DENIM ROUNDTABLE
Denim gehört zu den wichtigsten Bereichen der Modebranche, obwohl er in den vergangenen Jahren mit manchen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Für diese Spezialausgabe fragte WeAr erfahrene Denim-Experten, darunter sowohl junge als auch etablierte Marken, Stoffhersteller, Spezialretailer und Messeveranstalter, wie die Modeindustrie Denim wieder zu früherer Größe verhelfen kann. Einige Antworten waren so detailreich und faszinierend, dass wir eine eigene Seite auf unserer Homepage eingerichtet haben, um dem Umfang und den Inhalten der Ideen unserer Interviewpartner gerecht zu werden. Nachstehend finden Sie einige Auszüge daraus – zum kompletten Roundtable gelangen Sie über den QR-Code auf dieser Seite, der Sie direkt auf die Website weiterleitet.
FRANÇOIS GIRBAUD (01) MITBEGRÜNDER UND INHABER, MARITHÉ + FRANÇOIS GIRBAUD
Jeans sind das beliebteste Kleidungsstück der modernen Modegeschichte: Sechs Milliarden werden jedes Jahr weltweit produziert. Der Anbau der Baumwolle für eine Jeans erfordert 5.678 Liter Wasser plus 70 Liter für die Waschung. Und vergessen wir nicht die Insektizide – 25 % der weltweit produzierten Chemikalien werden von Baumwollfarmern verwendet. Dazu kommt, dass die Chemikalien für die Waschung und die künstliche Alterung der Jeans einige der giftigsten überhaupt sind […] Wollen wir wirklich einen Kontinent aus Plastik, der auf den weiter ansteigenden Meeren umhertreibt oder einen noch größeren Berg an nichtabbaubarer Altkleidung? Nein. Was also sind unsere Alternativen? Welche Ressourcen können Baumwolle ersetzen oder in die bestehende Lieferkette integriert werden: Bohnen, Gestein, Nüsse, Pflanzen, Mineralien? […]
Die Jeans hat schon mehrere Transformationen hinter sich, von Arbeitskleidung bis hin zum Luxuskleidungsstück. Ich würde den Kreis gern schließen und Workwear für heute kreieren, die auf einen urbanen Lebensstil ausgelegt ist. […] Ich glaube, meine Verantwortung als Designer liegt darin, Kleidung mit langfristigem Appeal zu kreieren, die den Leuten lange Freude bereitet […] Ich habe umweltfreundliche Verfahren wie die „Watt Wash“entwickelt, um die negativen Folgen für unseren Planeten und die Menschen, die an der Denimherstellung beteiligt sind, zu reduzieren. Wir verfügen heute über eine revolutionäre Lasertechnologie, über die wir Denim nach Belieben formen können, ohne dabei die Umwelt zu schädigen; die einzige Einschränkung ist unsere eigene Kreativität. […]
MARK WERTS (02) GRÜNDER, CEO, AMERICAN RAG CIE
Mit Denim soll es bergab gehen?! Vor vielen Jahren erzählte ich einem Multimillionär, dem texanischen Secondhand-Händler Jim Johnson, mal von einem, wie ich dachte, brillanten Geschäftsvorschlag. Jim hatte ständig einen Zahnstocher im Mund. Ich habe diesem extrem erfolgreichen Mann meine Idee erklärt und er war zuerst skeptisch, hat ein bisschen überlegt, und antwortete mir dann in seinem starken Texas-Akzent: „Ah, shit Mark, alles kann gut werden, wenn du’s gut machst.“Denim geht es gut. Es gibt keinen Rückgang. Hier bei American Rag Cie sehen wir stabile Verkaufszahlen für Denim und Denimprodukte. Jeder, der es „nicht gut macht“hat Schwierigkeiten. Denim ist eine weiße Leinwand, die vom Künstler abhängig ist, der auf ihr malt. Kreieren Sie wunderschöne Bilder. „MACHEN SIE ES GUT!“Sch**ß auf Rückgang.
