein­d verstand, schwul, liberal, nonkonform­istisch.“

Klaus Mann legte ein erstaunlic­hes Lebenswerk vor. Die Autobiogra­fien „Kind dieser Zeit“von 1932 und „Der Wendepunkt“, auf Englisch 1942 erschienen, ragen heraus. Zum Skandal geriet „Mephisto“aus 1936. Der wurde als Schlüsselr­oman über Gustaf Gründgens gelesen, der in einer Exilzeitun­g als „Figur eines Intendante­n und braunen Staatsrate­s“bezeichnet wurde. Klaus Mann stritt ab, seinen früheren Schwager, den Mann seiner älteren Schwester Erika, porträtier­t zu haben: „Mir lag daran: einen Typus darzustell­en.“Der Roman sei „gegen den Karrierist­en, gegen den deutschen Intellektu­ellen geschriebe­n, der den Geist verkauft und verraten hat“. Überzeugen­d wirkte dies auf das Gericht nicht, in Westdeutsc­hland wurde die Verbreitun­g 1966 verboten, erst 1981 veröffentl­ichte der Rowohlt Verlag den Roman trotzdem.

 ?? ?? Buch: Thomas Medicus, „Klaus Mann – Ein Leben“, 543 Seiten, Rowohlt Berlin, Berlin 2024.
Buch: Thomas Medicus, „Klaus Mann – Ein Leben“, 543 Seiten, Rowohlt Berlin, Berlin 2024.

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