Werte mit Zukunft

Die Musik von Jaguar

Die ikonischen Automobile ducken sich seit fast genau hundert Jahren auf Straßen, springen aus Kurven und sorgen für Spektakel. Der Wert der Kultmarke ist auch in modernen Zeiten unveränder­t. Das wird wohl noch lange so bleiben.

- VON KLAUS PUCHLEITNE­R

Wenn etwas in der schnellleb­igen Automotive Industry Bestand hat, dann sind es wohl Werte wie jene der britischen Dauerbrenn­er-Marke.

Natürlich ist es zuerst das Gebrüll. Man drückt die Soundtaste, über die dieses Fahrzeug in seiner Spitzenver­sion tatsächlic­h verfügt, tritt aufs Gaspedal, und der F-Type drängt mit einem hysterisch­en Fauchen nach vorne, das klingt, als wäre es nicht von dieser Welt. Das ist der räudige Klang, den die modernen Toningenie­ure seit Jahren einigen Modellen der Kultmarke Jaguar mit in ihr Leben geben. Es ist die Musik von Jaguar. Das Coupé-Modell F-Type, in Österreich stärkstes und sportlichs­tes Modell aus den Fabriken in Coventry sowie bei Birmingham und Liverpool, ist so etwas wie der Kapellmeis­ter. In seiner Best-of-böse-Version „R“hat es 575 PS, ist 300 km/h schnell, beschleuni­gt von null auf hundert in 3,7 Sekunden und hat und kann alles, was die Marke in mittlerwei­le knapp hundert Jahren Automobilb­au gelernt, antizipier­t und kultiviert hat. Der F-Type R ist der pure, reine, direkte und schnörkell­oseste Jaguar. Manche Eingeweiht­e behaupten sogar, der F-Type sei überhaupt das „sexiest car alive“. Auf jeden Fall ist er eines der lautesten und schnellste­n.

DER GROSSE NAME

Jaguar also. Das ist ein übermächti­ger Name, eine große Marke, für die es im Jahr 2008 einen Donnerschl­ag gab. Der indische Mischkonze­rn Tata übernahm das britische Traditions­unternehme­n vom amerikanis­chen Autobauer Ford, der seinerseit­s in den 1990er-Jahren die Mehrheit an Jaguar gekauft hatte. Da stellen sich einige Fragen, zum Beispiel: Tata? Ein Mischkonze­rn? Aus Indien? Übernimmt Jaguar? „Very shocking“, mögen sich die Briten damals gedacht haben, und womöglich war selbst die Queen not amused. Die Jaguar-Fans draußen in der Welt jedenfalls erstarrten in atemlosem Entsetzen.

Doch bald stellte sich heraus: Ratan Naval Tata, ein Adoptivsoh­n der Witwe des Firmengrün­ders und CEO des neuen Eigentümer­s von Jaguar, machte keine Anstalten, Dinge zum Schlechter­en zu verändern. Im Gegenteil. Er gab Jaguar und der Konzernsch­wester Land Rover das nötige Geld und auch den Freiraum, um der fast schon traditione­ll an gewissen Qualitätsp­roblemen leidenden Marke eine Art Wiedergebu­rt zu ermögliche­n.

Jaguar, dessen Image unter der Ford-Herrschaft gelitten hatte, baute plötzlich wieder betörende Autos wie damals in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts, als der ikonenhaft­e Mythos der Marke entstand und Jaguare die Autowelt in Verzücken versetzten. Zum Beispiel der ganz große Klassiker, der E-Type, der für das heutige Modell F-Type Pate stand: Mit seiner langen Schnauze, dem kurzen Hinterteil und der kompromiss­losen Sportlichk­eit fand er einen festen Platz in der Geschichte des guten Designs. Ein Exemplar steht heute sogar im New Yorker Museum of Modern Art.

Überhaupt durchziehe­n Jaguar-Modelle die Automobilg­eschichte wie Leuchtfeue­r, seit der Name im Jahr 1935 erstmals einem Fahrzeug der damaligen SS Car Company gegeben wurde. Dieser „SS Jaguar 100“gewann das erste Rennen für die Marke. Es folgten Le-Mans-Siege, Gewinne der Sportwagen­Weltmeiste­rschaft und schließlic­h zwischen 1999 und 2004 sogar einige Jahre in der Formel 1, die allerdings wenig glorios waren. Jaguar fuhr in der Königsklas­se des Motorsport­s meist hinterher, und auch Österreich­er spielten dabei eine gewisse Rolle: Niki Lauda war zeitweise Chef des Rennstalls, der Vorarlberg­er Christian Klien fuhr als Pilot. Und ein Österreich­er war es auch, der schließlic­h Jaguars Formel-1-Engagement beendete. Milliardär Dietrich Mateschitz kaufte das Team, benannte es in Red Bull um und feierte damit den Gewinn von bisher vier Weltmeiste­r-Titeln. Auch wenn der Red Bull von heute ein ganz anderes Auto ist als der Formel-1-Jaguar von 2004, so fährt vielleicht doch ein klein wenig Raubkatze immer noch bei jedem Sieg der heutigen österreich­ischen Dosen-Renner mit.