PS: Ich habe mir gerade unsere Verkaufszahlen für Denim bei Damen und Herren angesehen. Wir haben in beiden Kategorien ein einstelliges Wachstum. Wir hatten 2019 NULL Rückgang. Ich glaube nicht an selbsterfüllende Prophezeiungen. Warum es einen Rückgang bei Denim gibt? Uns fehlen Neuerungen. Wir brauchen neue Stoffe, Finishes und Passformen. Bei den Styles würde ich den Five-PocketKlassiker nicht zu einer Modejeans umfunktionieren. Ich glaube, die Konsumenten identifizieren sich immer mit dem traditionellen Five-Pocket-Modell. Es ist verlässlich und die Trägerin vertraut dieser Jeans. Denimjeans sind heute sehr weich, obwohl Farben, Drucke und Schicht-Finishes sehr gefragt sind. Heute muss man innovativ sein und neue Treatments und Texturen kreieren. Bei L’Agence findet man nur Mode, die funktioniert, deshalb ist unser Denimgeschäft anderen immer einen Schritt voraus und wir sind eine der führenden Marken im Premium-Denim-Segment.
RUDY BUDHDEO
Denim läuft bei uns immer noch extrem gut – wahrscheinlich da unser Sortiment viel größer ist als bei anderen Retailern. Wir bieten eine Riesenauswahl an Styles in einer großen Bandbreite an Größen und Längen (bis zu 41 Inch Beininnenlänge). […] Unsere Mitarbeiter achten sehr darauf, über das beste Produktwissen zu verfügen, da Konsumenten heute sehr viel mehr Wert auf die Herstellungsprozesse legen; wir informieren sie darüber, wie sich das Textil verhalten wird, ob es möglicherweise einläuft oder verblasst. Kürzungen führen wir kostenlos und direkt im Laden durch, dafür verwenden wir unsere originale Kettenstichmaschine. Andere Anpassungen sind natürlich auch möglich, z. B. den Bund abnähen, Taschen anders platzieren und Hosenbeine ab der Innennaht zulaufend abnähen, wodurch der Selvedge nicht beschädigt wird. Außerdem haben wir eine riesige Auswahl an Denimhemden und -jacken. […] Viele Konsumenten wissen, dass wir bei den meisten unserer Produkte einzigartige Passformen anbieten, wenn sie dasselbe Modell also bei einem anderen Retailer anprobieren, wird es anders sitzen – wir nehmen vor allem Anpassungen in Bezug auf die Bundhöhe und den Zulauf der Hosenbeine vor. Das bedeutet, dass wir eine größere Mindestorder einkaufen und unsere Zulieferer Zusatzkosten verlangen, aber wir haben gelernt, dass das perfekte Produkt einfach essenziell ist. Daneben ist es großartig, Marken zu führen, die eine sehr ausgewählte Distribution haben, wie z. B. Smith-Sato-Suzuki und unsere eigene Brand Soldier Blue London. Aus all diesen Gründen sind unsere Kunden so loyal.
ADRIANO GOLDSCHMIED (05) PRÄSIDENT, HOUSE OF GOLD
Ich habe den Eindruck, dass es beinahe vollständig auf uns zurückzuführen ist, sollte Denim gerade nicht im Trend liegen, da wir wichtige strategische Fehler gemacht haben. Seit vielen Jahren kämpfen wir für Nachhaltigkeit, für Veränderungen innerhalb des Produktionszyklus, von der Baumwolle bis zur Indigo-Farbe, zu den Färbesystemen und natürlich den Finishes. Wir haben die Grenzen der Branche mit Innovationen und Technologie bis zum Letzten ausgereizt und haben ehrlicherweise auch dramatische und erstaunliche Resultate erhalten. Tatsache ist, dass wir die Macht von Design, Kreativität und neuen Kommunikationsideen komplett unterschätzt haben. Gerade das sind die Dinge, die Jeans zu einem Objekt der Begierde machen. Wir sollten von den Sneakers lernen … wir brauchen wieder frische Ideen, Kreativität und eine Portion Mut!
FATIH DOGAN (06) GESCHÄFTSLEITER, CALIK DENIM
Da auf dem Denimsektor gerade signifikante Investitionen getätigt werden, die zu einem Kapazitätsüberschuss und dementsprechend hohen Kosten und Preisen führen, befinden wir uns aktuell in einer preisorientierten Marktsituation. Wir glauben, dass die folgenden Strategien der Schlüssel zur Belebung des Denimmarkts und zur Abkehr vom preisorientierten Ansatz sind.
