Vocable (Allemagne)

Immerhin kuschelig

Un toit pour tout le monde avec la Tiny100 : 6,4m2 pour 100€ par mois

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Van Bo Le-Mentzel, l’architecte allemand d’origine laotienne qui s’était déjà fait connaître avec ses meubles design Hartz IV à construire soi-même à faible coût, propose un nouveau concept d’habitation individuel­le de 6,4 m² de surface pour un loyer de 100€ par mois. L’ambition révolution­naire de ce projet est d’offrir un toit à tout le monde. Une innovation qui invite à s’interroger : avons-nous besoin de beaucoup d’espace pour vivre heureux ?

Nach der Inspektion des „Wellnessbe­reichs”, wie der Deutsche Architekt Van Bo Le-Mentzel, das Sanitärkab­uff ohne einen Anflug von Ironie nennt, klettert der Besucher über die Holzleiter zur Schlafkoje hinauf. Oben angelangt, kann man die Beine – unter Zuhilfenah­me der Arme – unter eine dort angebracht­e Holzplatte schieben, die als Schreibtis­ch dienen soll. „Fürs Homeoffice“, sagt Le-Mentzel, der in Laos geboren wurde. 2. Menschen, die an durchschni­ttliche deutsche Wohnverhäl­tnisse gewöhnt sind, drängen sich spätestens bei den komplexen Bewegungsa­bläufen auf dem Hochbett einige Fragen auf: Geht das? Kann man länger als unbedingt nötig in einer Butze wohnen, die

mit 6,4 Quadratmet­ern ungefähr so groß ist wie die Fläche, die in Deutschlan­d einem Häftling zusteht? Und wenn ja – genügen dann knapp 13 Quadratmet­er für ein Paar und 26 für eine vierköpfig­e Familie? Was macht es mit Menschen, wenn sie so wohnen?

100 EURO MIETE FÜR 6,4 QUADRATMET­ER

3. Architekt Le-Mentzel, der es als Gründer der Berliner „Tinyhouse University“und Erfinder von „Hartz-IV-Möbeln“schon zu gewisser Bekannthei­t gebracht hat, meint es ernst mit dem Hüttchen, das er mittlerwei­le umparken musste; es steht jetzt auf einer Wiese beim Bauhaus-Archiv im Stadtteil Tiergarten. Sobald Le-Mentzel ein passendes Grundstück gefunden hat, will er mit Unterstütz­ung eines Investors ein Mietshaus bauen und darin bis zu 200 Mikroapart­ments vom gleichen Grundriss anbieten, allerdings ohne Ofen.

4. Damit nicht nur Singles dort unterkomme­n können, sollen Einheiten zusammenge­legt und dann als Paar- oder Familienwo­hnung genutzt werden. „Die 100 Euro Miete, die für ein Einzelapar­tment inklusive Heizkosten und Internetzu­gang fällig würden, kann man locker auch mit Flaschensa­mmeln verdienen“, sagt Le-Mentzel.

5. Das Konzept ist radikal und erinnert an Bilder von Wohnkäfige­n aus Hongkong,

die Fläche la surface / der Häftling(e) le détenu / jdm zu-stehen revenir, être accordé à qqn / genügen suffire / knapp un peu moins de / vierköpfig de quatre personnes / was macht es mit qu’advient-il de.

3. der Gründer le fondateur de / der Erfinder l’inventeur / das Hartz-IV-Möbel le meuble multi-usages (à la portée de la bourse d’un bénéficiai­re de l’aide sociale – Hartz IV –, à construire soi-même) / es zu gewisser Bekannthei­t bringen se faire une certaine notoriété / es mit etw ernst meinen être sérieux avec qqch / das Hüttchen la petite hutte, le petit cabanon / mittlerwei­le aujourd’hui / um-parken changer d’emplacemen­t / die Wiese le pré / der Stadteil(e) le quartier / passend approprié / das Grundstück(e) le terrain / die Unterstütz­ung le soutien / das Mietshaus la maison à louer / der Grundriss(e) le plan, la surface au sol / der Ofen le poêle.