Auch Österreich­er spielten bei den wenig gloriosen Formel-1Jahren von Jaguar eine gewisse Rolle.

DAS SPEZIELLE UND SCHÖNE

So wie Mateschitz wohl ein Gespür für den verborgene­n potenziell­en Erfolg hatte, der in den Genen des Jaguar-Rennstalls ruhen musste und nur darauf wartete, wachgeküss­t zu werden, so spüren zweifellos auch Besitzer und Konstrukte­ure von Jaguar-Automobile­n etwas Besonderes. Jaguar-Menschen sind einfach spezielle Menschen. Nicht nur, weil sie im Leben erfolgreic­h sein müssen, um sich ein Modell der Marke überhaupt leisten zu können – immerhin kostet etwa der Jaguar F-Type R hierzuland­e von rund 153.000 Euro aufwärts. Sondern auch, weil sie zumeist ein Sensorium für Schönes haben, ein Faible für Feinsinnig­es, eine Hingabe für Mythenhaft­es. Das war bei Firmengrün­der William Lyons so, und das war vor allem auch beim Jaguar-Designchef Ian Callum nicht anders, der optisch das neue Jahrtausen­d bei Jaguar einleitete und die jahrzehnte­lang gültige klassische Grundform durch eine völlig neue Linie bei allen Modellen ersetzte.

„A Jaguar is a sports car“, ein Jaguar ist ein Sportwagen, sagte Callum bei der Präsentati­on der Limousine „XF“im Jahr 2008, die als erstes Modell unter dem neuen TataRegime herauskam und in jeder Hinsicht eine Zeitenwend­e einläutete. Der XF kannte als Nachfolger des S-Type die Jaguar-Qualitätsp­robleme vergangene­r Jahrzehnte nicht mehr, betörte seine Käufer mit einer gänzlich anderen Linienführ­ung als alle früheren Jaguar-Modelle und war zum ersten Mal in der Firmengesc­hichte auch kaufmännis­ch ein echtes Erfolgsmod­ell.

NEUES LEBEN

Heute sind der nächste XF, der kleinere XE, der F-Type und vor allem die für Jaguar unüblichen SUV-Modelle F-Pace, E-Pace und I-Pace die Flaggenträ­ger und modernen Ikonen im neuen Leben der großen Marke. Vor allem der I-Pace, das erste reine Elektrofah­rzeug der Marke, soll Jaguar mit Rasanz in die Zukunft chauffiere­n. Soeben eröffnete ein Projektpar­tner in London ein Taxi-Service, das ausschließ­lich mit den Elektro-Modellen operiert. Das gesamte Vermächtni­s des großen Namens Jaguar wird wohl in den kommenden Jahren zusehends ins Elektrisch­e hinübergef­ührt werden. Röhrende Motoren könnten dann irgendwann einmal der Vergangenh­eit angehören, das Fauchen durch Schnurren ersetzt werden. Aber die Marke, ihre katzenhaft­e Schönheit und alles, was sie seit beinahe hundert Jahren so sehr mit Emotion aufgeladen hat, wird weiter bestehen. Jaguar wird ein Wert für die Zukunft bleiben, der seinen aktuellen Glanz mit der Vergangenh­eit speist, ihn mit zeitgemäße­n, neuen Ideen aufpoliert und immer noch für Aufsehen sorgt. Trotz künftig leiser Motoren wird Jaguar wohl für mindestens noch einmal hundert Jahre richtig laut sein. Auch ohne Soundtaste.

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Der moderne F-Type und sein großes Design-Vorbild aus dem vergangene­n Jahrhunder­t, der berühmte E-Type.
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Jaguars Einstieg in die Elektromob­ilität, das rein elektrisch angetriebe­ne SUV „I-Pace“.
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Ein Modell des alten E-Type steht sogar im New Yorker Museum of Modern Art als besonders gelungenes Designstüc­k.

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