Zuerst müssen wir uns auf mehr Produktdifferenzierung konzentrieren, einschließlich nachhaltiger und Mehrwertprodukte, und Investitionen vorrangig in Forschung und Entwicklung lenken. Für Produktdifferenzierung ist es unumgänglich, den Einsatz von Denim über die Modeindustrie hinaus zu erweitern. In Hinblick auf Produktions- und Vertriebsstrategien ist Nachhaltigkeit ein unübersehbarer Faktor, der Denim den Weg in die Zukunft ebnen wird, da nicht nur Konsumenten, sondern auch unser Planet dies einfordern.
Zweitens glauben wir in Bezug auf unsere Kommunikationsstrategien, dass Partnerschaften innerhalb und außerhalb unseres Sektors mächtige Werkzeuge sind; sie unterstützen das gemeinsame Handeln und die gemeinsame Kommunikation, um in und rund um die Denim-Industrie Veränderungen und stärkere Bewusstseinsbildung voranzutreiben – Beispiele wären z. B. Projekte mit Universitäten, Marken und die Einrichtung von Non-Profit-Initiativen.
TRACEY TAN (07) MITINHABERIN, QUEEN’S COUTURE / THE DENIM STORE
Die letzten Jahre waren nicht gerade einfach für das Denimgeschäft. Wir beobachten auch, dass viele Brands wieder in ihren Archiven kramen und exakte Kopien früherer Kreationen nachproduzieren. Aus der Vergangenheit Inspiration zu schöpfen, ist an sich keine schlechte Sache. Als Retailer, der Kunden begeistern will, hoffen wir aber, bald neue Silhouetten mit Vintage-Stoffen, Details, Konstruktionen etc. oder frühere Silhouetten mit moderner Stoffgestaltung und anderen Innovationen zu sehen, die zum Lebensstil der Kunden von heute passen.
SEBASTIAN KLINDER (08) GESCHÄFTSFÜHRER UND INHABER, MUNICH FABRIC START EXHIBITIONS
Angetrieben vom Jahrtausend der disruptiven Technologie werden wir schon bald Zeuge einer Denim-Evolution werden, die man u. a. bereits bei Sneakern, Sportmode und Urbanwear beobachten konnte. Technologische Errungenschaften bilden dafür den Ausgangspunkt, angefangen mit alternativen Rohmaterialien – neuen Fasern, die zum großen Teil aus nachhaltigen Quellen stammen oder Hochleistungsinnovationen wie Kohlenstoff oder leitfähigen Textilien. Denim wird seit jeher immer leistungsorientierter, entweder in Richtung Wärmeregulation oder als Schutzkleidung im Bereich urbaner Mobilität. Designer setzen diese neuen Methoden und Techniken, die Jeans immer smarter und tragbarer machen, bereits ein. Auch die Automatisierung wird im Herstellungsprozess von Jeans eine immens wichtige Rolle spielen.
Neben einer neuen Ethik und Umweltregeln, die verantwortungsvolle Produktionsund Herstellungsprozesse fordern, wird es immer mehr Treatments mit sehr geringen Auswirkungen auf die Umwelt geben. Wir befinden uns an der Schwelle einer schönen, brandneuen blauen Welt – freuen wir uns drauf!
JORDAN NODARSE (10) GRÜNDER UND KREATIVDIREKTOR, BOYISH JEANS
Eigentlich glaube ich, Denim erlebt gerade eine Renaissance […] Die größte Veränderung sollte bei den Brands passieren. Hersteller verfügen bereits seit Längerem über die Technologie für eine nachhaltigere Lieferkette, aber Marken konzentrieren sich zu sehr auf Kostensenkungen für höhere Profitmargen. Das ist lächerlich rückständiges Denken.
Beschäftigt sich eine Marke mit ihrem ökologischen Fußabdruck und sendet eine klare Message echter Transparenz bis hin zu den Farmen, die die Faser produzieren, welche sie weiterverarbeiten, dann werden sie sehen, dass sich ihre Kunden mehr für ihre Produkte interessieren und ihnen einen höheren Wert zuschreiben. Immerhin liegt der Schädlichkeitsindex von Jeans zu 60 % beim Stoff, 30 % beim Waschen und CMT (Cut, Make, Trim) und zu 10 % beim Schneidabfall. Das meiste kann man also bei den Stoffen bewirken.