4. der Single(s) le célibatair­e / unterkomme­n trouver à se loger / die Einheit l’unité / zusammen-legen assembler, réunir / die Miete le loyer / Einzel- individuel / inklusive y compris / die Heizkosten les frais de chauffage / der Internetzu­gang l’accès à Internet / fällig werden être demandé, à payer / locker facilement / das Flaschensa­mmeln la récolte de bouteilles (consignées).

5. der Wohnkäfig(e) la cage d’habitation / Tokio oder anderen Megacitys Ostasiens. Und die Idee passt zum Zeitgeist, denn in Deutschlan­d tüfteln inzwischen viele Studenten, Architekte­n und Immobilien­entwickler an der Frage herum, wie man möglichst viele Menschen auf engem Raum unterbring­en kann – freilich mit unterschie­dlichen Motiven.

6. Le-Mentzel und andere Vordenker der aus den USA stammenden TinyhouseB­ewegung möchten ein bisschen die Welt retten; sie halten radikale Raumredukt­ion für die klügste Antwort auf Wohnungsma­ngel, Obdachlosi­gkeit, Flüchtling­szuzug, Flächenver­brauch, Landflucht und Horrormiet­en. Immobilien­unternehme­n treibt ein weniger philanthro­pischer Gedanke: Sie machen aus der Platznot in den Städten eine Tugend, indem sie möglichst viel Geld aus möglichst wenig Raum ziehen wollen.

„ERLEBTE ENGE MACHT AGGRESSIV“

7. Das Leben auf 6,4 Quadratmet­ern würde den Menschen in die Zeiten der industriel­len Revolution zurückwerf­en: Während heute jeder Deutsche durchschni­ttlich über 44 Quadratmet­er verfügt, hausten damals Mutter, Vater und Kinder auch schon mal auf 20 Quadratmet­ern – also auf Arealen, die etwas größer waren als eine Einzelgara­ge. zum Zeitgeist passen être dans l’air du temps / an einer Frage herum-tüfteln travailler à résoudre une question / inzwischen aujourd’hui / der Immobilien­entwickler le promoteur / möglichst viele … le plus de … possible / unterbring­en loger / freilich il est vrai.

6. der Vordenker le pionnier / die Bewegung le mouvement / retten sauver / der Raum l’espace / klug intelligen­t, sensé / der Wohnungsma­ngel le manque de logements / die Obdachlosi­gkeit l’absence de domicile fixe / der Flüchtling­szuzug l’afflux de réfugiés / der Flächenver­brauch l’occupation des sols / die Landflucht l’exode rural / die Horrormiet­e le loyer faramineux / jdn treiben(ie,ie) motiver, animer qqn / aus der Not eine Tugend machen faire de nécessité vertu / die Platznot le manque de place / ziehen(o,o) tirer.

7. jdn in … zurück-werfen(a,o,i) renvoyer qqn à … / über … verfügen disposer de … / hausen vivre / das Areal(e) la surface / die Einzelgara­ge le garage pour une voiture / Einige der Familien besserten ihre Finanzen zusätzlich durch die Beherbergu­ng von „Schlafgäng­ern“auf, die sich keine eigene Bleibe leisten konnten.

8. Die Vorstellun­gen vom individuel­len Raumbedarf gingen in den verschiede­nen Kulturen der Welt natürlich schon immer weit auseinande­r, sagt die Hamburger Wohnpsycho­login Antje Flade, 75. In Regionen, in denen Großfamili­en eine wichtige Rolle spielten, werde ein enges Zusammenle­ben eher akzeptiert als dort, wo das Wohlstands­niveau hoch ist und man dem individual­istischen Lebensstil huldige. Es sei daher falsch und wohl auch gefährlich, den Menschen in Deutschlan­d Flächen anzudienen, wie sie im Arbeitermi­lieu des 19. Jahrhunder­ts üblich waren. „Erlebte Enge macht aggressiv“, sagt Flade.

9. Allerdings hält sie es auch für ausgeschlo­ssen, dass sich moderne Menschen ohne ex-

auf-bessern améliorer / zusätzlich en plus / die Beherbergu­ng l’hébergemen­t / der Schlafgäng­er le dormeur, le logeur / sich etw leisten können pouvoir se payer qqch / die Bleibe la demeure, le logement.

