„Du kannst alles machen“
Rollenbilder neu gedacht: Mädchen sollen den Mut haben, neue Berufsfelder zu erobern. Bei Infineon Austria finden sich bereits technikaffine Damen, die in einem MINT-Beruf tätig sind.
ine Ausbildung beziehungsweise einen Beruf zu ergreifen, in dem das eigene Geschlecht unterrepräsentiert ist, erfordert Mut. Zu ebensolchen Berufsfeldern zählen die sogenannten MINT-Fächer – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Infineon Austria mit Sitz in Villach (Kärnten) hat vier Damen vor den Vorhang geholt, die hausintern in einem der MINT-Bereiche tätig sind. Es soll gezeigt werden, wie vielfältig, attraktiv und relevant MINT-Jobs heutzutage sind: „Wissenschaft und Technik haben im deutschsprachigen Raum völlig zu Unrecht ein Image mit wenig Strahlkraft. Insbesondere Mädchen und Frauen fühlen sich nicht angesprochen. Mit den bisherigen Maßnahmen ist es nicht gelungen, eine echte Trendwende bei der Berufswahl von Mädchen herbeizuführen“, sagt Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende Infineon Technologies Austria, überzeugt. Wo liegt das Problem? „Hier braucht es neue Zugänge! Studien zeigen deutlich: Mädchen wird, oft unbewusst, von klein auf im technischen und naturwissenschaftlichen Bereich weniger zugetraut. Das führt dazu, dass sie sich später selbst weniger zutrauen. Dazu kommen Vorurteile und ein gesellschaftlich geprägtes ,männliches Image‘ von Technologie.“Für Herlitschka liegt die Lösung auf der Hand: „Wir brauchen eine neue, geschlechtersensible Art der Vermittlung mit authentischen Rollenvorbildern, praxisnahen Einblicken in die tatsächliche Arbeitswelt und müssen viel stärker herausarbeiten, wie gesellschaftlich relevant MINT-Berufe sind.“Weiter: „Oft fehlt Jugendlichen, Eltern und Pädagoginnen und Pädagogen schlichtweg die Vorstellungskraft, welche spannenden und sinnstiftenden Berufe man mit absolvierter MINTAusbildung ausüben kann.“
Gegen Klischees in der Mathematik
Mit dem Gebiet der Mathematik beschäftigt sich Anna Posch – sie möchte mit Klischees aufräumen: Posch sieht nicht aus, wie man sich eine Mathematikerin vorstellt. Und hier liege bereits das Problem: Das landläufige Bild eines männlichen Mathematikprofessors mit kariertem Jackett sei grundsätzlich völlig überholt – wenn es überhaupt jemals gegolten hat. „In meinem Studium der technischen Mathematik an der Universität Klagenfurt gab es ein ziemlich ausgeglichenes Verhältnis zwischen Studentinnen und Studenten, auch im Doktoratsstudium und bei den Professorinnen und Professoren“, so die Mathematikerin.
