In lichten Höhen
Die Immobilien-Preise sind im Vorjahr weiter gestiegen. Aber wird dieser Trend anhalten? Wie wird sich die verstärkte Nutzung von Home-Working auf die Immo-Angebote auswirken? Und wie wird auf den Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit reagiert?
Im Vorjahr sind die Preise von Wohnimmobilien weiter gestiegen. ImmoExperten skizzieren, wie es am Immo-Markt weitergeht, wie sich die Präferenzen von Käufern ändern und welchen Stellenwert Nachhaltigkeit im Wohnbau hat.
Extravagantes hat seinen Preis.
So kam kürzlich im Wiener Zentrum ein 1.100 Quadratmeter großes Luxus-Apartment, das mit historischen Prunkräumen, einem modernen Loft und zusätzlichen Annehmlichkeiten aufwartet, zum Preis von 32,5 Millionen Euro auf den Markt. In solche lichten finanziellen Höhen werden wohl nur wenige Menschen, die auf der Suche nach einer Wohnimmobilie sind, vorstoßen. Da reicht es schon, dass die Immobilienpreise österreichweit auch 2020 weiter gestiegen sind. In Zahlen: Laut dem von der OeNB publizierten Immobilienpreisindex zogen die Preise in der Bundeshauptstadt im Vorjahr im Schnitt um 6,7 Prozent und im Rest von Österreich um 7,5 Prozent an. Damit setzte sich ein Trend fort, der bereits seit längerer Zeit währt. Sind doch die Immo-Preise laut OeNB zwischen 2007 und Ende des Vorjahres in Wien um insgesamt 118 Prozent gestiegen. Österreichweit, ohne Berücksichtigung von Wien, erreichte der Anstieg immerhin noch durchschnittlich 86,5 Prozent.
Michael Schmidt, Geschäftsführer der 3SI Immogroup: „Immobilien gelten weiterhin als sicheres Investment. Die aktuelle Situation erinnert sehr an die Zeit der Finanzkrise ab 2008. Auch damals war alles, was mit Wohnen zu tun hat, gefragt. Egal ob es um Wohnungen oder Zinshäuser geht. Das Gleiche gilt für Grundstücke, bei denen vor allem in den Speckgürteln die Preise schon massiv angestiegen sind. Ich denke, dass die Immobilienpreise generell weiter steigen können. Aber die Anstiege werden nicht mehr so stark ausfallen wie etwa im Vorjahr.“
Ähnlich fallen die Schätzungen von 50 in Österreich aktiven professionellen Immobilieninvestoren aus, die das Real-Estate-Team des Consulting-Unternehmens EY im Oktober und November des Vorjahres zu weiteren Entwicklungen am Immobilienmarkt befragt hat. Bei Wohnimmobilien in sehr guten Lagen rechnen zwei Drittel der von EY befragten Experten mit weiteren Preisanstiegen. Bei in der Peripherie gelegenen Wohnungen gehen 48 Prozent der Immo-Profis von steigenden Preisen aus. Für Immobilien in 1b-Lagen rechnen 59 Prozent der Experten mit gleichbleibenden Preisen.
INTAKTER ANLAGETREND
Dass die Nachfrage nach den eigenen vier Wänden und speziell auch bei Vorsorgewohnungen hoch bleiben wird, glaubt BUWOG-Geschäftsführer Andreas Holler: „Investments in Wohnungen sind vielleicht der aktuell wichtigste Veranlagungstrend überhaupt. Für Eigennutzer ist die ersparte Miete die Rendite, bei Vorsorgewohnungen sind es die Mieteinnahmen, die verglichen mit dem Ertrag von Bankguthaben oder festverzinslichen Wertpapieren enorm attraktiv sind. Die beiden Bereiche verschmelzen immer mehr, da sich immer mehr Käufer die Option Eigennutzung offenhalten und auf den Steuervorteil der klassischen Vorsorgewohnung verzichten.“Dass vor allem bei ohnehin schon teuren Wohnungen der preisliche Plafond erreicht ist, meint Michael Klement, CEO des Immobilienentwicklers United Benefits Holding. Klement: „Im Luxussegment wird es schwierig. Bei Wohnungen mit Quadratmeterpreisen von 5.000 oder 6.000 Euro können die Preise weiter anziehen. Die Nachfrage ist insgesamt aber intakt, manche Investoren kaufen bereits die dritte oder vierte Eigentumswohnung.“
NAHERHOLUNGSGEBIET UND FREIRAUM