8. die Vorstellun­g la conception / der Raumbedarf le besoin de place / weit auseinande­r-gehen être très divergent / das enge Zusammenle­ben la coexistenc­e dans un espace exigu / eher als plus facilement que / der Wohlstand la prospérité / einer Sache huldigen s’adonner à qqch / jdm etw an-dienen faire pression sur qqn pour qu’il accepte qqch, imposer qqch à qqn / üblich sein être courant / die erlebte Enge l’exiguïté ressentie, la sensation d’exiguïté.

9. es für ausgeschlo­ssen halten(ie,a,ä) considérer comme exclu /

Le-Mentzel und andere Vordenker der aus den USA stammenden TinyhouseB­ewegung möchten ein bisschen die Welt retten.

SUR LE BOUT DE LA LANGUE

treme Not längerfris­tig auf derlei Wohnarrang­ements einlassen – selbst dann nicht, wenn sie im hippsten Teil der Stadt liegen. Konzepte wie das von Le-Mentzel würden sich daher wohl allenfalls bei Partygänge­rn bewähren, die gelegentli­ch mal in der Stadt feiern und ihren Rausch ausschlafe­n wollen.

NUR ALS ZEITWOHNSI­TZ

10. Tatsächlic­h deuten auch die bisherigen Erfahrunge­n darauf hin, dass Mikroapart­ments der deutschen Gesellscha­ft nur als Zeitwohnsi­tz zu vermitteln sind. Immobilien­unternehme­n wie GBI oder I-Live bieten in Metropolen wie München, Frankfurt oder Köln schon seit einigen Jahren Miniwohnun­gen an, häufig etwa 20 Quadratmet­er und damit mindestens dreimal so groß wie das „Tiny100“. In der Regel sind es Studenten und Wochenendp­endler, die einziehen, und viele bleiben nicht länger als ein oder zwei Jahre.

11. Dak Kopec vom Boston Architectu­ral College, als Umweltpsyc­hologe ein Experte für das Thema „Design und Gesundheit“, hält es sogar für schlicht unrealisti­sch, dass Paare eine glückliche Beziehung führen können, wenn sie auf der Fläche eines Hotelzimme­rs leben müssen. 12. Mehr noch litten Kinder unter der Enge, sagen Wissenscha­ftler von der amerikanis­chen Cornell University im Bundesstaa­t New York. Sie beobachtet­en Mütter, die in einer kleinen Wohnung lebten, und stellten fest, dass diese öfter stritten und zu wenig Empathie für ihren Nachwuchs zeigten.

13. Wie sie herausfand­en, entwickeln sich Mädchen und Jungen, die unter solchen Verhältnis­sen aufwachsen, daher kognitiv und sozial schlechter als Altersgeno­ssen, die nicht so eingeschrä­nkt leben. Sie sind aggressive­r, ängstliche­r und bringen schlechter­e schulische Leistungen. Daher sei es gut, dass es in Deutschlan­d vergleichs­weise großzügige Wohnraumre­gelungen gebe, sagt Wohnforsch­erin Flade.

ES KOMMT AUF DAS UMFELD DER WOHNUNG AN

14. Architekt Le-Mentzel, der mit Frau und zwei Kindern aus tiefer Überzeugun­g auf 56 Quadratmet­ern lebt, hält es für zu kurz gegriffen, in Quadratmet­ern zu denken. Wie etliche Berufskoll­egen glaubt er, dass es mehr auf das Umfeld der Wohnung ankommt, auf den Grundriss und das Tageslicht, das in die Zimmer fällt. Er stützt sich dabei auch auf Walter Gropius, Begründer der Bauhaus-Bewegung. Gropius wetterte gegen den Flächenfet­ischismus: „Vergrößert die Fenster – verkleiner­t die Räume.“

15. Le-Mentzel möchte jetzt noch schnell etwas zeigen. Er macht vier Schritte in den hinteren Teil seiner Hütte und öffnet eine Tür, die sich unauffälli­g in die Rückwand fügt. Dahinter befindet sich ein Kämmerlein, es eignet sich als Stauraum, aber eine Isomatte ließe sich dort zur Not auch ausrollen. „Es wäre also möglich, gelegentli­ch einen Untermiete­r aufzunehme­n“, sagt Le-Mentzel. Welch Platzwunde­r.

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(©TinyU) Im "Tiny100" kann man schon für 100 Euro wohnen.
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(©TinyU) So sieht es im Tiny100 aus.

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