Lassen Sie Ihre Lieferkette von Profis zertifizieren und prüfen. Es sind viele Unwahrheiten im Umlauf. Beispielsweise haben nur 0,5 % der weltweit produzierten Baumwolle wirklich Bioqualität. Oh, und hören Sie auf, recyceltes Plastik in Alltagsbasics zu verwenden, die oft gewaschen werden. Mikrofaser-Auswaschungen sind ein Riesenproblem. Wir nehmen dieses Mikroplastik selbst auf und auch die Ozeane haben bereits mit acht Milliarden Tonnen davon zu kämpfen. Wenn Sie eine Marke sind, hören Sie auf, Abkürzungen zu nehmen, indem Sie abnormale Mengen recycelten Polyesters oder Nylon in Ihrer Mode verarbeiten. Auch wenn Sie Ozeanplastik kaufen und es zu recycelten Fasern weiterverarbeiten, ist das keine Lösung. Das Plastik gelangt trotzdem wieder ins Meer, nur diesmal ist es um vieles schädlicher!
GUGLIELMO OLEARO (09) DIREKTOR, DENIM PREMIÈRE VISION
Obwohl die Makroanalyse ein kontinuierliches Wachstum des Denimmarkts zeigt, ist die Kontingentsituation für viele Akteure schwierig. Der Markt ist fließend wie noch nie, die Bedürfnisse der Kunden entwickeln sich viel schneller als früher. Andererseits hat Denim sicherlich eine unglaubliche Anziehungskraft, wenn wir bedenken, dass er in beinahe allen [Mode-]Kollektionen enthalten ist, die Zahl neuer Denimbrands stetig steigt und er als Pionierstoff der nachhaltigen Textilentwicklung gilt.
Die große Herausforderung ist es, die Werte hinter der Marke „Denim“an neue Generationen an Jeansliebhabern weiterzugeben. Wir müssen das Produkt in den Mittelpunkt stellen und uns wieder Wissen darüber aneignen. Partnerschaften innerhalb der Wertschöpfungskette sind unerlässlich, genau wie eine flächendeckende und transparente Vision. Dies ist auch eines der Hauptziele von Denim
Première Vision: Wir konzentrieren uns auf verantwortungsvolle Modepartnerschaften und den Wissenstransfer. Handlungsschritte: Sich vernetzen und zusammenarbeiten, um Best Practices zu analysieren, zu definieren und auszutauschen, um die Qualität in der gesamten Wertschöpfungskette zu verbessern.
Den Standard echten Verantwortungsbewusstseins in allen Segmenten der Wertschöpfungskette anheben.
FRANCO CATANIA (11) CEO, GIADA
Giada folgte schon immer zertifizierten, ökologisch nachhaltigen Richtlinien zur Umsetzung unserer Produkte. Von der Denimfärbung mit natürlichem Indigo bis zu Waschungen mit reduzierten Mengen an Bimsstein und Wasser, das danach recycelt wird. Zusätzlich entwickelte Giada vor wenigen Jahren das „Ice Finishing“System: einen umweltfreundlichen Waschprozess, der mit Eis durchgeführt wird. […] Unsere Produktionsstätte in Bronte ist ein wesentlicher Teil unseres Erfolgs. Wir produzieren die gesamte Energie selbst und 60 % des Wassers werden in Reinigungsanlagen wiederaufbereitet. Das alles macht unsere Jeans umweltverträglicher. Mit Hand Picked versuchen wir auch, intelligente Sample-Sets zusammenzustellen, um der Überlastung der Lager durch Entsorgungsware entgegenwirken.
AGOSTINO POLETTO (12) GESCHÄFTSFÜHRER, PITTI IMMAGINE
Jüngere Konsumenten sind ein wichtiger Motor für die treibenden Veränderungen in der [Denim-]Branche. Unter den Katalysatoren für Weiterentwicklung sehe ich Modepartnerschaften, die zum Strategie-Tool werden, um neue Konsumenten zu erreichen. Ein weiterer starker Trend bezieht sich auf High-Tech-Personalisierungsoptionen: Features, die die Möglichkeiten für den Kunden und die Bandbreite an Gelegenheiten, um Denim zu tragen, erweitern. Wir planen momentan Projekte mit Denim-Fokus für die nächsten Ausgaben der Pitti Uomo: Wir alle lieben Denim – er ist einer der vielseitigsten und modischsten Stoffe überhaupt.