Beim Kauf oder beim Mieten von Wohnungen zeigt sich seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie eine Verschiebung der Präferenzen. Das ist verständlich, ist doch der Stellenwert von Wohnen nicht zuletzt durch die Lockdowns gestiegen. So ist etwa die Nachfrage nach Immobilien in der Nähe von Naherholungsgebieten stark angestiegen. Das Gleiche gilt für Einheiten mit Balkonen oder Terrassen. BUWOG-Geschäftsführer Holler: „Die erste Frage ist seit Corona die nach Freiflächen, die zweite sehr oft nach abtrennbaren Arbeitsplätzen in der Wohnung. Aber selbstverständlich wird weiter großes Augenmerk auf effiziente Grundrisse gelegt, auch Gemeinschaftseinrichtungen wie etwa Fitnessbereiche sind wichtig und der Standort muss passen – urbane Infrastruktur, viel Grün im Umfeld und gute Verkehrsanbindung.“
United-Benefits-Holding-CEO Klement pflichtet bei: „Abgesehen von Pendlerwohnungen gelten Einheiten ohne Außenbereich nicht mehr als zeitgemäß. Und der Außenbereich muss nutzbar sein.“Diesen Ansprüchen werden etwa Wohnungen, die nur einen kleinen Raucherbalkon haben, natürlich nicht gerecht. Ins gleiche Horn stößt 3SI Immogroup-Experte Schmidt: „Wohnen ist wichtiger geworden. Bei der Entscheidung zum Wohnungskauf spielen Freiflächen eine sehr wichtige Rolle. Auch beim Wunsch nach mehr Wohnraum hinterlässt die Pandemie Spuren. Einzimmerwohnungen sind ins Hintertreffen geraten. Stattdessen suchen Kaufwillige nach Zweizimmerwohnungen. Wer bisher nach Bleiben mit zwei Zimmern Ausschau hielt, sucht nun nach einer Behausung mit drei Räumen.“
„Die Immo-Preise können weiter steigen. Aber die Anstiege werden nicht mehr so stark ausfallen wie etwa im Vorjahr.“
MICHAEL SCHMIDT, 3SI IMMOGROUP
WAS IST LEISTBAR?
Aber der Wunsch nach mehr Raum hat auch seine Grenzen. United-Benefits-Holding-CEO Klement: „Es ist verständlich, dass viele Menschen gerne in Einheiten in Städten in zentraler Lage mit 100 Quadratmetern Wohnfläche und einer Terrasse mit zumindest zehn Quadratmetern leben wollen. Häufig scheitert es dabei an der Leistbarkeit, was zu einem Umdenken führen kann.“Das gilt auch für regionale Präferenzen. Klement: „Für viele sind etwa Wohnungen in den inneren Wiener Bezirken schlichtweg unerschwing
lich geworden. Eine Alternative bieten andere Bezirke mit guter Anbindung an das Zentrum. Der 22. Wiener Gemeindebezirk gilt als trendig, auch der 10., 11. und 20. Bezirk gewinnen an Popularität.“
Fakt ist, dass die Leistbarkeit von Wohnraum nur individuell zu beurteilen ist. Zieht man die Auswertungen der europäischen Statistikbehörde Eurostat zum Vergleich der Erschwinglichkeit von Wohnraum heran, zeigt sich zumindest, dass die Bewohner der Alpenrepublik im Schnitt günstiger wegkommen als jene anderer Staaten. So mussten griechische Haushalte im Jahr 2019 rund 39 Prozent ihres Einkommens für die Wohnkosten berappen. In Deutschland und der Schweiz lag der Anteil bei 26 Prozent, in Österreich bei etwas mehr als 18 Prozent. Aber es gibt auch einkommensschwache Schichten, die unter einer Überbelastung durch Wohnkosten leiden. So lebten laut dem deutschen Statistischen Bundesamt im Jahr 2019 etwa sieben Prozent der österreichischen Bevölkerung in Haushalten, in denen mindestens 40 Prozent des verfügbaren Äquivalenzeinkommens für Wohnraum ausgegeben werden musste. Beim armutsgefährdeten Bevölkerungsanteil Österreichs belief sich die Quote der Überbelastung durch Wohnkosten auf knapp 41 Prozent.
NACHHALTIG IM HOMEOFFICE
Die Corona-Pandemie hat auch bewirkt, dass die Verbreitung des Arbeitens von zu Hause deutlich zugenommen hat. Wie wichtig die Nutzung von Home-Working künftig sein wird, kann nicht eindeutig beantwortet werden. Sicher ist hingegen, dass bei Umbauten von Wohneinheiten Rücksicht auf den Trend zu einem möglichen dauerhaften Anstieg von Home-Working genommen wird.