Das zweite Klischee, mit dem Posch aufräumen kann: Mathematik wird nur gelehrt. „Die meisten, die erfahren, dass ich Mathematikerin bin, fragen, an welcher Schule ich unterrichte“, lacht die 29-Jährige. Wie viel Spaß Mathematik macht, hat Posch bereits im Gymnasium gemerkt. „Ich hatte eine tolle Professorin, die uns auch die Bedeutung und Anwendungsmöglichkeiten vermitteln konnte.“Heute arbeitet Posch als Senior Data Scientist bei Infineon in Villach und erlebt die Schönheit der Mathematik tagtäglich bei ihrer Arbeit. Datenanalyse und -modellierungen, Projekte zum Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Chip-Fertigung und Projekte, die sich mit dem allgegenwärtigen Thema „Large Language Models“(vielen eher über ChatGPT ein Begriff) beschäftigen, stehen auf ihrer persönlichen To-do-Liste. Wie das konkret aussieht? Sie programmiert viel, dazwischen ist die 29Jährige in Besprechungen, einen Teil ihrer Arbeit kann sie dank Digitalisierung auch von zu Hause aus erledigen. Was sie jungen Mädchen und Frauen in der Phase der Berufsorientierung raten würde? „Das Wichtigste ist: Du kannst alles machen. Einfach ausprobieren, etwas finden, das Freude macht. Sich selbst keine Hürden setzen und die ganze Bandbreite an Ausbildungen und Berufen erkunden. Die Matura ist eine gute Basis und du kannst etwas Technisches studieren, auch wenn du vorher nichts dergleichen gemacht hast!“
Leidenschaft für Informatik
Das nächste Best-Practice-Beispiel ist Chiara Janach, ihres Zeichens Multimediadesignerin. Die 23-Jährige hat beruflich etwas geschafft, das viele anstreben – mehrere ihrer Leidenschaften zu verbinden. Bei Chiara heißt das konkret: Kreativität, Technik und das gute Gefühl, Menschen zu helfen. Kurz vor ihrer Matura an einer Modeschule, als Janach noch einen Beruf in der Kreativwirtschaft anstrebte, stellte die FH Kärnten im Rahmen von Berufsorientierungstagen das damals relativ neue Studium „Multimediatechnik“vor. Die junge Villacherin war sofort begeistert – 3D-Modellierungen, Audiound Videotechnik sprachen ihren kreativen Geist an. Technisches Interesse brachte sie mit, technische Fertigkeiten wie Programmieren allerdings nicht. Mittels eines Vorbereitungslehrgangs eignete sie sich das technische Rüstzeug für ihr Studium an.
Wie ist ihr Zugang zu MINT-Berufen? „Mir ist es wichtig, jungen Menschen weiterzugeben: Traut euch bitte! Man kann Programmieren auch an der Uni lernen – und darf ruhig einen anderen Weg gehen als andere. Daraus ergeben sich erfrischende neue Perspektiven, was im Job später hochgeschätzt wird.“Bei Infineon Technologies ITServices
hilft Janach heute als ServicedeskMitarbeiterin ihren Kolleginnen und Kollegen auf der ganzen Welt weiter, wenn sie vor IT-Schwierigkeiten stehen – im persönlichen Gespräch, aber auch durch „Hilfe zur Selbsthilfe“. Das heißt: Mittels guter Anleitungen, die sie und ihre Kollegschaft erarbeiten. Dabei kommen ihr ihre kreativen und kommunikativen Fähigkeiten genauso zugute wie ihr technisches Know-how. Das Gefühl, jemandem wirklich das Leben zu erleichtern, und der Spaß im Team machen den Job für die 23-Jährige komplett. Neben ihrem Beruf verfasst sie als Buch-Bloggerin über digitale Plattformen Buchrezensionen, dabei liest sie übrigens fast ausschließlich analog. „Das Gefühl des Papiers, der Geruch und der Anblick eines vollen Bücherregals sind für mich unersetzbar – gerade, weil ich so viel mit digitalen Medien arbeite.“
Naturwissenschaften: Früh übt sich
Susanne Reischauer ist im Bereich der Naturwissenschaften tätig – sie arbeitet als Chemikerin. Die gebürtige Oberösterreicherin hat im Rahmen ihres Werdeganges bereits viel von der Welt gesehen: Studium in Graz, Doktorarbeit in Berlin, Forschung am Max-Planck-Institut in Potsdam, Studienaufenthalte in New York und Tschechien, Postdoc in Chicago.
