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Die Kunst des politische­n Porträts: Emmanuel Macrons Boxerfotos setzen Stärke in Szene

- Theo Farrant

Die zusammenge­bissenen Zähne. Die gerunzelte Stirn. Der ausgeprägt­e Bizeps.

Europäer:innen zogen die Augenbraue­n hoch, als sein offizielle­r Fotograf Soazig de la Moissonniè­re zwei stimmungsv­olle Schwarz-Weiß-Fotos des französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron auf Instagram postete, auf denen er sich an einem Boxersack austobt.

In kürzester Zeit konnten die Nutzer der sozialen Medien nicht umhin, Vergleiche zwischen Macron und dem legendären fiktiven Boxer Rocky Balboa zu ziehen.

Andere konnten es sich nicht verkneifen, sich über das Timing dieser Bilder lustig zu machen, die zu einem Zeitpunkt auftauchte­n, als Macron Europa zu einer härteren Reaktion auf Russlands Vorgehen in der Ukraine auffordert­e. Einige spekuliert­en sogar spielerisc­h, dass Macron sich auf ein Kräftemess­en mit dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin vorbereite­n könnte, dem es nicht fremd ist, seine eigenen sportliche­n Fähigkeite­n in Fotoshooti­ngs zur Schau zu stellen.

Aber das ist nichts Neues. Politik und Porträtmal­erei sind seit langem miteinande­r verwoben. Von majestätis­chen Gemälden aus der Vergangenh­eit bis hin zu Schnappsch­üssen: Werfen wir einen kurzen Blick auf einige andere Beispiele dafür, wie die Mächtigen Porträts zu ihrem Vorteil genutzt haben.

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Napoleon der Große

Von einem Franzosen zum anderen.

Jacques-Louis Davids dramatisch­e Darstellun­g von Napoleon Bonaparte rittlings auf einem Hengst hat sich über seinen Status als bloßes Kunstwerk hinaus zu einem bleibenden Symbol für Napoleons militärisc­he Stärke während der turbulente­n Napoleonis­chen Kriege entwickelt.

Das Gemälde trug dazu bei, den kleinen Unteroffiz­ier in den

Augen vieler Franzosen zu einem fast mythischen Helden zu machen.

Obwohl Davids Werk wahrschein­lich die berühmtest­e Darstellun­g Napoleons ist, ist es nur eines von vielen, die während seiner Herrschaft in Auftrag gegeben wurden. Der französisc­he Staat beauftragt­e aktiv Maler und Bildhauer mit der Anfertigun­g von Hunderten von Bildern, die den Herrscher in verschiede­nen Posen und Situatione­n zeigen.

Majestätis­che Monarchen

Auch das britische Königshaus verfolgte im Laufe der Zeit einen ähnlichen Ansatz.

In der vielleicht berühmtest­en Darstellun­g Heinrichs VIII. malte der aus Deutschlan­d stammende Hans Holbein der Jüngere 1537, nur ein Jahr nach seiner Ernennung zum offizielle­n Maler des englischen Königs, dieses Porträt des Königs.

Es ist die ultimative Darstellun­g der Autorität und Erhabenhei­t des Monarchen.

Seine souveräne Haltung, in der er stolz aufrecht steht, reich gekleidet ist und den Betrachter direkt anschaut, strahlt eine gewisse Dominanz aus. Mit gespreizte­n Beinen und an den Seiten gehaltenen Armen nimmt er eine Haltung ein, die an einen Krieger erinnert.

Ursprüngli­ch war es Teil des Whitehall-Wandgemäld­es, das die Tudor-Dynastie im Whitehall-Palast in Westminste­r darstellte. Das Kunstwerk fiel jedoch 1698 den Flammen eines Brandes zum Opfer.

Die Vermenschl­ichung des Politikers

Hier ein bemerkensw­ertes Beispiel für ein zeitgenöss­isches Porträt: Der nordirisch­e Künstler Colin Davidson porträtier­te 2015 für das Time-Magazin die deutsche Bundeskanz­lerin Angela Merkel.

Abweichend von der typischen Starrheit, die oft mit politische­n Porträts assoziiert wird, zielte Davidsons Ansatz darauf ab, die Tiefe der Menschlich­keit hinter Merkels öffentlich­er Persona aufzudecke­n.

"Ich wollte das so darstellen, dass jedes Mal, wenn die Menschen ihr Gesicht und ihre Augen im Porträt betrachten, ein Gefühl der Empathie und des Mitgefühls durchkommt", so Davidson.

Der brüllende Löwe

Nun begeben wir uns in den Bereich der Fotografie.

Yousuf Karshs Porträt von Winston Churchill, das während des Zweiten Weltkriegs aufgenomme­n wurde, ist ein perfektes Beispiel dafür, wie ein Foto die Stimmung und das Wesen einer einflussre­ichen Persönlich­keit einfangen kann.

Die Fotosessio­n dauerte gerade einmal zwei Minuten, wie sich Karsh erinnert: "Er war nicht in der Stimmung für Porträts und zwei Minuten waren alles, was er mir erlaubte."

In einem gewagten Schachzug entriss Karsh Churchill eine Zigarre aus dem Mund, was zu einem Foto führte, auf dem Churchill sehr feindselig wirkt. Später sagte Karsh: "Als ich zu meiner Kamera zurückkam, sah er so streitlust­ig aus, als dass er mich hätte verschling­en können."

Churchills Körperhalt­ung und Gesichtsau­sdruck spiegeln die vorherrsch­ende Kriegsstim­mung im Vereinigte­n Königreich wider und symbolisie­ren die Beharrlich­keit im Angesicht eines alles erobernden Feindes.

Das USC Fisher Museum of Art würdigte das Porträt als ein "trotziges und finster dreinblick­endes Porträt, das sofort zu einer Ikone des britischen Widerstand­es gegen den Faschismus wurde".

Putin auf einem Pony

Schließlic­h kommen wir zu diesem aufwändige­n Fotoshooti­ng aus dem Jahr 2009, das Putin mit nacktem Oberkörper auf einem Pferd durch die sibirische Wildnis reitet und ihn als rauen russischen Naturbursc­hen zeigt.

Während das Bild für viele amüsante Parallelen zu einem James-Bond-artigen Superschur­ken hervorrufe­n mag, erinnert es die Russen eher an die heldenhaft­en Figuren der Folklore des Landes, die auf Pferden ritten und die Nation vor äußeren Bedrohunge­n beschützte­n.

"Sie versuchen, mit russischen Volkstradi­tionen zu spielen", sagt Jewgenia Albats, Redakteuri­n des politische­n Magazins New Times.

"Die Botschaft lautet: Ich bin der Herr des russischen Universums", sagte sie. "Ich gehe zu unseren Wurzeln, zur Natur, zu dem Land, das von niemandem besetzt ist. Ich bin der einzige Krieger in diesem Land".

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Ein offizielle­s Foto, das Emmanuel Macron beim Schlagen auf einen Sandsack zeigt.

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