GORDON GIERS (13) CEO, CLOSED
Denim hat gerade einige große Chancen in Hinblick auf ökologische Verbesserungen, da es Innovationen gibt, die mächtig genug sind, um uns nachhaltige Jeans einen großen Schritt näher zu bringen. Wir bei Closed haben unsere ÖkoDenimlinie „A Better Blue“bereits vor drei Saisons gestartet. Heute verwenden viele unserer Denimkonkurrenten ebenfalls nachhaltige Textilinnovationen von Candiani oder anderen Herstellern. Wir aber haben den gesamten Prozess, zu 360 Grad [auf Nachhaltigkeit ausgerichtet]. Wir verwenden Stoffe von Candiani, die recycelt oder zumindest Biobaumwolle sind. Wir lassen unsere Modelinien in Italien nähen. Und wir waschen natürlich auch in Italien, mit unserem Langzeitpartner Everest. Wir haben Waschtechniken entwickelt, die herausragend und, wie ich glaube, auch unverwechselbar sind. „A Better Blue“-Jeans haben wahrscheinlich den kleinsten ökologischen Fußabdruck überhaupt.
Wir wollten ein nachhaltiges Produkt kreieren, das dieselbe Ästhetik wie die herkömmlichen Jeans in unserer Kollektion bietet. Deshalb haben wir versucht, bei den Waschungen und bei den Stoffen zumindest dieselben Resultate zu erzielen. Sie sehen gleich aus, sind jedoch weitaus nachhaltiger.
JASON DENHAM (14) GRÜNDER, DENHAM
Denim war immer großartig und wird uns noch lange erhalten bleiben, da er als Textil einfach einzigartig ist. Seine Wurzeln liegen in seiner Qualität: Er ist unempfindlich, vielseitig, haltbar und seit den 1850er-Jahren entwickelte er sich zum leistungsfähigsten, technischsten und nachhaltigsten Stoff, den wir heute tragen. Wir befinden uns in einer neuen Ära der Kommunikation, des Produktlebenszyklus und des Konsumentenverhaltens. Die Denimbranche ist so dynamisch wie immer. Es gibt heute mehrere Player aus dem oberen Segment, die großen Onlinekanäle, die Brands und den Laufsteg und alle machen aus Denim ihre ganz eigenen Kreationen. Produktion, Distribution und Kommunikation haben sich über die letzten 50 Jahre hinweg stetig weiterentwickelt und jetzt haben wir die Spitze erreicht, an der wir uns verändern müssen. Nachhaltigkeit steht auf der Prioritätenliste jedes Denimherstellers ganz oben und das zu Recht. Onlineverkäufe haben die Vertriebslandschaft verändert und Kommunikation geschieht heute digital. Akzeptieren Sie diese Tatsache und hören Sie niemals auf, sich weiterzuentwickeln.
MENNO VAN MEURS
Das Erste und Wichtigste, das wir tun müssen, um Denim wieder zu seinem früheren Glanz zu verhelfen, ist die Idee über Bord zu werfen, dass Denim Billigware oder noch schlimmer, Wegwerfware, sein kann. Machen wir Denim wieder zu dem, was er war: Der starke und langlebige Mittelpunkt jedes Kleiderschranks. Die Zukunft der Mode ist weniger, dafür aber hochwertigerer Konsum. Gut verarbeitete Jeans sollten als leuchtende Zukunft unserer Branche gelten. Denim ist das einzige Kleidungsstück, das mit der Zeit an Wert gewinnt. Jeans sind das attraktivste, vielseitigste und persönlichste Stück Mode, das wir kennen. Und betrachten wir Denim wieder als Workwear: eine Workwear des 21. Jahrhunderts. Jeder sollte sich sein perfektes Paar suchen, es tragen, schätzen, reparieren und sogar noch mehr: lieben lernen. Für mich sind hochwertige und ehrlich produzierte Jeans der perfekte Start für einen Paradigmenwechsel in der Modewelt: Kaufen Sie weniger, investieren Sie mehr! Tragen Sie Jeans!