3SI Immogroup-Geschäftsführer Schmidt: „Ich glaube, dass die Zusammenarbeit in Büros wieder wichtiger werden wird, weil der Stellenwert des persönlichen Kontakts nicht
zu unterschätzen ist. Dennoch wird den veränderten Anforderungen auch in Bezug auf Home-Working Rechnung getragen. Bei Sanierungen werden Wände versetzt, der Grundriss wird angepasst. Auch bei Neuerrichtungen haben sich die Grundrisse verändert. Das ist generell dem Anspruch einer besseren Nutzbarkeit von Wohnungen geschuldet.“Stichwort Anspruch: Auch beim Wunsch nach Wohnimmobilien, die den Anforderungen an mehr Nachhaltigkeit genügen, zeigt sich eine Phasenverschiebung. 3SI-Immogroup-Experte Schmidt: „Die Wertschätzung für Nachhaltigkeit ist stark gestiegen. Die Errichtung nachhaltiger Gebäude ist jedoch mit höheren Baukosten verbunden.“Dem pflichtet Invester-CEO Klement bei: „Die ESG-Thematik wird noch wichtiger werden. Das ist bei den Projektentwicklern bereits angekommen. Aus Sicht von Immobilien-Investoren besteht die Bereitschaft, für nachhaltige Immobilien einen höheren Preis zu bezahlen. Bei Mietern wird das noch eine Weile brauchen.“
Trotz der durch die Corona-Pandemie ausgelösten Unsicherheit hat sich der Wiener Zinshausmarkt im Jahr 2020 relativ gut entwickelt. 3SI-Immogroup-Experte Schmidt: „Wiener Zinshäuser werden seit 100 Jahren nachgefragt. Daran hat sich auch im Vorjahr nichts geändert.“Das ist aber nicht den mit Zinshäusern erzielbaren Renditen geschuldet. Das belegen die in der aktuellen von OTTO Immobilien publizierten Studie namens „Erster Wiener Zinshaus-Bericht“angeführten Zahlen. Demnach ist mit Zinshäusern nur mehr in einigen Wiener Bezirken eine Rendite von über drei Prozent erzielbar. Dazu zählen laut der Studie die Bezirke 10, 11, 21, 22 und 23. Eine Verschiebung zeigte sich bei der Käuferstruktur. Im Vorjahr waren rund 35 Prozent der Käufer Privatpersonen, während deren Anteil an der Käuferschar im Jahr davor noch bei 18 Prozent lag. 3SI-Geschäftsführer Schmidt:
„Zinshäuser werden oft als Liebhaberobjekt und als langfristiges Investment und nicht mehr wegen der erzielbaren Renditen erworben.“
AUFSCHWUNG – BITTE WARTEN
Oft ist es schlau, rechtzeitig die Reißleine zu ziehen. Das ist beim Immobilien-Projekt namens „LeopoldQuartier“im 2. Wiener Gemeindebezirk passiert. Ursprünglich war auf einem knapp 23.000 Quadratmeter großen am Wiener Donaukanal gelegenen Areal die Errichtung von 700 frei finanzierten und geförderten Wohnungen sowie eines Hotels mit 700 Zimmern geplant. Nach Ausbruch der Corona-Pandemie kam der Schwenk.
Nun werden mit Fertigstellungstermin 2024 Wohnungen, City Apartments und gewerblich genutzte Flächen errichtet.
Ein Mehr an Grün, Shared Spaces für Büronutzung, Gemeinschaftsbereiche wie Fitnesscenter und Veranstaltungsräume sowie ein Kindergarten runden das Großprojekt ab. Die Hotelerrichtung wurde vom Immobilienentwickler UBM Development gänzlich gestrichen. Diese Entscheidung kann sich noch als sehr vorteilhaft erweisen. Hat doch der Bereich der Hotellerie besonders stark unter der Corona-Pandemie gelitten.
Dementsprechend gehen Experten davon aus, dass die Erholung im Hotelbereich noch auf sich warten lassen kann. Diese Meinung teilen auch von EY befragte ImmoInvestoren. So gingen vorigen Herbst 53 Prozent der Experten davon aus, dass sich das Segment der Business-Hotels in den Jahren 2022 und 2023 erholt haben wird. Mehr als ein Drittel der Immo-Profis war jedoch der Überzeugung, dass sich gar keine Erholung einstellen wird. Optimistischer wurde die Lage für die Ferienhotellerie eingeschätzt. Drei Viertel der Immo-Profis rechneten bis übernächstes Jahr mit einer Erholung, nur sieben Prozent hatten keine Hoffnung auf Besserung.