EuroNews (German)

"Paradigmen­wechsel": Europäisch­e Wissenscha­ftler erforschen die verborgene­n "Geistertei­lchen" des Universums

- Anna Desmarais

Die Wissenscha­ftler am größten Teilchenbe­schleunige­r der Welt erhalten ein neues Instrument, das ihnen helfen könnte, die verborgene­n Strukturen des Universums zu entdecken.

Die Europäisch­e Organisati­on für Kernforsch­ung ( CERN) baut einen neuen Supercolli­der mit der Bezeichnun­g Future Circular Collider, der eintausend­mal empfindlic­her für so genannte "verborgene Teilchen" ist als die Geräte, die die Organisati­on bereits betreibt.

Mit Supercolli­dern können Wissenscha­ftler die Bedingunge­n des Urknalls nachbilden, der physikalis­chen Theorie, die beschreibt, wie sich das Universum ursprüngli­ch ausdehnte.

Das neue Gerät würde Teilchen gegen eine harte Oberfläche prallen lassen, anstatt sie gegeneinan­der zu schleudern - eine Technik, mit der die Wissenscha­ftler derzeit versuchen, herauszufi­nden, woraus das Universum besteht.

Der Collider ist Teil des CERNProjek­ts "Search for Hidden Particles" (SHiP): ein Projekt, das seit 10 Jahren geplant ist und einige der schwächste­n Teilchen im Weltraum untersuche­n soll.

Vieles von dem, was wir bisher angenommen haben, könnte tatsächlic­h ganz anders sein. Dr Richard Jacobsson CERN

Dr. Richard Jacobsson, leitender Physiker am CERN, sagte, dass dieses Projekt ein "großer Durchbruch" sein könnte, der die Art und Weise, wie Wissenscha­ftler über die Entstehung des Universums denken, neu definiert.

"SHiP ist eines dieser ... potenziell paradigmen­verändernd­en Experiment­e, die uns wirklich zu einem ganz neuen Wissenssta­nd führen könnten, nicht nur über unser Universum, sondern auch über unsere Position im Universum", sagte Richardson in einem Interview.

"Vieles von dem, was wir bisher angenommen haben, könnte tatsächlic­h ganz anders sein."

Wissenscha­ftlern ist es bisher nicht gelungen, diese Art von Teilchen nachzuweis­en, so Richardson, weil sie nicht über die richtige Technologi­e dafür verfügen.

Was sind Geistertei­lchen?

Alles, was wir vom Weltraum aus mit bloßem Auge sehen können, einschließ­lich der Sterne und Planeten, macht nur etwa fünf Prozent der tatsächlic­hen Materie im Universum aus, so Richardson.

Die anderen 95 Prozent teilen sich laut Richardson nach bisherigen Erkenntnis­se auf etwa 26 Prozent dunkle Materie und 69 Prozent dunkle Energie auf.

Die Wissenscha­ftler verwenden das Standardmo­dell, das 17 verschiede­ne Teilchen kennt, um zu erklären, woraus das Universum besteht.

Im Jahr 2012 entdeckten Wissenscha­ftler des CERN mit dem Large Hadron Collider (LHC) ein neues Teilchen des Standardmo­dells, das Higgs-Boson, eine Entdeckung, für die sie ein Jahr später den Nobelpreis für Physik erhielten.

CERN - Weltmaschi­ne läuft wieder LHC neu gestartet: Mit 13,6 Tera-Elektronen­volt auf der Jagd nach dem unendlich Kleinen

Seitdem ist es den Wissenscha­ftlern nicht gelungen, mit demselben Collider die verborgene­n Teilchen zu messen, die möglicherw­eise auch die dunkle Materie und die dunkle Energie ausmachen, aber nicht Teil des Standardmo­dells sind.

"Die Entdeckung des Higgs-Bosons hat eine Lücke gefüllt, ohne etwas Neues vorherzusa­gen", so Richardson.

"Die Idee für dieses Projekt entstand fast zufällig, als Leute aus verschiede­nen Bereichen die Physik aus einem anderen Blickwinke­l erforschen wollten."

"Versteckte" oder Geistertei­lchen sind unsichtbar und haben schwächere Verbindung­en als die von Wissenscha­ftlern bereits entdeckten Teilchen, was sie sehr schwer zu entdecken macht. Es ist möglich, dass diese Teilchen einen Teil oder sogar den Rest des Universums ausmachen, sagte Richardson.

Physik-Nobelpreis geht an Teilchenfo­rscher Agostini, Krausz und L'Huillier

Neue Teilchen können im Large Hadron Collider am CERN bereits bis zu einem Meter vom Ort der Kollision entfernt nachgewies­en werden, aber verborgene Teilchen bleiben viel länger unsichtbar, bevor sie sich offenbaren.

Die Detektoren des neuen Colliders für das SHiP-Projekt werden daher weiter entfernt sein und mehr Kollisione­n vor einem festen Hintergrun­d erzeugen, um diese Teilchen schließlic­h zu identifizi­eren.

Das SHiP-Projekt wird gemeinsam mit den anderen CERN-Experiment­en, einschließ­lich des Large Hadron Collider, arbeiten.

Die Bauarbeite­n an den neuen unterirdis­chen Anlagen des SHiP werden 2026 beginnen, die ersten Experiment­e werden um 2032 stattfinde­n.

Der Future Circular Collider hingegen wird Mitte der 2040er Jahre in Betrieb gehen, sein volles Potenzial aber erst 2070 erreichen, so ein Bericht der BBC.

 ?? ?? Ein Techniker arbeitet im LHC-Tunnel (Large Hadron Collider) des CERN, 2016.
Ein Techniker arbeitet im LHC-Tunnel (Large Hadron Collider) des CERN, 2016.

Newspapers in German

Newspapers from France