MARCO LANOWY (16) GESCHÄFTSFÜHRER, ALBERTO
Denim funktioniert über neue Marken oder über Brands, die sich immer erneuern. Nur eine neue Waschung ist nicht mehr das Kerngeschäft von Denim. Wir machen Erfolge mit unserer Premium Business Jeans, aber auf den Flächen stellt es sich nicht richtig raus. Warum erschafft keiner eine Super-Denimwelt? Die meisten Denimflächen in Stores sehen zu gleich aus über das Jahr hinweg und man schafft keine neuen Impulse.
FATIH KONUKOĞLU (17) CEO, ISKO DIVISION
Bei Isko haben wir nicht den Eindruck, dass Denim gerade ein Tief erlebt. Vielleicht deshalb, weil zwei unserer Kernkonzepte Innovation und Kundenbedürfnisse sind. Unser Zentrum für Forschung und Entwicklung ist das Herzstück von Isko. Hier arbeitet ein Team aus Physikern, Chemikern, Biologen, Mathematikern und Textilingenieuren an Lösungen für echte Probleme und Bedürfnisse von Konsumenten, um das Leben der Menschen auf positive Weise zu beeinflussen. In der Folge bringen wir ständig neue Produkte auf den Markt, um unser Angebot stets frisch und spannend zu gestalten.
Ein Beispiel dafür ist unser „Vulcano“-Finish. Es ist ein neues laserfreundliches Finish, das natürliche, an Denim erinnernde, klare Effekte bei Laseranwendungen liefert. Dadurch werden chemische und Trockenprozesse überflüssig, wodurch die Produktion schneller und in Hinblick auf den Energieverbrauch effizienter wird. Wir können also durchaus behaupten, dass „Vulcano“schön und nachhaltig zugleich ist.
FABRIZIO CONSOLI (18) GRÜNDER UND CEO, BLUE OF A KIND
Ich habe den Eindruck, dass bestimmte Veränderungen, die die Denim-Industrie „durchgemacht“hat, uns erhalten bleiben werden. Wir sind gerade Zeugen einer Marktpolarisierung: Einerseits werden wir von Massenprodukten überflutet, die vielleicht eine oder zwei Saisons halten sollen, andererseits wird Denim immer mehr zum Premium-Kleidungsstück, „so wie Vinyl-Schallplatten in der Musik“, wie ein bekannter Branchenexperte mir vor Kurzem erklärte.
Technologie ist definitiv der Schlüssel zu Veränderungen in Richtung Nachhaltigkeit – ein nicht mehr wegzudenkendes Attribut heutzutage. Trotzdem fühlen wir alle den kulturellen Gegensatz, wenn wir Wissenschaft und Forschung einsetzen, um „antiquierte“visuelle Effekte und Finishes zu erzeugen.
Es braucht also eine neue Perspektive, heute mehr denn je. Wir müssen die Einstellung der Menschen zu Denim komplett umkehren und die „Love Story“wieder anheizen, die sie einst mit Denim verband. Wir müssen die Geschichte des Produkts erzählen, um die Einzigartigkeit jeder Jeans, die sie mit der Zeit gewinnt, aus der Perspektive einer persönlichen Beziehung mit ihrem Träger hervorzuheben.
TRICIA CAREY (19) DIREKTORIN GLOBALE GESCHÄFTSENTWICKLUNG – DENIM, LENZING
Es gibt eine moderne Definition von Denim, die seine lange Geschichte mit der Integration von Technologie verbindet, um den Bedürfnissen der heutigen Verbraucher gerecht zu werden. Denim ist nicht mehr nur ein 3x1-Köper einer Five-Pocket-Jeans. Heute besteht er aus Polyfaser-Blends, darunter TENCEL Lyocell, und kommt in vielen verschiedenen Textilgewichten, die zu jedem Lifestyle passen. Im weiteren Sinne steht Denim auch für Trucker, Kleider, Jumpsuits, Hemden, Stricktops und sogar Sneakers. Für Indigo ist Denim eine weiße Leinwand und die Fortschritte bei den Finishing-Technologien mithilfe von Ozon und Leder lassen zahllose Designoptionen zu. Ob auf der Straße oder auf dem Laufsteg – Denim ist der Inbegriff einer Demokratie für alle.