Ihre Liebe zur Chemie wurde bereits früh entfacht – von ihrem ersten Chemiebaukasten. Mit diesem durfte die 29-Jährige erst im elterlichen Wohnzimmer und später (aus Sicherheitsgründen) im Gartenhaus experimentieren. Ein Tag der offenen Tür in einer Chemie-HTL tat sein Übriges: Die spannende Welt der Chemie und Materialwissenschaft ließ Reischauer nicht mehr los – führte sie ein Mal um die Welt und schließlich zurück nach Österreich. Seit März 2024 ist sie bei Infineon Austria in Villach als Senior Project Leader in der Technologieentwicklung beschäftigt. Dabei begleitet sie die Entwicklung neuer, noch energieeffizienterer Chips von den Kinderschuhen bis zur Marktreife und ihrem Einsatz, zum Beispiel in Solaranlagen. Welche Eigenschaften braucht es, um in einem solchen Job zu brillieren? Technisches Verständnis ist wichtig, genauso wie Projektmanagementfähigkeiten und ein Gespür für Menschen – denn Kommunikation ist beim Koordinieren von Projekten essenziell. „Wenn Leute das Wort Chemie hören, denken sie sofort an rauchende Schornsteine. Dabei ist Chemie so viel mehr, betrifft alle Lebensbereiche. Die Berufsmöglichkeiten reichen vom Krankenhaus bis zur Halbleiterindustrie, wo wir jeden Tag dazu beitragen, die Klimawende zu ermöglichen“, sagt Reischauer. Welchen Tipp sie jungen Menschen in der Phase der
Berufsorientierung gibt? „Sich möglichst viel anzuschauen, Praktika machen, sich nicht abschrecken lassen und seine Leidenschaft finden. Jeder Job lässt einen wachsen und bringt Erfahrung. Ich habe vom Kellnern bis zum Apothekenjob vieles gesehen und jeder Beruf hat mich dabei weitergebracht, meinen Weg zu finden.“
Sinn für Stil in der Elektrotechnik
Selma Karic ist studierte Elektrotechnikerin: Gebürtig aus Bosnien-Herzegowina stammend, kam die 29-Jährige zum Studium nach Österreich und stieg bald über ein Industriepraktikum bei Infineon ein. Ihren Bachelor und Master hat Karic in Graz absolviert. In Sachen Berufswahl plädiert sie für mehr Pragmatismus: „Wo ich herkomme, läuft die Berufswahl viel pragmatischer ab und ist weniger von Stereotypen geprägt. Wenn du dich für naturwissenschaftliche Themen begeistern kannst, dann steht dir das Tor zur Technik offen – egal ob Mädchen oder Bub.“In ihrem Fall hieß das: „Ich stand vor der Wahl zwischen Medizin oder Elektrotechnik – und ich habe mich ganz bewusst gegen den Arztberuf mit all seinen emotionalen Herausforderungen entschieden.“Doch auch das Elektrotechnikstudium ist herausfordernd, daraus macht sie keinen Hehl. „Aber wie immer, wenn du ein Ziel hast, gilt: Dranbleiben, konsequent sein und nicht gleich hinschmeißen. Danach wirst du dafür mit einem abwechslungsreichen, spannenden Berufsfeld belohnt, in dem du dich deinen Talenten und Vorlieben entsprechend weiterentwickeln kannst.“
Im Moment arbeitet Karic als System Verification Engineer und Verification Manager im Infineon-Entwicklungszentrum in Graz. Was wird dort gemacht? „Wir schauen uns an, ob die Mikrochips in Bankomatkarten, Reisepässen, E-Cards sowie die dazugehörige Software funktionieren. Und ob sie das machen, was sich unsere Kolleginnen und Kollegen in einer früheren Phase der Entwicklung vorgestellt und designt haben.“Ein abwechslungsreicher Job, halb im Labor, halb im Büro oder im Homeoffice.
Mit welchen Stereotypen die 29-Jährige aufräumen will? „Wir sind nicht die Nerds hinter dem Rechner, wie sich das viele vorstellen. Man kann unterschiedliche Aufgaben erledigen: Die einen wollen programmieren, die anderen lieber testen, die dritten lieber planen und managen. Man kann seinen Job auf den eigenen Stärken aufbauen“, erklärt Karic. „Und man kann aussehen, wie man will. Ich zum Beispiel gehe gerne gestylt ins Büro. Solange man authentisch ist, wird man auch ernst genommen.“Und genau das versucht die Elektrotechnikerin auch an junge Mädchen weiterzugeben.
sfi