ENRIQUE SILLA (20) CEO, JEANOLOGIA
Es stimmt, dass wir einer Überproduktion gegenüberstehen, aber Konsumenten lieben authentische Bluejeans immer noch. Für eine bessere Zukunft und einen kontinuierlich starken Jeans-Hype arbeiten wir bei Jeanologia eifrig an drei Konzepten:
Kompletter Verzicht auf Wasser und toxische Chemikalien bei 100 % der globalen Jeansherstellung. Unser Ziel ist es, die weltweite Denimproduktion bis 2025 komplett zu „dehydrieren“und zu „entgiften“. Wenn wir als Industrie dieses Ziel erreichen, wird die neue Generation verstehen, dass wir im Herzen immer noch Rebellen sind und werden ihre Jeans mit Stolz tragen. Einführung eines neuen Sourcing-Modells, das die Produktion in Ländern mit billigen Arbeitskräften und Freihandelsbestimmungen mit dem Finishing nahe am Konsumenten in Amerika, Europa, China und Japan kombiniert. Dank Technologien wie Laser, „G2 Ozone“, „eFlow“und „H2 Zero“ist all das bereits möglich.
Zum ersten Mal in der Geschichte verfügen wir über alle nötigen technologischen Werkzeuge, um kleine und schnelle Serien zu produzieren, wodurch wir genau das produzieren, was wir verkaufen und nicht anders herum.
PAUL MARCIANO (21) MITBEGRÜNDER UND KREATIVDIREKTOR, GUESS
Es gibt endlose Kombinationsmöglichkeiten von Passform, Waschungen und Styles und Denim folgt wirklich seinem ganz eigenen Trendzyklus. Aus diesem Grund glaube ich, dass Denim jede Saison erneut ein Comeback hinlegen wird, ganz unabhängig davon, wie die Gesamtsituation der Modebranche gerade aussieht.
Um den Kunden einerseits hohen Tragekomfort zu ermöglichen, andererseits aber gleichzeitig die Umwelt zu schonen, müssen wir Öko-Textilien mit Performance-Technologie ergänzen. Der Guess Eco Denim wird mit einem vorreduzierten Indigo-Farbstoff hergestellt, der weniger Chemikalien benötigt und die Umweltbelastung des gesamten Herstellungsprozesses reduziert. Der Einsatz wiederverwendbarer Bimssteine für Distressed Denim und Taschenfutter aus 30 % recycelten Fasern bedeuten weniger Abfall und Letztere auch weniger Plastikflaschen auf Mülldeponien.
TSUYOSHI NOGUCHI (22) DIREKTOR, MINEDENIM
In den letzten Jahren war der japanische Denimmarkt relativ gesättigt. MINEDENIM, das zur Saison H/W 2016 gegründet wurde, sieht sich selbst nicht als Denimmarke, sondern eher als Label, bei dem Standard und Innovation Hand in Hand gehen. Wir halten uns bei den Details zurück und konzentrieren uns auf die Schönheit von Silhouetten. Eine unserer Stärken ist unsere Fabrik in der Präfektur Okyama, die international für ihren Denim bekannt ist. Somit garantieren wir die Qualität des Stoffs, der Finishes und der eingesetzten Verfahren. Natürlich ist der Preispunkt verglichen mit China und Vietnam höher; aber wir halten den Preis aufgrund der hohen Qualität für gerechtfertigt. Wir haben mit Stoffherstellern zusammengearbeitet, um den Waschprozess umweltfreundlicher zu gestalten. Durch das ständige Verfeinern unserer Herstellungsprozesse und -planung konnten wir außerdem unsere Abfallmengen verringern.
REINHARD HAASE (26) CEO, UNIFA GROUP
Früher suchten Einzelhändler auf Messen nach neuen Denimprodukten und -entwicklungen. Heute werden aber statt Messen eher Showrooms besucht und selbst da sehen Händler nur die Brands, für die sie Termine haben. Beispiel True Religion: Die Marke ist in den Köpfen der Einzelhändler immer noch mit dicken Nähten versehen und wird deshalb grundsätzlich abgelehnt [obwohl die Marke sich längst weiterentwickelt hat]. Einkäufer, die heute nicht König, sondern Kaiser sind, müssen wieder mehr reisen und neugieriger werden. Als jemand, der so lange im Business und sowohl Einzelhändler mit Jades, Produzent, Distributeur und Agent ist, kann ich sagen, dass Denim Zyklen hat und gerade sind wir in einer Phase, in der der Kunde andere Qualitäten wünscht. Das ist nicht außergewöhnlich, wir haben diese Phasen schon mehrmals durchlaufen. Das nennt man Trend. Wir verkaufen Denim noch gut, mehr bei Damen als bei Herren, in wenigen sehr guten Herrenläden, aber es fehlt ein Hype um den blauen Stoff – der muss wieder angeschoben werden.
DEBORAH TURNER (23) MANAGERIN MARKETING UND PRODKTENTWICKLUNG, VICUNHA
Die Denimbranche muss mehr Transparenz entlang der gesamten Produktionskette durchsetzen und den Konsumenten mehr Informationen über die Produkte liefern, die sie kaufen. Dieser Markt wird primär vom Preis angetrieben, aber Nachhaltigkeit muss als gleichwertig betrachtet werden. Ich bin immer überrascht, wie wenig der Endverbraucher über die Nachhaltigkeit der Produkte, die er kauft, Bescheid weiß. Hier können wir durch klareres, verständlicheres Marketing einiges verbessern.
Wir verweisen immer wieder gern auf die Tradition von Denim, aber wir müssen auch in die Zukunft blicken. Mode ist immer zyklisch und auch Denim hat Höhen und Tiefen. Er hat sich über die Zeit in immer mehr Kategorien ausgebreitet und hat heute viele Facetten.
Wir dürfen nicht stillstehen, wir müssen uns den Veränderungen stellen, neue Garne, Technologien und Produktionsmethoden nutzen, um auf die Wünsche und Bedürfnisse der Konsumenten von morgen eingehen zu können. Tommys erster Schritt in die Modewelt war, als er als 16-Jähriger Schlaghosen aus dem Kofferraum eines alten VW-Busses verkaufte, daher ist Denim seit jeher ein zeitloser Klassiker im Zentrum unserer klassisch amerikanischen, coolen DNA. Aber wir entwickeln uns ständig weiter und unsere Stärke liegt in unserer Experimentierfreudigkeit mit Innovationen, Nachhaltigkeit und Personalisierungsmethoden, die sich Kunden wünschen, und die für die Zukunft unserer Branche maßgebend sein werden.
Es liegt in unserer Verantwortung, Produkte mit mehr Bedacht herzustellen. In unserem Produktinnovationszentrum in Amsterdam setzen wir neue Maßstäbe für die Denimherstellung unter Verwendung von Verfahren, die den Wasser- und Energieverbrauch sowie den Einsatz von Chemikalien um bis zu 70 % reduzieren. Wir arbeiten mit den besten Partnern der Branche und hochmodernen Geräten vor Ort, um unsere Prozesse zu verfeinern und unsere Denimkollektionen weiter nach vorn zubringen. Das Zentrum gibt uns darüber hinaus die Möglichkeit, Samples zwischen Lieferanten hin- und herzuschicken […] Nur über eine kontinuierliche Diskussion, angetrieben durch Transparenz und das Teilen von Wissen rund um unsere Best Practice können wir unsere Industrie in die Zukunft führen.
KRIS PARK
Keine Panik, falls Ihr Wachstum momentan keine großen Sprünge macht. Denim ist zeitlos und jeder kommt irgendwann darauf zurück. Wir müssen ständig Neuerungen anbieten, um Konsumenten daran zu erinnern, dass Denim nicht nur ein Basic ist, sondern ein Modestatement, das sich an Trends anpasst und sie selber erschafft. In einer Welt des Konkurrenzkampfs, in dem Jeans oftmals zu sehr niedrigen Preisen angeboten wird, ist es umso wichtiger, Kunden über Ihre Produkte, deren Herkunft, deren Herstellungsprozess, deren Werte zu informieren. Warum ist dieser Denim anders? Woher kommt er? Wie wird er hergestellt? Die Qualität der Passform, der Herstellung, das Engagement, die Ethik und die Menschen hinter Ihrem Produkt sind der Schlüssel zum Erfolg.